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„Willkommen im Zirkuszelt“Köln antwortet beim CSD mit Humor und Entschiedenheit auf Kanzler Merz

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Bunt und glitzernd: Eine der Devisen beim Kölner CSD.

Bunt und glitzernd: Eine der Devisen beim Kölner CSD.

Über eine Million nationale und internationale Gäste besuchen den Kölner CSD. Dennoch bleibt Raum für Zweisamkeit.

Einst war es für manchen Außenstehenden ein Karnevalsumzug der anderen Art. Für diejenigen jedoch, die daran teilnehmen, war und ist die Parade zum Christopher Street Day (CSD) etwas völlig anderes und weitaus mehr. Wie viel, zeigte sich am Sonntag, als 60.000 Teilnehmende von der Deutzer Brücke aus durch die Innenstadt zogen, vorbei an rund einer Million Besucher. Selbst starke und langanhaltende Regenschauer hielt die CSD-Gemeinde nicht davon ab, für Toleranz und Gleichberechtigung zu demonstrieren.

60.000 Menschen nahmen an der Demonstration teil.

60.000 Menschen nahmen an der Demonstration teil.

Dass Bundeskanzler Friedrich Merz das Anliegen vor wenigen Tagen in die Nähe einer Zirkusattraktion gerückt hat, sorgte vielerorts für Empörung – in die sich hier und da auch Humor mischte. So startete Versammlungsleiter Hans Douma die CSD-Parade mit den Worten: „Manege frei, der Zirkus kann beginnen.“ Auf einem Plakat an einer Kneipe auf der Schaafenstraße hieß es „Willkommen im Zirkuszelt“. In der Tat gab es eine Parallele zum Vergleich mit Roncalli und Co.: Überall waren strahlende Gesichter zu sehen. Unter dem Motto „Für Queerrechte. Viele. Gemeinsam Stark“ demonstrierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lächelnd für ihr ernstes Anliegen. Wenig Kleidung, viel Glitzer, pompöse Kostümierungen, laute Musik und bunte, riesige Fahnen: Alles, was Aufmerksamkeit schafft, ist auf der Demonstration vertreten.

In Köln wird die Regenbogenflagge von der OB selbst gehisst

Neben Oberbürgermeisterin Henriette Reker war auch viel Polit-Prominenz aus Köln und Berlin vertreten, darunter Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Staatsministerin Serap Güler (CDU), Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge und ihre Parteifreundin Ricarda Lang sowie Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Viele Unternehmen, Vereine und gesellschaftliche Gruppen nahmen an der Parade teil, darunter auch der 1. FC Köln mit Mannschaftskapitän Timo Hübers und Marina Hegering von den Damen.

Das Bild zeigt Karl Lauterbach bei der CSD-Demonstration.

Hoher Besuch: Der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) marschierte bei der Demonstration mit.

Der Kölner CSD ist eine der größten Veranstaltungen der lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen und queeren (englisch: LGBTQ) Gemeinschaft in Europa. In Köln waren 90 Festwagen und mehr als 200 Fußgruppen unterwegs.

„Die Stimmung ist dieses Mal eine andere“, sagte der Vorstand des Vereins Cologne Pride, Jens Pielhau, bei der Eröffnung. Die Freiheit und das Selbstverständnis, frei und friedlich zu demonstrieren, seien in Gefahr. Denn die LGBTQ-Community sieht sich verstärkten Anfeindungen ausgesetzt, queerfeindliche Straftaten haben bundesweit zugenommen. Die Polizei war mit starken Kräften im Einsatz, um den CSD zu schützen. Ein Sprecher der Polizei sagte am Sonntagnachmittag, der CSD sei „absolut friedlich und ruhig verlaufen“. Bis zum späten Nachmittag habe es keine einzige Straftat in Zusammenhang mit dem CSD gegeben.

Vor der Demonstration hatte bereits seit Freitagabend ein 60-stündiges Programm zwischen Heumarkt, Alter Markt und Gürzenich stattgefunden. „Wenn Hetze salonfähig wird und Toleranz und Sicherheit gefährdet sind, haben wir in Köln eine Antwort auf diese Entwicklung. Wir, die wir Vielfalt leben, lassen uns unter keinen Umständen zurückdrängen – von niemandem“, sagte Henriette Reker, als sie den dreitägigen CSD eröffnete. Demonstrativ hisste sie am Freitag vor dem Historischen Rathaus die Regenbogenflagge: „Das ist kein Verstoß gegen die Neutralität – es ist Verfassungstreue. Die Würde aller Menschen ist unantastbar. Und das zeigen wir.“

Das Bild zeigt Demonstrantinnen und Demonstranten am Sonntag des CSDs.

Trotz teils starker Regenfälle waren die Demonstrantinnen und Demonstranten in bester Laune.

Zu den Feiernden auf dem Straßenfest gehörte Freitagabend der 27-jährige Lukas aus Kalk. „Rechte queerer Menschen sind nicht nur gefährdet, sie existieren noch überhaupt nicht gleichwertig zu denen nicht-queerer Menschen. Der Schutz der sexuellen Identität gehört ins Grundgesetz“, sagte er. Das sei der Grund, wieso er den CSD besucht.

Eine deutlich längere Anreise und einen ganz anderen Grund für sein Kommen hatte Jamal. In kurzem Rock gekleidet war er aus Norwich angereist „um zu feiern. Es ist die beste Queer-Party der Welt.“ Drei Bühnen, laute Musik, unterhaltsam inszenierte Talkrunden – und viele Getränkestände: Der Christopher Street Day in Köln, ist auch ein Geschäft. Vom Plüsch-Penis bis zum Regenbogen-Cape – Kommerz war bunter Begleiter der politischen Botschaft.