Interview zu 50 Jahren Bläck Fööss„Wir haben das ja gar nicht ernst genommen“

Lesezeit 9 Minuten
Fööss Header

Nur ein Mikro für drei Sänger: Auftritt  1973 bei einer Pfarrsitzung mit Hartmut und  Bömmel im Hintergrund,  vorne Peter, Tommy und Erry (v.l.)

  • 50 Jahre Bläck Fööss – mit einer Serie feiert der „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Geburtstag der „Mutter aller kölschen Bands“.
  • Wir liefern Geschichten, Hintergründe und Auswirkungen einer einmaligen Erfolgsgeschichte.
  • Zum Auftakt haben wir mit Günter Antonius „Bömmel“ Lückerath und Ernst Josef „Erry“ Stoklosa gesprochen, den letzten noch aktiven Musikern der Urformation.

Können Sie sich erinnern, wann Sie den ersten Auftritt mit den Bläck Fööss hatten?

Erry: Der ein sät su, der andere esu. Jeder Karnevalspräsident, der uns zum Jubiläum gratuliert, sagt: Bei mir hattet ihr doch euren ersten Auftritt. Ich sag’ dann immer ja, weil es keinen Sinn macht, darüber zu diskutieren. Ich bin mir nicht sicher, aber einer der ersten war in Porz bei den Holzfällern, das war so ein Kegelverein, die haben im Jägerhof, gegenüber von der Firma Dielektra, ihre erste Sitzung gemacht. Da sind wir noch zu dritt aufgetreten, der Tommy Engel, der Peter Schütten und ich.

Bömmel: In der Session 1971 ward ihr zu dritt auf der Bühne. Hartmut Priess, Joko Jänisch und ich sind erst später dazugekommen. Wir haben dann anfangs in der zweiten Reihe gestanden.

Erry: Wir haben uns Mitte August 1970 gegründet, durch die Hereinnahme von Tommy Engel als Schlagzeuger bei den Stowaways. Und im Oktober stand dann die Schallplattenaufnahme vom „Rievkooche-Walzer“ an – mit der Unterstützung von Graham Bonney in den EMI-Studios. Als wir gesungen haben, gab es den Namen Bläck Fööss noch gar nicht. Den haben wir dann im Suff in unserer Stammkneipe „Ringschänke“ – unter der war im Keller der Proberaum der Stowaways – erfunden. Meine Version. Auch da erzählt jeder, der dabei war, etwas anderes. Wir haben das ja gar nicht ernst genommen, für uns war das ein Spaß. Die Idee, kölsch zu singen, hatte der Graham. Der fand das super, wie die Kölner im Karneval abgingen. Aufgetreten sind wir dann ab Januar 1971.

Fööss1

Die Stowaways: Peter Schütten, Harry Braschoß, Fred Hoock, Rolf Quadt, Erry Stoklosa und Hartmut Priess (v.l.)

Den Plattenvertrag gab es also, weil man Sie als Stowaways kannte?

Erry: Ja, auch. Aber vor allem, weil der Graham als Schlagerkünstler einen Vertrag bei der EMI Electrola am Maarweg hatte. Und die Stowaways waren mit ihm auf Deutschlandtournee gewesen. Da war aber selbst ich noch nicht dabei. Ich war noch bei der Bundeswehr, als der Hartmut mich gefragt hat, ob ich nicht Zeit hätte. Ich war in Waldbröl stationiert und hatte ein Auto, also ging das.

Die Stowaways hatten dann zwei Sänger.

Erry: Genau, mit mir und Peter Schütten. Das war eine gewisse „Waffe“ im Vergleich zu den anderen Bands, weil wir stark im Gesang waren. Peter und ich haben immer im Doubletime zusammen gesungen.

Bömmel: Deswegen habt ihr auch bei einem Beatfestival den Wettbewerb gewonnen. Wir sind mit den Rolling Beats nur zweiter geworden. Wir waren jünger, frischer, doofer.

Fööss2

Die Rolling Beats mit Bömmel Lückerath (l.)

Erry (lacht): Wir durften dann nach Tunis, Kölns Partnerstadt, und ihr musstet in ’nem Puff in Hamburg spielen.

Bömmel: Ne, das war Berlin und auch kein Puff. Hamburg war später, da hießen wir schon That’s New und haben im Star Club gespielt. Alles sehr schwierig auseinanderzuhalten.

Erry: Wen das im Detail interessiert, der kann das wunderbar in dem Buch „Als die Fööss das Laufen lernten“ von Walter K. Schulz nachlesen. Zurück zur ersten Platte…

Erry: Die hat der Graham finanziert. Das kostete ja Geld. Ein komplettes Orchester hat die Musik eingespielt, wir durften nur singen. Das hat auch nichts verkauft, das waren 2000 Singles damals. Wie gesagt, wir haben das nicht ernst genommen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Aber wer im Karneval spielen will, muss erstmal an der Literaten-Mafia vorbei.

