Elf Freundinnen müsst ihr seinFrauentruppe aus Köln-Weiß zeigt, worin der Zauber des Karnevals liegt

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Eine Gruppe Frauen in Kostümen prostet sich zu.

Vorglühen mit selbst Aufgesetztem im heimischen Wohnzimmer: Die Mädelstruppe aus Weiß feiert Weiberfastnacht.

Die elf Freundinnen aus drei Generationen feiern seit Jahren Weiberfastnacht im Severinsviertel.

Wer als Imi wissen will, wie Karnevalfeiern geht und ganz viel über Köln und seinen Zauber lernen will, der muss an Weiberfastnacht bei Elke Wergen und Ute Schulz (61) in Weiß vorbeischauen. Hier im Pflasterhofweg kehren schon seit Jahren an Weiberfastnacht elf Freundinnen ein, um den Tag mit dem klassischen Karnevalsfrühstück zu beginnen.

Hier weiß man: Karneval feiert sich am besten in der Gruppe – idealerweise generationsübergreifend: Mutter Elli (82) sitzt mit am Frühstückstisch. „Sie ist unser Sahnehäubchen“, sagen ihre Zwillingstöchter Elke und Ute liebevoll. Neben einigen Freundinnen in ihre Alter sind mit Jenny (37), Melly (37) und Sabina (38) auch Freundinnen der nächsten Generation mit am Start.

Karneval in Köln: Unterwegs mit der Frauentruppe aus Weiß

Ein Flirren, eine kindliche Vorfreude liegt in der Luft und für den frühen Morgen unverschämt gute Laune: „Wir Frauen, wir sind einfach sofort gut drauf. Das ist unser Vorteil gegenüber den Männern. Die brauchen dafür immer einen bestimmten Pegel“, sagt Elke. Das ist übrigens auch der Grund, warum die Truppe Fan von Mädchensitzungen sind. „Da ist auch von Minute eins an gute Stimmung.“

Im Fernsehen überträgt der WDR die Bühnenveranstaltung auf dem Alter Markt. Gerade singen die Höhner „De schönste Stroß“ auf der Bühne auf dem Heumarkt. Mitten in die Frühstücksunterhaltung über die Wirksamkeit von Low Carb Diäten, neuen Rezepte und Kostümideen, verkündet Nicole: „Das Lied soll auf jeden Fall auf meiner Beerdigung gespielt werden. Dann ist das schon mal geklärt.“ Wer als Karnevalist den Moment intensiv feiert, hat eben ein besonderes Verhältnis zu der Begrenztheit von Zeit - und nicht selten ein entspanntes Verhältnis zur eigenen Endlichkeit.

Bei dem Wetter gehören die Haare einbetoniert.
Frisörmeisterin Angelika macht den Damen die jecken Haare.

Lernen lässt sich hier außerdem: Karneval lebt von der Spontaneität, aber er will in jedem Fall auch gut geplant sein. In Weiß verschwindet nach dem Frühstück eine Dame nach der anderen in der Küche. Hier toupiert und sprayt Angelika, die gelernte Frisörmeisterin der Truppe, was das Zeug hält. Sie sorgt dafür, dass den Frauen die Haare ordentlich zu Berge stehen. „Bei dem Wetter gehören die Haare einbetoniert“, meint sie lachend.

Danach übernimmt Jule im Wohnzimmer das Schminken für alle. Jeder Handgriff sitzt. Währenddessen sammelt Ute von allen Feiernden 25 Euro ein. „So können wir dann in den Kneipen gezielt und bedarfsorientiert Getränke für alle kaufen“, erklärt sie. Das ist ein bewährtes Konzept für kontrolliertes Trinken. Das A und O eines gelungenen Karnevalseinstiegs.

„Sonst kaufen ja elf Frauen je elf Bons, damit jede eine Runde geben kann. Und dann kommt ein Bier nach dem anderen, bloß damit jeder mal dran ist. Dann trinkt man entweder mehr als man will, oder lässt am Ende Bier zurückgehen. Mit der zentralen Kasse läuft der Tag besser“, erläutert Elke.

Sessionsgetränk: In Köln trinkt man Himbeeren, Limette und Wodka

Außerdem ist Jenny dieses Jahr die Beauftragte für den Aufgesetzten für unterwegs: Gereicht werden als Sessionsgetränk eine Kombi aus gefrorenen Himbeeren, Limette und Wodka. „Das schmeckt mega lecker. Der Trick ist, das zur Hälfte mit Fanta aufzufüllen“, verrät sie. Alles im Sinne des kontrollierten Trinkens.

Kostümierte Frauen sitzen am gedeckten Frühstückstisch.

Erst mal eine gute Grundlage: Gemütliches Frühstück im Wohnzimmer in Weiß.

