Am 6. Dezember fand in den Räumen des Asta ein Solidaritätsmarkt für Palästina statt. Der Vorwurf des Antisemitismus steht im Raum.
Vorfall bei Palästina-MarktZwei Männer bedrängt – Kunsthochschule für Medien Köln widerspricht

Bei dem Weihnachtsmarkt am 6. Dezember in den Räumen des Asta wurden Bücher, Schmuck und andere Merch-Artikel verkauft: Gegenstände zeigen die Umrisse Israels mit palästinensischen Symbolen und Farben: Das wird als Leugnung des Existenzrechts Israels gedeutet.
Copyright: Andree S.
Bei einem „Solidaritätsweihnachtsmarkt“ in der Kunsthochschule für Medien Köln soll es am Samstag, 6. Dezember zu einem körperlichen Übergriff auf zwei Marktbesucher gekommen sein. Eine Frau habe ihn „unter Einsatz ihres Körpers gegen die Wand“ gedrückt. So erzählt es Andree S., der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sein Begleiter, Patrick M. (Name geändert), erstattete vergangenen Freitag bei der Staatsanwaltschaft Köln Anzeige. Es wird geprüft, ob ein Anfangsverdacht einer politischen Straft besteht, teilt Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer auf Anfrage mit.
Ausrichter des Marktes in den Räumen der KHM war die Gruppe Palästina-Solidarität-Köln zusammen mit dem Asta (Allgemeiner Studierendenausschuss). Andree S. hat Fotos von Verkaufsständen und den Räumen gemacht, sie liegen dieser Zeitung vor: Auf den Wänden sind Inschriften wie „Yallah Yallah Widerstand“ oder „Gaza will never die“ zu lesen.
Palästina-Merch-Artikel und Inschriften in den Räumen der Kunsthochschule für Medien (KHM) in Köln
An den Ständen wurden Palästina-Merchandise-Artikel, Schmuck und Anti-Kolonialismus-Bücher verkauft. Andree S., Mitglied der Gesellschaft für kritische Bildung Rheinland, die unter anderem über Antisemitismus aufklärt, habe schon auf Gegenveranstaltungen zu pro-palästinensischen-Protesten der Gruppe gesprochen. „Bei den Märschen von Palästina-Solidarität-Köln laufen auch extremistische Leute mit und skandieren Parolen wie ‚yalla yalla Intifida‘, was ein arabischer Aufruf zum Judenmord ist. Wir sind zu diesem Markt gegangen, weil die Gruppe auf ihrer Webseite dazu aufgerufen hat und die KHM eine staatlich finanzierte Hochschule ist“, so Andree S.
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Der palästinensische Schlüssel ist das Symbol für die während der Nakba 1948 verlorenen Häuser der Palästinenser.
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„Eine Frau hat mich erkannt und mich aufgefordert, die Veranstaltung zu verlassen. Weil ich ein ‚Zio‘ sei, sagte sie. Mir wurde die bedrohliche Situation klar, also fing ich an, präventiv zu filmen. Ich hatte Angst um mein körperliches Wohlergehen. Unmittelbar darauf wurde ich körperlich bedrängt.“ Auch Patrick M. schildert: „Als sich die Leute um ihn herum aufbauten, habe ich meine Handykamera gezückt, um das aufzunehmen, woraufhin ich auch beschimpft und umstellt wurde.“
Einer habe sich mit einer Maske vermummt. Das Video von Andree S. liegt dieser Zeitung vor. „Verpiss dich, raus du Zio, du bist nicht eingeladen“ ist zu hören. Eine Frau bittet ihn mehrfach, nicht zu filmen. Als der Securitymann ihn auffordert, die Veranstaltung zu verlassen, fragt Andree S.: „Haben Sie hier Hausrecht?“ Schließlich begleitet der Securitymann die beiden nach draußen. Andree S. sagt mehrfach in die Menge: „Ich fühle mich bedroht.“
„Mir war klar, dass wenn ich mich dort positiv auf die Existenz Israels beziehe und mich nicht als Teil dieser Meinungsgruppe identifiziere, es unangenehm werden könnte. Wir waren als stille Beobachter dort“, sagt Patrick M. dieser Zeitung. Für ihn steht fest: Gegenstände, die die Karte Israels in palästinensischen Farben zeigen und ein Großpalästina imaginieren, seien israelbezogener Antisemitismus. Legitime Kritik an Israel höre für ihn dort auf, wo dessen Existenzrecht geleugnet wird. „Kritik an der rechten Regierung ist legitim, an der Kriegsführung. Für diese Gruppe gilt aber nur der Superlativ: die Abschaffung des jüdischen Staates, der Waffenstillstand als Verlängerung eines Genozids“, so Patrick M.