Erry: Ja klar. Die haben alle, die auftreten wollten, in der „Laila“, einer Kneipe um die Ecke vom alten Pressehaus, antanzen lassen. Das weiß ich noch genau: Peter, Tommy und ich sind da hin, der Tommy mit ’nem Teppich unterm Arm, weil wir ja wirklich barfuß aufgetreten sind. Teppich ausgebreitet und den „Rievkooche-Walzer“ gesungen, die Rückseite der Single, „Silberhuhzick“, dann die „Kayjass Nummer Null“ und „Heimweh noh Kölle“ – mehr hatten wir nicht. Da haben wir den ersten Vertrag bei einer großen Gesellschaft bekommen: Ehrengarde-Literat Egon Bauerett stand auf uns. Der Vertrag hängt derzeit im Stadtmuseum in der Ausstellung. Damals hat der Hartmut das Management für uns gemacht und wir hatten etwa 70 Auftritte in der ersten Session – drei Mann mit vier Songs, op bläcke Fööss. Das mit dem Barfußspielen haben wir dann aus Gesundheitsgründen aufgegeben, aber selbst auf der ersten Langspielplatte, die 1975 erschien, sind wir noch zu dritt auf dem Cover. 

1971 haben Sie parallel auch noch als Stowaways gespielt.

Erry: Aber natürlich, fünf Jahre lang noch. Mit denen haben wir auch auf Karnevalsbällen gespielt, während der tollen Tage des Straßenkarnevals. Das waren nicht immer schöne Jobs, wenn du etwa in der Börse unter der Treppe vor den Klos gespielt hast. Dass es bereits vor dem Straßenkarneval Hunderte Sitzungen etwa im Gürzenich oder Sartory gibt, wusste ich vor der Bläck-Fööss-Zeit gar nicht. Da geht’s mir, glaube ich, wie vielen anderen Kölnern. Und der Erfolg kam erst nach und nach. Die großen Gesellschaften wollten uns anfangs eher nicht. Wir waren denen zu unbequem, mit Parka, langen Haaren und 68er-Hintergrund waren wir im wahrsten Sinne des Wortes ein rotes Tuch für die. Aber der Druck von unten, vom Volk, war zu groß.

Fööss3

Op bläcke Fööss: Peter, Tommy und Erry 1971

Irgendwann ist die Waage gekippt?

Erry: Genau, die Fööss wurden immer beliebter. Es gab beispielsweise den Paprikaball von Kurt Ludes in der Wolkenburg. Da haben wir als Stowaways Halligalli zum Tanzen gespielt, und dann in der Mitte einen Cut gemacht und einen Set Bläck Fööss eingelegt. In jedem Jahr kam ein Hit dazu, „Drink doch eine met“, „Veedel“, „Mer losse d’r Dom in Kölle“, „Spanienleed“... Als 1975 unser erstes Album erschien, war das schon ein „Best of“ der ersten fünf Jahre.

Da war die EMI aber schon nicht mehr dabei.

Erry: Stimmt. Nach den 70 Auftritten haben wir überlegt, das weiter zu machen. Und wer sich im Karneval auskennt, der weiß, dass man für jede neue Session auch einen neuen Song braucht. Es gab damals beim WDR so ein Kinderlied von den Stowaways, noch von vor meiner Zeit, „Mach doch bei uns mit“, auf Hochdeutsch. Da ging es um Mobbing auf dem Schulhof. Ich glaube, Hartmut und Hans Knipp hatten dann die geniale Idee, daraus „Drink doch eine met“ zu machen. Wir haben das Thema vom Schulhof in die Kneipe verlegt.

Bömmel: Ein sehr sozialkritischer Text, sowas hat der Hans mit reingebracht, etwa auch bei seinem Lied „Mer schenke der Ahl e paar Blömcher“ .

Erry: Wir haben dann ein Demo aufgenommen, das bei der EMI gar nicht angekommen ist. Was das denn mit Karneval zu tun habe? Abgelehnt! Wollten sie nicht. Da haben wir Heinz Gietz kontaktiert bei der BASF, die hatten zu der Zeit ein eigenes Label, bei dem wir dann fast fünf Jahre waren. Erst nach dem zweiten Album sind wir wieder zur EMI zurück und dort bis zum Ausstieg von Tommy im Jahr 1994 geblieben. Seitdem sind wir bei Pavement.

Heute spielen die Bands über das ganze Jahr.

Erry: Das war früher noch nicht so. Viele der jungen Kollegen von Kasalla bis Planschemalöör sagen, wir hätten den Weg geebnet. Wenn du so willst, haben wir eine ganze Karnevalsindustrie ins Leben gerufen. Damals hatten die ja noch Musikboxen in den Kneipen stehen.