Draußen regnet es Bindfäden. Aber der Narr ist dynamisch, er passt sich ohne viel Tamtam den Bedingungen an. Gejammert wird hier nicht. Jecksein ist nichts für Weicheier. „Karneval ist ja nicht zwingend eine Schön-Wetter-Angelegenheit. Da ist hier bei uns jeder drauf eingestellt“, sagt Angelika und zieht sich das Regencape über die gehäkelte Karnevalsmütze, an der ein kleiner Nubbel baumelt. Rote Gummistiefel sind das Schuhwerk der Wahl.

An der Bushaltestelle im Regen und in der Bahn Richtung Severinstraße zeigen die Damen dann, wie man Stimmung macht: Es ist voll, nass und ziemlich stickig. Aber sobald die Truppe den Bus entert, steigt die Stimmung. „Hey, du sieht ja aus wie Jesus“, ruft Angelika einem Hünen mit Langhaarperücke zu. „Dreh doch mal was am Wetter.“ – „Erst morgen“, ruft der lapidar zurück und reicht in kleinen Schnappsgläschen Wackelpudding mit Wodka.

Frauentruppe aus Köln-Weiß: Mit der Bahn zum Karneval in der Südstadt

Und als nach dem Umsteigen die Bahn in Richtung Severinstraße über eine geschlagene Viertelstunde im Tunnel stecken bleibt, sorgt die Damen-Truppe dafür, dass die Stimmung ausgelassen bleibt. „Alle Jläser huh“, stimmt Jenny an. Eine Gruppe jugendlicher Mädchen mit Kopftuch schaut schüchtern bis belustigt auf die Damentruppe, die sofort integrativ tätig wird: „Was kennt ihr denn so für Lieder?“, fragt Ute, um das Musikprogramm der Jugend anzupassen oder bei Bedarf kurz den Refrain zu vermitteln angepasst.

Am Ende singen sie alle zusammen, der ganze Waggon. „Mit jungen Leuten feiern wir gerne. Aber was uns einfach stört ist, dass so viele Jugendliche teilweise schon am Vormittag sternhagelvoll sind. Das verdirbt den Kern des Karnevals. Die sollten doch besser mal Lieder und Texte lernen, statt nur zu trinken“, gibt Ute als karnevalistischen Erziehungsauftrag aus.

Zwei Frauen tragen Biergläser in einer Cola-Kiste.

Immer schön praktisch denken: So lassen sich auch elf Biergläser bequem transportieren.

Angekommen auf der Severinstraße, zeigt sich, was Karneval in jedem Fall auch ist: Tradition. Nicht nur, dass Jan van Werth und seine Griet hier jedes Jahr vorbeikommen und von der Truppe begeistert gefeiert werden. Die Mädelsgruppe platziert sich jedes Jahr an derselben Stelle gegenüber der Kirche. „Da treffen wir dann immer die Uschi“, erzählt Elke.

Die Uschi ist eine Transfrau. Der haben sie vor Jahren mal geholfen, als ein Türsteher Uschi nicht reinlassen wollte. Der bekam es mit der Mädelstruppe zu tun, die dem Herrn am Eingang mal ordentlich Bescheid sagten, bis der Uschi kleinlaut durchließ. Seither trifft man sich hier jedes Jahr – in alter Verbundenheit. Außerdem hoffen sie darauf, im Brauhaus Schmitze Land wieder die drei schwulen Kapitäne wiederzutreffen. „Das waren echte Sahneschnittchen. Einfach unglaublich nett.“

Eine kostümierte Frauengruppe schreit Alaaf.

Die Mädelstruppe aus Weiß jubelt Jan van Werth zu.

Einfach nur hier stehen, schunkelnd die vielen Menschen beobachten und die Kreativität der Kostüme bewundern - auch das ist für sie Karneval. Da genießen sie es, auch gerne mal, dem ein oder anderen Mann hinterher zu pfeifen. Als ein paar Jungs als Cheerleader verkleidet mit wohl geformten Beinen nackten vorbeikommen, gibt es großes Gejohle.

Frauentruppe wünscht sich Sitzungspräsidentin im Karneval

Warum nicht zur Abwechselung auch mal B-Noten für Männer verteilen? Das mache einfach Spaß, sind sie sich einig. Wo sie es doch sonst im Karneval ziemlich mit der Tradition halten: ein weibliches Dreigestirn, das bräuchten sie nicht, meinen die elf Damen aus Weiß. Zumal ja alle anderen Städte nur Prinz und Prinzessin haben. So ein Dreigestirn sei was richtig Besonderes. Und das sei in Köln eben männlich. Punkt. „Dann wünsche ich mir lieber noch ein paar mehr weibliche Sitzungspräsidenten. Das fänd‘ ich richtig gut“, meint Elke.

Irgendwann sind dann auch die wetterfestesten Karnevalistinnen durchgefroren. Nach dem Besuch in der Pizzeria zieht die Truppe traditionell ins Schmitze Lang zum Schunkeln, Tanzen und Singen. Erst als es schon längst dunkel ist, geht es allmählich wieder Richtung Rodenkirchen zurück. Dann dürfen in Weiß in der Kneipe für den letzten Absacker auch die Männer dazustoßen.

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