Auf Anfrage weist die Organisation „Palästina-Solidarität-Köln“ die Vorwürfe zurück und widerspricht dem Bericht der Männer. In ihrer Stellungnahme heißt es: „Die Behauptung eines Angriffsvorfalls ist nachweislich falsch. Tatsächlich gab es zwei Personen mit auffälligem Verhalten, die kontinuierlich und trotz Aufforderung das Filmen der Anwesenden nicht unterließen und bewusst eine Störung herbeiführten.“ Patrick M. und Andree S. seien trotz mehrfacher Aufforderung der Sicherheitsmannes zunächst nicht gegangen und hätten durch das Aufnehmen provoziert.
Sicherheitsfirma deeskalierte die Situation an der KHM in Köln
Und zum Antisemitismus-Vorwurf heißt es: „Der Weihnachtsmarkt war ein Tag der überwältigenden Solidarität. In all unseren Veranstaltungen hat Antisemitismus oder jede andere Form von Diskriminierung keinen Platz.“ Sie beklagen stattdessen, „dass Veranstaltungen, die Solidarität mit Palästina zeigen, in den Sozialen Medien häufig unbegründet als antisemitisch dargestellt werden, um ihre Inhalte zu diskreditieren.“
Mit dem Vorfall beschäftigt sich längst auch die Hochschulleitung. Nachdem die Gruppe Kritische Bildung Rheinland die Vorwürfe in den Sozialen Medien publik gemacht hat, habe die KHM umgehend den Austausch mit dem Asta, dem Securitymann und weiteren bei den Markt anwesenden Studierenden gesucht, teilt sie auf Anfrage mit.
„Es kam laut Augenzeugen nicht zu Handgreiflichkeiten. Die betreffenden Räumlichkeiten stehen unter studentischer Selbstverwaltung. Bei Veranstaltungen in diesen Räumen gibt es keinerlei Raum für Antisemitismus oder irgendeine andere Form der Diskriminierung. Das steht im Einklang mit dem Selbstverständnis der KHM, das auch im Statement zum Nahostkonflikt zum Ausdruck kommt“, heißt es weiter.
Antisemitische Vorfälle an Hochschulen in NRW gestiegen
Der Antisemitismus-Beauftragte für die Hochschulen in NRW, Andreas Stahl, ist über den Anstieg antisemitischer Vorfälle an Hochschulen besorgt. „Es ist derzeit massiv. Wir werten die gemeldeten Fälle für 2025 noch aus, aber von 2023 auf 2024 gab es eine Steigerung um 216 Prozent.“ Stahl verweist auf den Bericht der Recherche- und Informationsstelle Nordrhein-Westfalen (Rias). Demnach wurden 2023 25 antisemitische Vorfälle im Hochschulkontext in NRW gemeldet, 2024 waren es 79. Zählt man Fälle im Umfeld von Hochschulen oder studentischen Internetgruppen dazu, ergibt sich eine Zahl von 96.
Stahls an der Uni Münster angedockte Projektstelle wurde 2024 eingerichtet und finanziert sich aus Landesmitteln. Er ist unabhängiger Ansprechpartner für alle Hochschulen in NRW. Im Juni 2024 habe es an der KHM einen weiteren Vorfall gegeben, sagt Stahl: An der Außenfassade der KHM fand man ein Graffiti mit der Aufschrift „From the River to the sea palestine will be free“. Auch an der Uni Köln gab es 2025 ein antisemitisches Graffito: In einem Toilettenraum fand sich ein Mordaufruf gegen Juden („Kill all Juice“, sic.).
Zudem trauten sich laut Stahl aktuell mehrere Studierende, die sich gegen Antisemitismus aussprechen, nicht mehr an die Musikhochschule. „Der Abend des 6. Dezembers markiert eine weitere Eskalationsstufe des an Hochschulen fortschreitenden Antisemitismus. Wir solidarisieren uns mit den beiden Opfern dieses Angriffs“, sagt Stahl.

