Komplizierte SchlösserWie der Tresor-Chirurg von Köln Geldschränke knackt

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Lars Jelonnek

In einer Halle in Neuehrenfeld hat Lars Jelonnek eine stattliche Sammlung antiker Geldschränke.

Neuehrenfeld – Du wirst immer nur gerufen, wenn alles Scheiße ist“, klagte Klaus J. Behrendt alias Max Ballauf im letzten Kölner Tatort. Nicht ganz so krass formuliert es Lars Jelonnek: „Ich komme immer dann, wenn es schlimm ist.“ Dass auf den Spezialisten aus Neuehrenfeld selbst im schlimmsten Fall keine Leichen warten, macht die Sache für ihn zwar angenehmer, aber nicht unbedingt leichter. Denn auch Jelonnek hat in seinem Beruf manch extrem harte Nuss zu knacken.

Viele antike Geldschränke wirken wie aus Holz, dabei handelt es sich um täuschend echt bemalten Stahl.

Viele antike Geldschränke wirken wie aus Holz, dabei handelt es sich um täuschend echt bemalten Stahl.

Wenn sich der Tresor einer Bank plötzlich nicht mehr öffnen lässt, ist das ein Fall für den 47-Jährigen. Wenn ein Bordellbetreiber bei Nacht und Nebel verschwindet und die Ermittler im Etablissement nur noch den verschlossenen Strahlschrank vorfinden, ebenfalls. Wenn die Polizei an einem dubiosen Ort auf einen herrenlosen Safe stößt, könnte wenig später bei Jelonnek das Telefon klingeln. Oder wenn – wie neulich – der rechtmäßige Besitzer eines Tresors einen Hilferuf entsendet, weil sich Schlüssel und Bart in zwei Teile gespalten hatten.

„Da war leider schon der Schlüsseldienst dran“

Der abgebrochene Bart als solcher hätte Jelonnek nicht vor ein großes Problem gestellt. Er ist ein wahrer Kujau im Nachmachen von Schlüsseln. „Nur war da leider vorher schon der Schlüsseldienst dran“, der versucht habe, den Bart mit Sekundenkleber zu befestigen, was gründlich schiefging. Am Ende klebte der nämlich nicht am Schlüssel, sondern im Schloss fest. Nun würde Jelonnek sich kaum „Tresor-Chirurg“ nennen, wenn er nicht selbst solch ein Schloss mit eingeklebtem Schlüssel aufbekäme. Es braucht halt Zeit.

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Im langwierigsten Fall seiner Laufbahn hat die Öffnung ganze 19 Stunden gedauert. Das Corpus Delicti – der Tresor einer britischen Schaustellertruppe – war durch ein Missgeschick beim Transport vom Wagen gestürzt und die Türseite mit derartiger Wucht auf den Asphalt geknallt, „dass die gesamte Mechanik verzogen war“. Weil er für diese Aufgabe extra in die Eifel kommen musste und nicht im Hotel übernachten wollte, fummelte Jelonnek bis zum Morgengrauen.

Kein Hexenwerk

Eigentlich sei eine Tresoröffnung kein Hexenwerk, sagt der Kölner. Was man dafür brauche, sei Fingerspitzengefühl und vor allem Geduld. Beides besitzt er in ausreichendem Maße, und trotzdem hat er selber hin und wieder wie der berühmte Ochse vor dem noch berühmteren Berg gestanden.

„Versuchen Sie mal, diesen Tresor hier zu öffnen“, sagt er und deutet auf einen ziemlich alt wirkenden Sicherheitsschrank, der verblüffenderweise so wirkt, als sei er aus Mahagoni-Holz geschreinert. Die erste Irreführung. Tatsächlich handelt es sich um täuschend echt bemalten Stahl. Etwa in der Mitte der Türe befindet sich ein Metallstück in der Größe eines kleinen Rosenblatts, hinter der man das Schloss vermutet. Nur leider will sich diese Klappe weder zur Seite schieben noch nach innen drücken lassen.

