Missbrauch im ErzbistumKölner Gericht verhängt Geheimhaltung bei dreistündiger Zeugenvernehmung

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Portikus des Justizgebäudes am Reichenspergerplatz in Köln, Sitz des Oberlandesgerichts

Portikus des Justizgebäudes am Reichenspergerplatz in Köln, Sitz des Oberlandesgerichts

Der Rechtsstreit über Berichte zu Missbrauchsvorwürfen gegen einen von Woelki beförderten Priester findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Im Prozess zu Presseberichten über Missbrauchsvorwürfe gegen ein von Kardinal Rainer Woelki 2017 beförderten Priester vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln hat am Donnerstag ein mutmaßliches Opfer des Geistlichen ausgesagt. Der Priester bestreitet die Anschuldigungen und hat der „Bild“-Zeitung eine Reihe von Berichten darüber verbieten lassen. Gegen ein Urteil des Landgerichts Köln hat die Zeitung aber Berufung eingelegt.

Zum Schutz des – zur mutmaßlichen Tatzeit Anfang der 1990er Jahre minderjährigen – Zeugen schloss der 15. Zivilsenat die Öffentlichkeit für den Verlauf der dreistündigen Vernehmung aus. Überdies erlegte das Gericht den Vertretern der „Bild“ eine Geheimhaltungspflicht auf. Damit dürfen diese nichts über die Vernehmung des Zeugen und die anschließende Erörterung nach außen tragen, ein ausgesprochen ungewöhnlicher Vorgang.  „Das kommt bei uns nicht alle Tage vor“, sagte OLG-Sprecherin Eva Moewes. 

Das Gericht wollte von dem Zeugen Näheres zu Saunabesuchen des Priesters mit Messdienern, zu Alkohol, Masturbation und das Vorspielen von Pornofilmen erfahren. Die Vorsitzende Richterin, Brigitte Richter, erklärte zu Beginn der Verhandlung, der Senat halte die Vernehmung für erforderlich, um die Richtigkeit der entsprechenden Berichte in der „Bild“ einschätzen können.

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Zeuge will „nicht in die Öffentlichkeit gezerrt“ werden

Der Zeuge bekundete sein Interesse am Schutz seiner Intimsphäre. Er habe nichts gegen eine Berichterstattung, die grundsätzlich der Aufklärung über Missbrauch in der Kirche diene, wolle aber mit seinem Schicksal „nicht in die Öffentlichkeit gezerrt“ werden.

Der Anwalt der „Bild“, Manuel Banck, machte ein Versagen „aller anderen Systeme“ im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche geltend. Nur dank der Presse sei eine breite Debatte in Gang gekommen. Im konkreten Fall sei große Mühe darauf verwendet worden, dass der Opferzeuge nicht identifizierbar ist. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. 

Vertreter der „Bild“-Zeitung dem Vernehmen nach sehr zufrieden

Wie OLG-Sprecherin Moewes weiter erläuterte, liege die Verpflichtung der Prozessbeteiligten zur Geheimhaltung im Ermessen des Gerichts nach Abwägung aller Interessen. Was daraus für die weitere Berichterstattung folgt, sei „nicht zuletzt journalistisch zu klären“, so Moewes.

Dem Vernehmen nach waren die Vertreter der „Bild“ nach dem Ende der Sitzung mit dem Ergebnis der Zeugenvernehmung sehr zufrieden. Der Rechtsanwalt des Priesters, Tobias Hermann, wollte sich auf Anfrage nicht äußern. 

Die Verkündung des Urteils hat das Gericht für den 30. November angesetzt.

Der Zeuge hatte seinen Fall zusammen mit seinen Eltern bereits in den 1990er Jahren beim Erzbistum gemeldet. Der Priester, seinerzeit Kaplan in der Gemeinde des Betroffenen, wurde daraufhin versetzt. 2010 erfolgte eine weitere Meldung des Falls durch den Patenonkel des Betroffenen. Ende 2020 schließlich schilderte dieser in einem Brief an die damalige Interventionsbeauftragte des Erzbistums ausführlich ein Missbrauchsgeschehen, bei dem der Geistliche ihn zunächst betrunken gemacht und danach gegen seinen Willen massive sexuelle Handlungen an ihm vorgenommen habe. 

Ein kirchlicher Strafprozess gegen den Geistlichen endete Ende 2022 mit einem Freispruch und zugleich mit Beschränkungen der priesterlichen Tätigkeit.

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