In Zürich ist der Kleinhandel in Konsumräumen erlaubt, die Drogenszene verschwand. Was Stadt, Land und Parteien zu einer Übertragung auf Köln sagen.
Zürcher Modell für Köln?„Drogenkonsumräume sind nicht zu Ende gedacht“

Kann das Zürcher Modell die Situation in den offenen Kölner Drogenszenen wie auf dem Neumarkt verbessern? (Symbolbild).
Copyright: Arton Krasniqi
Die Verwahrlosung der offenen Drogenszenen in Köln nimmt zu. Das lässt sich etwa auf dem Neumarkt beobachten, wo sich Crack als dominierende Drogen durchgesetzt hat. Rauschgifthändler und Konsumenten scheinen ihre Hemmungen längst verloren zu haben. Gedealt, geraucht und gespritzt wird vor aller Augen, fast rund um die Uhr. Im Kampf gegen diese Zustände erfährt nun das sogenannte Zürcher Modell viel Zuspruch aus Politik und Drogenhilfe. Die Stadt verweist allerdings auf fehlende gesetzliche Grundlagen – setzt sich nach eigenen Angaben aber für Gesetzesänderungen ein.
Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte Florian Meyer, Leiter der Abteilung „Schadensminderung für illegale Substanzen“ in Zürich das Modell vorgestellt. Noch in den 1990er-Jahren habe es in Zürich eine der größten Drogenszenen Europas gegeben. Als Reaktion darauf sei eine Viersäulen-Strategie entstanden, „in der alle relevanten Bereiche (Repression, Schadensminderung, Therapie und Prävention) gemeinsam und verzahnt agieren“, sagte Meyer.
Mittlerweile komme Konsum im öffentlichen Raum zwar noch vor, es gebe aber keine offene Drogenszene mehr. Zentral für den Erfolg sei es, dass in den Zürcher Drogenkonsumräumen der Drogenkleinhandel zwischen Konsumenten toleriert wird. „Das ist das eigentliche Schlüssel-Element des Ganzen, denn die Szene ist dort, wo der Stoff ist. Und wenn dieser in den Konsumräumen verfügbar ist, ist die Szene drin – und nicht im öffentlichen Raum“, sagte Meyer.
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NRW-Innenministerium äußert sich skeptisch
Wegen der „guten Erfahrungen“, die Zürich mit der Tolerierung des Kleinhandels gemacht habe, „ist die Stadt an dem Zürcher Modell interessiert und wirkt bei Land und Bund daraufhin, hierfür die gesetzlichen Grundlagen anzuregen“, sagte eine Sprecherin der Stadt zu dem Modell. Aktuell fehle es nämlich an gesetzlichen Grundlagen für Kleinhandel in Drogenkonsumräumen. „Ob und inwieweit sich das Zürcher Modell übertragen ließe, hängt von den rechtlichen Rahmenbedingungen ab.“ Außerdem brauche es für ein solches Modell mehr Personal und Geld, „die der Rat der Stadt Köln beschließen müsste“.
Die Situation in Köln sei mit der in Zürich aber auch „nicht ganz vergleichbar“, so die Stadtsprecherin weiter. „In Köln gibt es nicht die eine offene Drogenszene.“ Außerdem würde die Ablehnung von Konsumenten von außerhalb in Konsumräumen, wie sie in Zürich praktiziert wird, wiederum dazu führen, dass der Konsum im öffentlichen Raum steigt.
Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums äußerte sich skeptisch zu der Idee, den Kleinhandel in Konsumräumen zu tolerieren. „Eine valide Einschätzung darüber, wie sich der illegale Handel mit Betäubungsmitteln vor dem Hintergrund eines Bereiches/Raumes ohne Strafverfolgung entwickeln würde, ist nicht möglich“, sagte er. Das Innenministerium befürchtet auch Einschränkungen bei der Verfolgung von Organisierter Kriminalität (OK).
Zwar würden Strafverfolgungsbehörden häufig andere Quellen als den Straßenhandel bei OK-Ermittlungen nutzen, „allerdings könnte eine Verlagerung dazu führen, dass einzelne Hinweise zu Strukturen der OK nicht mehr gewonnen werden“, sagte er. Um das Zürcher Modell umzusetzen, brauche es außerdem unter anderem eine Gesetzesänderung auf Bundesebene, so der Sprecher weiter.
