Haftstrafe für Kölner BöllerwerferKnallkörper hätte Geldautomaten sprengen können

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Böllerwerfer Köln

Der Böllerwerfer vom Derby 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach vor dem Landgericht Köln

Köln – Zu drei Jahren und drei Monaten Haft hat das Kölner Landgericht am Donnerstag einen 35-jährigen Mann verurteilt, der in der Hauptsache angeklagt war, beim Rhein-Derby des 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach im September 2019 einen sogenannten Polenböller gezündet zu haben, durch dessen ohrenbetäubenden Knall mehr als 20 Menschen verletzt wurden.

Der Vorwurf lautete auf Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und gefährliche Körperverletzung. Das Urteil schließt ein, dass Marcel S., der arbeitslos ist und früher als Gebäudereiniger gearbeitet hat, zwei Opfern, die im Prozess als Nebenkläger auftraten, Schmerzensgeld in Höhe von 4000 beziehungsweise 5000 Euro zahlen muss.

Hitlergruß gezeigt

Für erwiesen hält die 13. Große Strafkammer ebenso, dass der 35-Jährige im Oktober 2018 anlässlich einer Demonstration am Hauptbahnhof den Hitlergruß gezeigt und im August dieses Jahres in Ehrenfeld einen Passanten mit einem Schlag ins Gesicht verletzt und bei seiner Festnahme kurz danach Polizisten beleidigt hat.

Es war die 83. Spielminute der Partie, als Marcel S., der in Begleitung von zwei Frauen war und unten auf der Südtribüne stand, den in Deutschland verbotenen Knallkörper der Marke „Gorilla Bomb“ über das Absperrgitter in den Stadioninnenraum warf, vor die Füße von Ordnern, Pressefotografen und FC-Volunteers. Im Prozess hatte er zunächst behauptet, den Böller auf der Toilette gefunden zu haben, und dann seine Aussage revidiert: Er sei ihm „zugesteckt“ worden.

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Das Gericht geht jedoch davon aus, dass er oder eine seiner Begleiterinnen den Böller ins Rheinenergiestadion schmuggelte. Für die Annahme, dass er selber ihn mitbrachte, spreche, dass bei der Durchsuchung seiner Ein-Zimmer-Wohnung in Neuehrenfeld Pyrotechnik gefunden wurde, sagte der Kammervorsitzende Benjamin Roellenbleck. Videoaufnahmen zeigen, dass Marcel S. sich bei der Detonation schützend abwandte; daraus schließt das Gericht, dass ihm die Verletzungsgefahr bewusst war.

Viele Opfer tragen bleibende Schäden davon

Ein Sachverständiger des Bundeskriminalamts hatte im Prozess deutlich gemacht, wie gefährlich ein „Gorilla Bomb“ ist, der als Hauptladung einen Blitzknallsatz mit Metallen enthält: Der Böller werde dazu benutzt, Geldautomaten aufzusprengen, und könne Körperteile zerfetzen. Vom Knall im voll besetzten Stadion hat die Hälfte der Opfer, von denen manche im Zeugenstand sagten, sie hätten an einen Terroranschlag geglaubt, bleibende Schäden davongetragen, vom dauerhaften Tinnitus bis zur Schwerhörigkeit.

Bei der Tat sei Marcel S. nur leicht alkoholisiert gewesen, sagte der Vorsitzende. Dessen Behauptung, er habe kurz vor der Tat ein Gramm Kokain geschnupft, sei unglaubhaft und diene offensichtlich dazu, sich als vermindert schuldfähig darzustellen. Im Prozess habe der Angeklagte spät angefangen, sich bei den Opfern zu entschuldigen, und dies nur einsilbig und halbherzig getan. „Ich habe nicht den Eindruck, dass es Ihnen leid tut“, sagte Roellenbleck. Die Emotionen, die Marcel S. während der Verhandlung gezeigt habe, seien „selbstbezogen“ gewesen.

Strafe hätte auch höher ausfallen können

So hatte er gesagt, der überraschend wuchtige Knall habe ihn so mitgenommen, dass er nicht mehr unbeschwert Silvester feiern könne, und über die Forderungen nach Schmerzensgeld und Schadenersatz geklagt. „Man hätte auch vier Jahre geben können oder mehr“, sagte Roellenbleck, „aber wir wollten die Kirche im Dorf lassen.“ Mit dem Strafmaß entspricht das Gericht dem Antrag von Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn.

Bestritten hat Marcel S., auf dem Bahnhofsvorplatz den Hitlergruß gezeigt zu haben. Doch die Strafkammer verlässt sich auf die Beobachtung von zwei Polizisten, die an dem Tag eingesetzt waren, als der als rechtsextrem geltende „Begleitschutz Köln“ eine Kundgebung abhielt und sich linken Gegendemonstranten gegenübersah.

Die Tat in Ehrenfeld, bei der er erheblich alkoholisiert war, hat Marcel S. dagegen zugegeben. Seinen Schlag erklärte er mit einer Art Notwehrsituation. Dem schenkten die Richter keinen Glauben.  

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