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Erzbistum KölnEklat um Verbot von Regenbogen-Symbol bei Festakt für neue Schule in Kalk

6 min
Regenbogenfahne vor dem Bildungscampus in Kalk

Eltern von Kindern des neuen Bildungscampus in Köln-Kalk organisierten Widerstand gegen die Aufforderung, keine Regenbogen-Symbole zu verwenden. 

Der Campus bezeichnet sich als Schule für alle. Bei der Eröffnungsfeier wurde eine Gemeindereferentin des Geländes verwiesen

Bei der Einweihung des neuen Erzbischöflichen Bildungscampus Köln-Kalk mit Kardinal Rainer Woelki ist es am Montag zu einem Eklat um das Verwenden des Regenbogen-Symbols gekommen. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus mehreren Quellen wurden Mitarbeitende vor der Einweihung, die einen Tag nach dem Kölner „Christopher Street Day“ stattfand, aufgefordert, im Eröffnungsgottesdienst und beim Festakt nicht das Zeichen der Queer-Bewegung zu zeigen. In einem Schreiben der Schulleitung heißt es, provokative Kleidung, die sich gegen den Arbeitgeber wende oder eine persönliche Botschaft vermitteln solle, sei zu unterlassen. Als Beispiel war von einer Krawatte in Regenbogen-Farben die Rede. Dies bestätigte Bistumssprecher Wolfram Eberhardt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es sei darum gegangen, „gesellschaftliche Kontroversen bei diesem festlichen Anlass außen vor zu lassen“.

Eltern verabredeten sich daraufhin zum Protest. Sie brachten Regenbogen-Symbole in verschiedener Form mit. Aus dem Fenster eines Klassenzimmers über dem Haupteingang ließen sie am Morgen eine Regenbogenfahne wehen – die allerdings eine Stunde später wieder entfernt war. Zwei Grundschülerinnen, die im Gottesdienst mit dem Kardinal Messdienerinnen sein sollten, wurde nach den Worten ihres Vaters von einer Lehrerin aufgefordert, Regenbogen-Sticker von der Kleidung zu entfernen. „Meiner Tochter wurde gesagt, der Kardinal wolle das nicht.“

Kölner Seelsorgerin des Schulgeländes verwiesen

Marianne Arndt, Gemeindereferentin in Vingst/Höhenberg beim Kölner „Sozialpfarrer“ Franz Meurer, berichtete von offenem Druck aus der Schulabteilung des Erzbistums. Die Empörung von Lehrkräften und Eltern könne sie gut verstehen. „Wo kommen wir hin, wenn der Träger dieser Schule schon bei der Eröffnung so agiert? Ich finde es unsäglich, welch große Angst man vor Menschen zu haben scheint, die ein Symbol der Freiheit, des Friedens und der Toleranz zeigen – und das an einer Schule, die beansprucht, für alle da zu sein“, sagte Arndt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„Wer an einer kirchlichen Bildungseinrichtung lehrt, lernt und lebt, soll keine Angst haben müssen.“ Weil die Seelsorgerin auch selbst Regenbogen-Sticker verteilte, wurde sie von Mitarbeitenden des Generalvikariats der Schule verwiesen. „Ein Schulrat des Erzbistums hat mich ins Visier genommen und Fachbereichsleiter Thomas Kamphausen auf mich aufmerksam gemacht. Der hat mich aufgefordert, unverzüglich das Gelände zu verlassen. Dem bin ich nachgekommen, weil ich keinen Ärger machen wollte. Aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich habe das restriktive Vorgehen als psychische Gewalt empfunden.“

Bistumsmitarbeiter: Regenbogen-Signet ist Kampfsymbol gegen die katholische Kirche

Das Elternteil eines Schulkinds berichtete, Kamphausen habe auf Befragen erklärt, Regenbogen-Signets seien ein Kampfsymbol gegen das Erzbistum beziehungsweise die katholische Kirche. Sie hätten an dieser Schule nichts zu suchen. Eine Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ dazu blieb unbeantwortet.   Das Erzbistum teilte   mit, es habe eine „Bitte“ der Schulleitung an alle Mitarbeitenden gegeben, „in festlicher Kleidung teilzunehmen“. Bistumssprecher Eberhardt betonte das Anliegen einer bunten und inklusiven Schule. Kardinal Woelki habe in seiner Predigt die Vielfalt an Glaubensrichtungen betont, die am Bildungscampus vertreten seien. Alle seien dort willkommen, unabhängig davon, was sie glaubten, ob sie queer seien oder nicht, unterstrich Eberhardt.

Pfarrer Meurer, der an der Einweihung teilnahm, trug den Regenbogen-Sticker, den Eltern ihm gegeben hatten – auch in der Messe. „Der Regenbogen steht für Vielfalt – genau wie diese Schule hier“, sagte Meurer. Mit einer Aufforderung von oben sei daraus überhaupt erst ein Problem geworden. Das sei kontraproduktiv gewesen und der dümmste Fehler, den man habe machen können.

