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VRS fordert solide Finanzierung des DeutschlandticketsIm Rheinland drohen Kürzungen im Nahverkehr

Lesezeit 4 Minuten
Köln: Eine Regionalbahn der Deutschen Bahn (DB) verlässt den Hauptbahnhof. 

Eine S-Bahn verlässt den Kölner Hauptbahnhof. Der VRS warnt vor Kürzungen im Nahverkehr, sollte das Deutschlandticket nicht solide finanziert werden.

Ohne eine verlässliche Finanzierung des Deutschlandtickets könnte es laut dem VRS schon 2025 zu Einschränkungen beim Angebot von Bussen und Bahnen kommen.

Rund 700.000 Menschen, die im Rheinland mit Bahn und Bus unterwegs sind, werden im Sommer 2024 ein Deutschlandticket in der Tasche haben. Als letzte große Gruppe nach den Schülerinnen und Schülern werden 129.000 Studierende ab Sommer es statt des Semestertickets nutzen. „Für unsere Stammkunden ist das Deutschlandticket sehr erfreulich“, sagte Michael Vogel, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg (VRS) am Dienstag bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2023. „Für uns ist es aber keineswegs auskömmlich und mit einem erheblichen Finanzrisiko verbunden.“ Schon 2025 könnte es zu Einschränkungen beim Angebot von Bussen und Bahnen kommen.

Das Deutschlandticket ist bei Kunden sehr beliebt, aber das Finanzloch wird immer größer. Woran liegt das?

Für die Jahre 2023 und 2024 haben Bund und Länder zugesichert, die Verluste der Verkehrsverbünde und der Verkehrsunternehmen auszugleichen, die durch das Deutschlandticket entstehen. Dafür stellen sie jeweils pro Jahr 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Der Zuschussbedarf allein für 2024 wird aber auf 4,1 bis 4,5 Milliarden Euro geschätzt. Er kann aller Wahrscheinlichkeit aber mit dem Geld ausgeglichen werden, das von 2023 noch übrig ist.

Warum ist denn noch Geld übrig?

Weil das Ticket nicht wie geplant am 1. Januar, sondern erst am 1. Mai 2023 an den Start ging. Nach langem Hin und Her hat sich der Bund bereiterklärt, dieses Geld nicht einzukassieren, sondern es auf 2024 zu übertragen.

Einnahmen des VRS sind eingebrochen

Dann ist für dieses Jahr doch alles geklärt, oder?

Ja. Aber für die Jahre danach gibt es bislang noch gar keine Finanzierung. Für 2024 hat der VRS beispielhaft errechnet, dass ein Finanzloch von 275 Millionen Euro entstünde, sollten Bund und Länder den bisher gezahlten Zuschuss von jeweils 1,5 Milliarden Euro nicht mehr leisten. 2025 dürfte das Loch mindestens genauso groß ausfallen. Dabei sind die Kosten für einen Ausbau des Nahverkehrs noch nicht einkalkuliert.

Wie haben sich die Einnahmen des VRS denn entwickelt?

Sie sind eingebrochen. Von knapp 688 Millionen Euro im bisherigen Rekordjahr 2019, dem letzten vor Corona, sanken sie auf knapp 485 Millionen Euro 2022. Im Jahr 2023 sind sie zwar wieder um 19 Prozent auf 577 Millionen gestiegen. Das ist aber allein auf das 9-Euro-Ticket zurückzuführen, das drei Monate zur Verfügung stand.

Warum sollten Bund und Länder ihrer Finanzierungszusage nicht auf Dauer nachkommen?

Weil nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 die Bundesregierung rund 60 Milliarden Euro, die für Corona nicht gebraucht wurden, nicht umwidmen darf und die seither in der Kasse fehlen. Außerdem, so Vogel, könne eine dauerhafte Subventionierung des ÖPNV nach dem bisherigen Modell aus beihilferechtlichen Gründen von der EU-Kommission kritisch gesehen werden. „Was in den Jahren nach 2025 passiert, ist derzeit völlig unklar. Nicht nur wir, sondern die gesamte Branche benötigt dringend Planungssicherheit.“

Was heißt das für die Nutzer der Deutschlandtickets?

Sie können nicht davon ausgehen, dass der Preis von 49 Euro auf mittlere Sicht stabil bleibt, sondern müssen schon im kommenden Jahr mit einer Preiserhöhung rechnen. Der VRS geht davon aus, dass ab 2025 das Ticket im Abo 69 Euro kosten müsste, damit es für die Verkehrsunternehmen kostendeckend ist. Das aber auch nur, wenn der jährliche Zuschuss von Bund und Ländern erhalten bleibt.

Ticket ist Thema auf der Verkehrsministerkonferenz

Lässt sich die Finanzsituation nicht durch zusätzliche Kunden verbessern?

Theoretisch schon. Ihr Anteil liegt bisher zwischen drei und fünf Prozent. Die übergroße Mehrzahl der Deutschlandticket-Nutzer hatte zuvor andere Dauerkarten, die wesentlich teurer waren. Das hat dazu geführt, dass die Einnahmen so stark zurückgegangen sind. Der VRS hat eine Modellrechnung aufgestellt: Demnach müssten 400.000 neue Kunden gewonnen werden, die bisher den öffentlichen Nahverkehr nicht genutzt haben, um das rechnerische Einnahmenniveau von 2023 zu erreichen.

„Rechnerisches Einnahmenniveau“? Was soll das denn sein?

Hypothetisch hätten die Verkehrsunternehmen im VRS rund 757 Millionen Euro im Jahr 2023 einnehmen müssen. „Doch seit dem erheblichen Einbruch der Fahrgastzahlen in der Corona-Zeit ist nichts mehr, wie es einmal gewesen ist. Es ging aus der Pandemie in eine Energiekrise und dann mit dem Deutschlandticket in die Tarifrevolution“, so Vogel. „Den daraus entstandenen Herausforderungen haben wir uns gerne gestellt und tun dies auch weiterhin. Doch es muss den politischen Entscheidern klar sein, dass Busse und Bahnen seltener fahren werden, wenn Bund und Land ihrer Verantwortung nicht nachkommen. Die Kommunen als Aufgabenträger des öffentlichen Nahverkehrs können das durch das Deutschlandticket entstehende Delta keinesfalls auffangen.“

Wie geht es jetzt weiter?

Das Thema steht auf der Agenda der Verkehrsministerkonferenz von Bund und Ländern, die am heutigen Mittwoch unter dem Vorsitz von NRW in Münster beginnt. „Ein Erfolg des Deutschlandtickets wird letztendlich auch Kosten mit sich ziehen, und da muss man sich jeweils dazu bekennen. Ich glaube nicht, dass das Entscheidende sein kann, ob der Bund sagt, er gibt 1,5 Milliarden, 1,6 Milliarden oder 1,7 Milliarden, sondern dass es ein klares Bekenntnis gibt“, sagt Claus Ruhe Madsen, Verkehrsminister von Schleswig-Holstein. „Es kann sein, dass es zukünftig eine stärkere Belastung auch der Fahrgäste gibt und der Preis steigt.“