Komplizierte Mechanismen und dicke Stahltüren stellen für den Tresor-Chirurgen kein Hindernis dar.

Komplizierte Mechanismen und dicke Stahltüren stellen für den Tresor-Chirurgen kein Hindernis dar.

Der Tresorchirurg schnappt den ratlosen Blick auf, nimmt den imposanten Schlüssel an sich und zeigt, dass man diesen auseinander ziehen kann. Plötzlich hält er einen kurzen Metallstift mit spitz zulaufendem Ende in der Hand. Allerdings ist weit und breit keine Öffnung zu sehen, wo dieser Dorn hineinpassen könnte. Der Experte rät, die Tür sorgfältig nach abgenutzt wirkenden Stellen abzusuchen. Und tatsächlich! Links oben in der Ecke glänzt es leicht.

Setzt man hier die Metallspitze an und schiebt sie ein wenig nach oben, kommt plötzlich etwas weiter unten das Schloss zum Vorschein. Über diese und andere raffinierte Konstruktionen solcher Trickschlösser könnte der Kölner stundenlang erzählen, was auch daran liegt, dass in der von ihm genutzten Hinterhofhalle ein antiker Tresor neben dem anderen steht. Sein bevorzugtes Sammelgebiet erstreckt sich auf den Zeitraum zwischen 1870 und 1930. Der schwerste Brummer ist ein 2.600 Kilo schwerer Safe aus Amsterdam. Ein Exemplar, das Berühmtheit erlangt hat, ist ein kleinerer Sicherheitsschrank aus England, den er für die Anne-Frank-Verfilmung ausgeliehen hat.

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Ein eigenes Tresor- und Schlössermuseum

Direkt neben dem Lager mit den Exemplaren, die noch aufgearbeitet werden wollen, hat Jelonnek sich ein eigenes Tresor- und Schlössermuseum eingerichtet, in dem man die ausgeklügeltsten Mechanismen und Schlüssel in allen Größen bestaunen kann. Dort befindet sich auch sein Meisterstück, mit dem alles anfing.

Er habe sich „schon immer für Schlösser interessiert“, erzählt Jelonnek. Das war naheliegend, denn seine Eltern hatten einen Schlüsseldienst-Betrieb. Also fing er schon früh damit an, Schlösser auseinanderzubauen, „was weniger das Problem war, als sie wieder zusammenzusetzen; vor allem, wenn am Ende Teile übrigblieben.“

Die Nächte durchgefeilt

Nicht ganz so naheliegend war die Vorlage, die er sich 1994 für seine Meisterprüfung als Metallbauer ausgesucht hat. Nachdem dem damaligen Vorsitzenden der Prüfungskommission, Hermann Robels, die erste Meisterstück-Idee nicht meisterhaft genug erschien, begab sich Jelonnek ins Schloss- und Beschlägemuseum nach Velbert und kam dort auf die Idee, ein großes Vorhängeschloss aus der Renaissance-Zeit nachzubauen.

„Ich habe die Nächte durchgefeilt, gesägt, gedreht und gelötet“, erzählt der Mann, dessen Arbeit schließlich so großartig ausfiel, dass es zum 150-jährigen Bestehen der Handwerkskammer besonders gewürdigt wurde. Seitdem hat Jelonnek schier unendlich viel Zeit mit Trickschlössern und Zahlenkombinationsschlössern verbracht.

Apropos Kombinationsschlösser: Stimmt der Eindruck, der gerne in Fernsehkrimis erzeugt wird, dass ein Stethoskop das wichtigste Werkzeug eines Tresorknackers ist? – Bei ihm sei es eher das Endoskop, sagt Jelonnek. „Beispielsweise, um sehen zu können, ob ein Fremdkörper im Schloss sitzt.“ Das Stethoskop könne als Analysewerkzeug durchaus hilfreich sein, um andere Geräusche auszuschließen. Allerdings erfordere die Benutzung in der Regel sehr viel Zeit – und die habe der gemeine Bankräuber im richtigen Leben nur selten und schon gar nicht im Überfluss.  

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