Investitionsvolumen von 80 Millionen Euro

Zum Ensemble des mit einem Investitionsvolumen von 80 Millionen Euro errichteten Bildungscampus, eines Herzensprojekts von Woelki, gehören eine Grundschule und eine integrierte Gesamtschule. Das Erzbistum rühmt sich eines „innovativen, ganzheitlichen Bildungsverständnisses – offen für Kinder aller sozialen und religiösen Hintergründe“. Dazu gehöre auch die bewusste Entscheidung für den Standort Kalk mit seinen sozialen Herausforderungen. „Bildung muss dort stark sein, wo sie am meisten gebraucht wird.“

Je ein Drittel der Kinder, die dort die Grund- und Gesamtschule besuchen, sind katholisch oder muslimisch, das dritte Drittel ist konfessionslos oder anderen Glaubens. Dass Vielfalt an der neuen Grund- und Gesamtschule gelebt wird, betonte der Kardinal auch in seiner Festansprache für den Campus, der Platz für 1000 Schülerinnen und Schüler bietet. „Unser Ziel ist es, gerade jenen Kindern Perspektiven zu eröffnen, die in unserer Gesellschaft oft übersehen werden“, sagte Woelki. Vielen Eltern gefiel die Ansprache gut.

Das Bekenntnis zur Vielfalt hat die Schulleitung nach Ansicht von Kritikern mit ihrer Aufforderung zum Verzicht auf die Regenbogen-Symbolik unterlaufen. „Wir haben wenige Tage vorher von der offiziellen Aufforderung erfahren und spontan Widerstand organisiert“, sagten mehrere Väter und Mütter am Rande der Eröffnungsfeier. „Sexuelle Vielfalt an einer Schule, die sich explizit als Schule für alle versteht, zu verbieten, erschien uns als rückwärtsgewandt und geradezu absurd.“

Eltern versahen Canapés am Buffet mit Regenbogenfähnchen.

Eltern versahen Canapés am Buffet mit Regenbogenfähnchen.

Nicht wenige Eltern und Kinder trugen während des Festakts Regenbogenbuttons auf der Brust, T-Shirts, Taschen und Strumpfhosen in Regenbogen-Farben. Kinder liefen mit Regenbogenfahnen durch die Klassenräume, in die Canapés beim Buffet waren zeitweilig Fähnchen mit dem Symbol der LGBTQ-Bewegung angebracht. In der Bibel ist der Regenbogen das Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen.

Regenbogenfahne im Fenster des Bildungscampus Kalk

Zeichen des Protests: Regenbogenfahne am Montagmorgen im Fenster des Bildungscampus Köln-Kalk

Irritiert zeigte sich der Vater des Schulkinds, das von einer Lehrerin aufgefordert worden sei, seinen Regenbogen-Sticker für die Messe abzulegen. Ein lesbisches Paar, händchenhaltend vor dem Haupteingang stehend, erzählte, dass die Tochter einer der beiden Frauen eine Tasche in Regenbogen-Farben nicht mit in die Schule nehmen durfte. „Wir haben uns da gefragt, ob unsere Kinder hier an der richtigen Schule sind. Der Protest heute ist auf jeden Fall richtig. Wir sind hier sonst auch nie diskriminiert worden, die Lehrerinnen und Lehrer sind sehr offen und tolerant“, sagten sie.  Eine der zwei Schulleiterinnen habe eine Tasche in Regenbogen-Farben konfisziert, schilderten andere Eltern.

Kardinal Woelki habe ihr gegenüber geäußert, er wisse nichts von einem Regenbogen-Verbot, berichtete eine Mutter. 

Kardinal Woelki weihte am Montag den Bildungscampus in Köln-Kalk ein.

Kardinal Rainer Woelki weihte am Montag den Erzbischöflichen Bildungscampus in Köln-Kalk ein.

Das Erzbistum hatte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ auch nach einem Regenbogen-Verbot zunächst lediglich ausweichend geantwortet. Der Bildungscampus sei „eine bunte und inklusive Schule für Schülerinnen und Schüler jeden Geschlechts sowie jedes religiösen und sozialen Hintergrunds“.

Ohne die Aufforderung, keine Regenbogen-Farben zu tragen, hätten wir heute ein unbeschwertes Fest gefeiert.
Vater einer Schülerin des Bildungscampus

Genauso sehen es auch viele Eltern. „Ohne die Aufforderung, keine Regenbogen-Farben zu tragen, hätten wir heute ein unbeschwertes Fest gefeiert“, sagte ein Vater. Auch die Lehrerinnen und Lehrer seien so „in eine schwierige Lage gebracht worden. Wir konnten dieses Zeichen der Intoleranz so nicht stehen lassen.“

Die Schule mit ihrem Ansatz, Kinder von sozial benachteiligten Eltern besonders zu fördern, sei super, unterstrich Pfarrer Meurer. „Eine Fünftklässlerin, die hier heute eine Rede gehalten hat, trug ein bauchfreies T-Shirt. All das ist heute zum Glück auch in einer katholischen Schule selbstverständlich.“ Die Regenbogen-Farben müssten es auch sein. Eben: „Nicht der Rede wert.“

Schulleiterin möchte nicht, dass Reporter mit Eltern spricht

Die Aufforderung, das Symbol nicht zu verwenden, sagte ein Vater, „bedeutet nicht nur eine Diskriminierung, sondern ist aus meiner Sicht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar“. Eine Mutter ergänzte: „Manche haben jetzt die Sorge: Wenn mein Kind queer ist, ist es hier nicht erwünscht.“ Gerade das Erzbistum mit seinen Missbrauchsskandalen „sollte besonders sensibel sein, allen Kindern einen geschützten Ort zu bieten“.

In der Schule überlagerte das Thema am Nachmittag die Feier.  Die Schule habe „eine Direktive erteilt, mit wem hier gesprochen werden darf und mit wem nicht“, sagte eine der Schulleiterin außerhalb des Schulgeländes. Dort selbst sollten Gespräche von Medienvertretern mit Eltern augenscheinlich unterbunden werden. Dabei sind die Väter und Mütter doch eigentlich stolz darauf, dass ihre Kinder auf eine „Schule für alle“ gehen.