Bömmel: In der Schumann-Klause in Bonn, das war so ein linker Laden eines Kumpels, da liefen „Drink doch eine met“ und „Lück wie ich un du“ rauf und runter, ganzjährig.

Erry: Dass die Wirte selbst Musik auflegten, kam erst nach und nach. Ich habe der Annemie, der Wirtin vom „Eselchen“, immer eine Kassette zusammengestellt mit den sogenannten Sessionshits. Da war natürlich jedes dritte Lied von uns (grinst). Ich glaube, der Kneipenkarneval ist auch dadurch entstanden, dass die Musik da auf einmal ständig lief. Man erzählt sich, dass Ende der 70er Jahre unter dem Weihnachtsbaum fast jeder kölschen Familie unser neues Album lag. Und wenn die Weihnachtslieder und Heino durch waren, ab elf Uhr nach dem dritten Korn, kamen die Fööss dran. Das war uns damals allerdings so nicht klar.

Spielten die Stowaways denn ganzjährig?

Erry: Das war ja ’ne Coverband. Das waren keine Konzerte, sondern Auftritte mit drei oder vier Sets à 45 Minuten am Abend. Wir spielten alles, was in den Charts war, Hollies, Searchers, Stones, alles. Der Hartmut sagte immer: Wir sind lebendige Musikboxen. Rainer Piesch hatte ein Abo und bekam immer die Neueinsteiger in den Charts als Singles nach Hause geschickt, und die wurden versucht, bis zum Wochenende umzusetzen. Oder wir sind mit dem Moped nach Holland gefahren. Die waren uns dank der Piratensender Radio Caroline und Radio Veronica, die von Schiffen aus sendeten, immer zwei bis drei Monate voraus. Ich habe etwa „You got the trouble“ von den Fortunes mitgebracht. Das Lied spielten wir zur Verwunderung der Leute schon vier Monate, bevor das hier überhaupt rauskam. Im deutschen Radio wurde sowas kaum gespielt. Höchstens als Cover: „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“. (lacht) Die Originale gab’s hier nie zu hören. Immer öfter haben wir einen Bläck Fööss-Set eingebaut und nach und nach ist das gekippt. Die Leute wollten immer mehr Fööss hören. Zu der Zeit habe ich dann ja auch meinen Job gekündigt.

Bömmel: Das Begleiten anderer Künstler wurde langsam weniger. Wir waren mit Stars wie Adam & Eve, Jürgen Drews, Howard Carpendale oder Peter Maffay auf Tour gewesen.

Erry: Und wir waren die Hausband von Christian Bruhn in den Fernsehsendungen von „Bettys Beatbox“. Da ist auch der Titelsong für die Zeichentrickfilm-Serie „Wicky“ entstanden. Und das Radio hat sich geändert. WDR 2 war ein reiner Informations- und Nachrichtensender. Aber dann kamen Leute wie Carmen Thomas, die ihre Textbeiträge mit Musik anreicherte. Da wurde dann zu einem Medizin-Beitrag unser „Dr. Pillemann“ gespielt. Ich fuhr fürs E-Werk Strom ablesen, und hörte unsere Songs im Radio. Täglich. Heute unvorstellbar.

Bömmel: Das war auch im Zug der Neuen Deutschen Welle Anfang der Achtziger. Da hatten wir bundesweit Erfolg mit Schlagern wie „Kathrin“, „Bye, bye my Love“, „Männer“ oder „Frankreich, Frankreich“. Erry: Ich habe Statistik geführt, wir hatten alleine mit „Frankreich“ 15 große Fernsehauftritte etwa bei „Dalli, Dalli“. Da ist sowas wie WWF-Club noch nicht mitgerechnet.

Im „Blauen Bock“ waren Sie aber nicht?

Erry: Ne, da haben wir uns so schwer mit getan. Maria Hellwig wollte uns unbedingt haben mit „Meiers Kättche“. Da haben wir lange drüber diskutiert.

Bömmel: Und sind hingefahren. Das war aber die Zeit, wo wir uns sowas aussuchen konnten.

Erry: Es war ja Teil unserer Philosophie, nicht alles anzunehmen, um populär und bekannt zu werden. Wir sind lieber zu „Monitor“ mit Klaus Bednarz gegangen…

Bömmel: … oder zu „Bios Bahnhof“ oder zu Hape Kerkeling. Wir hatten schon tolle Auftritte.

Erry: Was haben wir uns mit den Machern von „Dalli, Dalli“ gekloppt, weil die nicht wollten, dass wir live spielen. Denen war das Risiko zu groß. Das war ein Kampf, dass wir zumindest live über das Playback spielen konnten. Bei Bio oder Jürgen von der Lippe war es immer live, und das war ja auch unsere Stärke. 

KStA abonnieren