Homosexuelle in KölnBundespräsident ehrt Gründer des Centrums Schwule Geschichte

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Martin Sölle

Martin Sölle

Köln – „Es ist viel erreicht, aber man sollte sich nicht darauf ausruhen“, sagt Martin Sölle dazu, dass sich in den zurückliegenden Jahrzehnten die Lebensbedingungen homosexueller Menschen in Deutschland Schritt für Schritt verbessert haben. Von der kompletten Abschaffung des berüchtigten Paragrafen 175 bis zur Öffnung der Ehe für alle. Als Vorstandsmitglied des Centrums Schwule Geschichte, das er 1984 mitgegründet hat, begleitet er nicht nur die Entwicklung der Emanzipation, sondern er sorgt dafür, dass die lange Zeit der Unterdrückung und Verfolgung nicht in Vergessenheit gerät.

Dafür und auch für sein sonstiges Engagement wird der Kölner Buchhändler am heutigen Dienstag, dem Tag des Ehrenamtes, in Berlin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Unter dem Motto „Zukunft braucht Erinnerung“ würdigt Steinmeier auch 13 weitere Männer und 14 Frauen dafür, dass sie sich auf herausragende Weise um die Gedenk- und Erinnerungskultur in Deutschland verdient gemacht haben.

Schon früh engagiert

Martin Sölle, Jahrgang 1956, hat sich schon als Jugendlicher engagiert, ob bei Amnesty International oder in Schülerbasisgruppen. Stark geprägt hat ihn das politische Klima in seiner Familie. Seine Mutter, die protestantische Theologin Dorothee Sölle, gehörte zu den Initiatoren des Politischen Nachtgebets, einer revolutionären Gottesdienstform, die von 1968 bis 1972 die Antoniterkirche an der Schildergasse füllte. Bei einer dieser Veranstaltungen, die heftig umstritten waren, trug der Sohn selber einen Text vor.

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Nach dem Abitur studierte er Jura, bis er 1984 ein Buchhändlerlehre begann. Er arbeitete in der „Bücherstube am Dom“, bis er 1990 in den „Anderen Buchladen“ einstieg; der war gegründet worden, um Menschen mit Informationen jenseits der Massenmedien zu versorgen. Sölle übernahm die Ehrenfelder Filiale. Das Geschäft in der Wahlenstraße firmiert seit 2013 als „Buchsalon Ehrenfeld“ und wurde kürzlich mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet.

Das Centrum Schwule Geschichte sieht sich als „Gedächtnis und Archiv der Schwulenbewegung in Köln und im Rheinland“ , ermöglicht wissenschaftliche Forschung und leistet Aufklärungsarbeit. Hervorgegangen ist es aus einem Arbeitskreis, der mit Ausstellungen und Büchern seine Forschungsarbeit an die Öffentlichkeit trug, und dem Rheinischen Schwulenarchiv, einer Sammlung von Büchern, Zeitschriften, Videos und Objekten.

Zum einen sei es darum gegangen, die Erfahrungen älterer Schwuler aufzubewahren und weiterzugeben, sagt Sölle; dazu wurden zahlreiche Interviews geführt und transkribiert. Zum anderen sei die Absicht gewesen, einen Ausgleich dafür zu schaffen, „dass das Thema in der Geschichtswissenschaft nicht vorkam“. Das habe sich stark geändert, heutzutage sei homosexuelles Leben Gegenstand etlicher wissenschaftlicher Arbeiten. Dass er den Verdienstorden bekommt, versteht Sölle, der auch Stadtführungen zur schwulen Geschichte organisiert, als “beispielhaft“; er nehme ihn „stellvertretend“ für alle Mitarbeiter des Centrums entgegen.

Ausgezeichnet wird der 62-Jährige auch, weil er sich seit Jahren im 1988 gegründeten Verein EL-DE-Haus engagiert, dem Förderverein des Kölner NS-Dokumentationszentrums, und dafür, dass er dem Gremium „27. Januar. Erinnern – eine Brücke in die Zukunft“ angehört, das die zentrale Gedenkveranstaltung der Stadt vorbereitet, die jährlich an den Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz erinnert.

„Wenn man zurückschaut, wird die Wachsamkeit erhöht“, sagt er. Das gelte auch für die Emanzipation der Homosexuellen. Zwar sei sie in Deutschland weit fortgeschritten, aber der Blick in viele andere Länder zeige, das dies alles andere als selbstverständlich sei. „In Osteuropa zum Beispiel werden Schwule zusammengeknüppelt.“

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