Satiriker Florian Schroeder im Interview„Gerade weil die Zeit so schlecht ist, ist der Wunsch darüber zu lachen noch größer“

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Kabarettist und Moderator Florian Schroeder im blauen Anzug im Porträt.

Florian Schroeder kommt mit seinem Programm „Schluss jetzt“ nach Köln.

Der Satiriker Florian Schroeder kommt mit seinem Jahresrückblick „Schluss jetzt“ nach Köln. Im Interview verrät er, wer für ihn die Verlierer des Jahres sind und warum 2023 ein besseres Jahr werden könnte.

Sie reflektieren in Ihrem Programm „Schluss jetzt!“ das vergangene Jahr. Haben die Leute nach Corona, Krieg und Energiekrise überhaupt Lust, auf 2022 zu blicken?

Florian Schroeder: Das ist eine berechtigte Frage. Aber ja, fast alle Shows sind ausverkauft. Die Leute scheinen Lust zu haben. Das ist ein bekanntes komödiantisches Paradox – gerade weil die Zeit so schlecht ist, wie sie ist, scheint der Wunsch darüber zu lachen noch größer.

Eine kollektive Traumabewältigung also?

Alles zum Thema Lufthansa

Das ist ein großes Wort. Aber im Grunde genommen stimmt das wohl, ja.

Ein schlechtes Jahr ist eine gute Situation für den Satiriker

Wenn Sie das Jahr in einem Satz zusammenfassen müssten – wie würde der lauten?

Scheiße.

Ein Wort reicht?

Genau. Für einen Satiriker war die Situation aber natürlich umso besser. Es gab wirklich sehr viele Themen. Ich dachte, ich müsse den ganzen Abend nur über den Krieg sprechen, aber dem ist nicht so. Es ging um kulturelle Aneignung, darüber, ob man Winnetou noch lesen darf. Es ging um Christian Lindners und Franca Lehfeldts Hochzeit auf Sylt. Um den Rücktritt von Boris Johnson und dann natürlich um den Tod der Queen und nicht zuletzt um das große Aufregerthema, die Letzte Generation. Diese Vielfalt an Themen macht das Programm bunt, und macht es auch lustig.

  • Florian Schroeder (43) wuchs in Lörrach auf und studierte Germanistik und Philosophie in Freiburg und Berlin. Er arbeitet als Kabarettist, Buchautor, Kolumnist und Podcaster.
  • Schroeder moderierte seit 2014 „Spätschicht – Die Comedy Bühne“ im SWR und die „Florian Schroeder Satireshow“ in der ARD. Kürzlich wurde bekannt, dass beide Sendungen eingestellt werden. 
  • Wie die Sender HR und SWR der „TV Wunschliste“ bestätigten, arbeiten beide mit Schroeder aktuell an einem neuen Format, das wieder in der ARD ausgestrahlt werden soll.

Wurde Ihnen über ein Thema im letzten Jahr zu wenig gesprochen?

Tatsächlich nicht. Alles, was mir wichtig ist, habe ich auch im Programm. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann man sowieso nicht haben. Zur Fußball-Weltmeisterschaft zum Beispiel ist alles gesagt, das halte ich kurz – zur Pressekonferenz von Gianni Infantino, bei der er eröffnete, sich selbst wie ein Arbeitsmigrant zu fühlen. Ein Mann in seiner Position sollte nicht fühlen, sondern denken.

Die Verlierer des Jahres: Deutsche Mobilitätsunternehmen

Wer sind für Sie die Verlierer des Jahres?

Neben der Fifa natürlich Wladimir Putin. Wobei wir den Kriegsausbruch hätten erahnen können. Er hat es immer wieder gesagt, seinen Traum von der Wiederherstellung der UdSSR, besser des Russischen Reichs, formuliert. Die weiteren Verlierer des Jahres sind im Sommer die deutschen Mobilitätsunternehmen gewesen. Von der Lufthansa über die Deutsche Bahn bis zur Autobahn. Wir mussten uns in einem neuen Zen-Buddhismus üben: Von unseren Besitztümern konnten wir uns dank der Lufthansa verabschieden, weil sie dankenswerterweise unser Gepäck verschlampte. Bei der Bahn lernten wir, dass Leben Leiden ist. Und im stundenlangen Stau auf maroden Straßen blieb genug Zeit für Meditation.

Lassen sich denn auch Gewinner ausmachen?

Als Satiriker lebe ich in der Ästhetik des Negativen. Deshalb fallen mir keine Gewinner ein. Die zu bewerten ist aber auch nicht meine Aufgabe.

Eine Ästhetik des Negativen. Wenn man sich nur mit den und dem Gescheiterten auseinandersetzt: Bekommt man da keine schlechte Laune?

Manche Themen machen einen wütend oder traurig, klar. Aber das spielt für meine Arbeit eine untergeordnete Rolle. Es ist vielmehr Antrieb, um all das ins Fröhliche zu drehen. Um Dinge neu zu denken, sie unterhaltsam zu machen. Da habe ich keine Zeit für schlechte Laune.

„Der Konsens ist größer als alle glauben“

Ob Winnetou oder Kriegswaffen: Bei vielen Themen hat man den Eindruck, die Polarisierung in der Gesellschaft wird immer größer. Lässt sich überhaupt noch ein gemeinsamer Nenner finden?

Ich glaube, dass der Konsens deutlich größer ist als alle glauben. Es ist eine kognitive Verzerrung zu denken, dass wir nicht mehr miteinander reden können. Ja, das Problem wird größer. Aber wir haben eine große, vernünftige Mehrheit. Sonst hätten wir die drei Jahre Pandemie nicht so bewerkstelligt, wie wir das getan haben.

Sie touren mit dem Programm durch ganz Deutschland. Nehmen Sie dabei auch lokale Krisen in den Blick, wie das Erzbistum hier in Köln?

Ich bin in zwei Monaten in 40 Städten, das schaffe ich leider nicht. Und es wäre auch verlogen so zu tun, als hätte ich Ahnung von kommunalpolitischen Themen. Während der Show können die Leute im Publikum auf Karten aber die Themen schreiben, mit denen sie Schluss machen wollen und so etwas aus ihrer Stadt einbringen. Dazu improvisiere ich dann nach der Pause. So lerne ich auch noch etwas dazu. Außerdem aktualisiere ich das Programm fast täglich.

Florian Schroeder: Nach Krisen kommen wieder bessere Zeiten

Was ist als letztes hinzugekommen?

Der jetzt schon legendäre Silvester-Auftritt auf Instagram von Christine Lambrecht.

Eine letzte Frage. Wird 2023 besser?

Ich bin kein guter Nostradamus. Und eine genaue Prognose abzugeben wäre unseriös. Ich glaube aber, dass wir die Hoffnung nicht aufgeben sollten. Es gibt etwas, das der Psychologe Daniel Kahneman die „Regression zur Mitte“ nennt. Der Weltverlauf war immer zyklisch. Nach großen Krisen und Problemen kommen auch wieder bessere Zeiten.

Florian Schroeder kommt mit seinem Programm „Schluss jetzt! Der satirische Jahresrückblick“ am 21. Januar 2023 nach Köln ins Comedia-Theater. Tickets kosten rund 28 Euro.

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