Linke fordert staatliche Abgabe von harten Drogen
Zuspruch für das Modell kommt von der Kölner CDU: „Das Zürcher Modell hat die dortige Situation der offenen Drogenszene radikal verändert und aus Sicht des Normalbürgers auch deutlich verbessert. Deshalb ist das Modell aus CDU-Sicht durchaus ein Zielbild, das wir für Köln als Vorbild nehmen können“, sagte Bernd Petelkau, Vorsitzender der CDU-Fraktion. „Aus unserer Sicht muss die Zulassung des Kleinhandels in den Räumen zwingend im Sinne einer Null-Toleranz-Strategie mit einer kompletten Zerschlagung des Drogenhandels im öffentlichen Raum einhergehen.“
Ähnlich sieht das die FDP. Sie fordert die Verwaltung auf, „einen strukturierten Austausch mit Zürich aufzunehmen und dem Stadtrat zeitnah eine Übersicht vergleichbarer Modelle in Deutschland und Europa vorzulegen“. Das soll dazu führen, Maßnahmen wie dezentrale Konsumräume und Kleinhandelsmöglichkeiten dort einzurichten, „wo die Belastung für Stadtbild und Anwohnerschaft besonders hoch ist – insbesondere am Neumarkt“. Fraktionsvorsitzender Görzel betonte aber: „Wenn Kleinhandelsmöglichkeiten toleriert werden, muss gleichzeitig bei illegalem Handel und Konsum im öffentlichen Raum konsequent und hart durchgegriffen werden. Sonst wird das Modell unglaubwürdig – und am Ende wirkungslos.“
Die SPD sieht in der Tolerierung des Kleinhandels „einen vielversprechenden Ansatz“, sagte Viola Recktenwald, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion. Allerdings verweist auch sie auf die rechtliche Lage. Es brauche „Gesetzesänderungen auf Bundesebene, damit Kommunen dies auch rechtssicher umsetzen können“. Deswegen setze sich die SPD vor allem für die „schnelle Einrichtung der Drogenkonsumräume in Kalk und Mülheim sowie der Weiterbetrieb der mobilen Drogenkonsumräume ein“.
Sergen Belen, gesundheitspolitischer Sprecher von Volt, fordert eine Gesetzesänderung auf Bundesebene: „Drogenkonsumräume, wie sie aktuell erlaubt sind, sind nicht zu Ende gedacht: Sie ermöglichen den Konsum, nicht aber den regulierten Erwerb von Drogen oder Ersatzmitteln. Der gesetzliche Rahmen ignoriert die Realität vor Ort. Der Handel findet dort statt, wo konsumiert wird – und umgekehrt.“
Linke: Staatliche Abgabe von Drogen, statt Tolerierung des Handels
Die Linke setzt sich statt für die Tolerierung des Kleinhandels für eine staatliche Abgabe von Drogen ein. „Verunreinigte und gestreckte Drogen, die zusätzliche Schäden verursachen, wären gebannt und der Zugang zu Hilfsangeboten wird erleichtert. Gleichzeitig wird den Drogendealern die Geschäftsgrundlage entzogen, denn Drogendealer handeln auch im Konsumraum nicht zum Wohle der Schwerstabhängigen“, sagte Albert Nowak, der für Die Linke im Gesundheitsausschuss sitzt. Nowak verweist auch auf den Kölner Polizeipräsidenten Johannes Hermanns, der einen ähnlichen Vorschlag zur Verbesserung der Situation am Neumarkt gemacht hat.
Markus Wirtz, Geschäftsführer der Kölner Drogenhilfe, sieht im Zürcher Modell, ein Vorbild für Köln und sieht in der Tolerierung des Kleinhandels „einen der zentralsten Punkte des Zürcher Modells und es lohnt sich in jedem Fall, über solch einen pragmatischen und realitätsnahen Weg zu diskutieren.“ Er sagte aber auch, dies sei „rechtlich und politisch in Deutschland noch umstritten und schwer umsetzbar“. Köln brauche aber darüber hinaus „mehrere Konsumräume, flexible Öffnungszeiten, eine enge Verzahnung mit Sozialarbeit“. Außerdem brauche es mehr Geld für Hilfsstellen: „Viele Angebote kämpfen darum, überhaupt den Status Quo zu erhalten. Ein Ausbau wäre geboten, passt aber nicht zur derzeitigen – vor allem finanziellen – Wirklichkeit.“