Bürostuhl-PosseErzbistum kündigt Ex-Justiziarin – Gericht zweifelt an Rechtmäßigkeit

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Gericht

Die Anwälte des Erzbistums im Gerichtssaal

Köln – Mit ihrer Klage gegen des Erzbistum Köln, das ihr im Juli 2021 fristlos gekündigt und sie gegen ihren Willen in den Ruhestand versetzt hatte, hat seine Justiziarin und Leiterin der Stabsabteilung Recht Erfolg gehabt. Am Dienstag befand die 16. Kammer des Kölner Arbeitsgerichts unter Vorsitz von Hans-Stephan Decker, die Kündigung sei unwirksam.

Zudem entschieden die Richter, dass die vom Erzbistum ausgesprochene „Versetzung in den Ruhestand“ ungültig ist. Dagegen wies die Kammer die Forderung der Frau nach Schmerzensgeld ab.

Erzbistum Köln: Klägerin seit 2008 beschäftigt

Die Klägerin ist sei 2008 beim Erzbistum beschäftigt. Als Grund für die außerordentliche Kündigung hatte Wolfgang Glöckner, Anwalt des Erzbistums, beim Gütetermin im September angeführt, sie habe in der Anfangszeit der Corona-Pandemie unerlaubt einen Bürostuhl „von durchaus erheblichem Wert“ mit nach Hause genommen.

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Der Rechtsbeistand der Justiziarin, der Münchner Arbeitsrechtler Stephan Vielmeier, hielt dem entgegen, seine Mandantin habe den rückenschonenden Stuhl nicht heimlich mitgenommen, sondern ihrer Sekretärin einen Vermerk über den Vorgang hinterlassen. Die unabgesprochene Mitnahme von Eigentum des Arbeitgebers stelle zwar eine Pflichtverletzung dar, die an sich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründen könne, befand die Kammer.

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Doch in der konkreten Situation habe die Mitnahme nicht ausgereicht, um die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Das Erzbistum habe kurz vor Ostern 2020 der Tätigkeit im Homeoffice generell Vorrang vor der Präsenztätigkeit im Büro gegeben, die dafür notwendige Ausstattung so kurzfristig aber nicht zur Verfügung gestellt.

Bürostuhl im Homeoffice: Erzbistum Köln bestreitet Verwendung

Beim Gütetermin hatte Glöckner geltend gemacht, die Justiziarin habe den Stuhl gar nicht für das Homeoffice verwendet, weil sie seit Mitte April 2020 fortlaufend krankgeschrieben gewesen sei. Daran knüpft sich die Frage, ob es rechtens war, sie mit der Begründung, sie sei dauerhaft dienstunfähig, in den Ruhestand zu schicken. Der Arbeitsvertrag der Ex-Justiziarin sieht vor, dass auf ihr Arbeitsverhältnis beamtenrechtliche Regeln anzuwenden sind. Beamtinnen und Beamte können von Amts wegen in den Ruhestand versetzt werden, wenn sie dauerhaft dienstunfähig sind. Dies muss von einem Amtsarzt festgestellt werden.

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Im Fall der Ex-Justiziarin hatte eine Vertrauensärztin ein medizinisches Gutachten erstellt – allerdings bereits im Januar 2021, also ein halbes Jahr vor der Versetzung in den Ruhestand. Die für diesen Schritt notwendige Prognose, dass die Klägerin in den nächsten sechs Monaten nicht wiedergenesen werde, sei nicht schon allein aufgrund der vertrauensärztlichen Stellungnahme vom Januar und der seitdem fortdauernden Dienstunfähigkeit gerechtfertigt gewesen, urteilte das Gericht.

Die Klage der Justiziarin war mit der Forderung verknüpft, ihr mindestens 50 000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen, unter anderem mit der Begründung, es habe sie krankgemacht, dass sie ohne ausreichende Schulung und Supervision zahlreiche Fälle des sexuellen Missbrauchs habe bearbeiten müssen. Beim Gütetermin hatte Anwalt Vielmeier hervorgehoben, seine Mandantin sei mit „abstoßenden und belastenden Details“ konfrontiert gewesen. Als Folge davon leide sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Posttraumatische Belastungsstörung wegen Umgang mit Missbrauchsfällen

Retraumatisierend habe gewirkt, dass sie sich Befragungen durch die Anwälte der Kanzlei Gercke Wollschläger stellen musste. Diese war vom Erzbistum damit beauftragt worden, ein Ersatzgutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Fällen von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen zu erstellen, nachdem Kardinal Rainer Woelki die erste Studie, angefertigt von der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), unter Hinweis auf methodische Mängel und rechtliche Bedenken unter Verschluss genommen hatte.

Die Kammer begründet die Ablehnung der Geldforderung damit, die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle sei notwendig gewesen und die entsprechenden Belastungen für die damit betrauten Arbeitnehmer unvermeidbar. Der Klägerin als Leiterin der Stabsabteilung Recht sei zumutbar gewesen, selbst um für sie notwendige Unterstützung nachzusuchen.

So hätte sie sich darum bemühen können, eine Schulung bewilligt zu bekommen, sagte Decker in der Verhandlung. Je höher die Position eines Arbeitnehmers sei, desto mehr „Eigeninitiative und Selbstverantwortung“ könne von ihm erwartet werden. Zum Vorwurf der „Retraumatisierung“ merkte er an, für das vom Erzbistum in Auftrag gegebene Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen sei die Aufklärung durch Befragungen nötig gewesen. „Wie soll das gehen, ohne die damit befassten Arbeitnehmer wieder mit dem Geschehen zu konfrontieren?“

Erzbistum Köln wird Mobbing vorgeworfen

Die Frage sei nicht, ob, sondern wie dies geschehe, wandte Vielmeier ein; es sei eine Frage des „Fingerspitzengefühls“. Glöckner wiederholte, was er beim Gütetermin vorgebracht hatte: Hätten Woelki oder seine Mitarbeiter Einfluss genommen, um der Justiziarin eine Befragung zu ersparen, wäre es ihnen als „Vertuschung der Vertuschung“ ausgelegt worden.

Im Zusammenhang mit der Geldforderung sprach Vielmeier an, das Erzbistum habe seiner Mandantin das Leben mit einer „Art von Mobbing“ schwer gemacht, etwa dadurch, ihr „jede zweite Woche anlasslos ein neues Schreiben zu schicken“. Die Ex-Justiziarin soll sich für die Veröffentlichung des Gutachtens der Münchner Kanzlei stark gemacht haben. 

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