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10 Jahre am RheinDie Kranhäuser sind ein Wahrzeichen – und in Köln eher unbeliebt

Lesezeit 5 Minuten
Kranhäuser in Köln

Der Kontrast zwischen historischen Gebäuden, Lagerhallen und moderner Architektur macht den Reiz des Rheinauhafens aus.

Köln – „Die meisten kommen nur bis zum Schokoladenbrunnen“, sagt Stadtführerin Sabine Gonzalez. Danach seien die Besucher schon zufrieden mit ihrem Köln-Besuch. Dabei liegt eines der größten Highlights der Stadt nur ein paar Hundert Meter entfernt: die Kranhäuser. Vor zehn Jahren wurde das letzte, das Wohnhaus, fertiggestellt. Die einzigartigen Drillinge fehlen auf kaum einem Kameraschwenk über die Stadt und scheinen in dieser Hinsicht als Wahrzeichen mit dem Dom zumindest gleichgezogen zu haben. Doch die Kölner und auch die Touristen haben ein eher gespaltenes Verhältnis zu den 60 Meter hohen Türmen.

Das ist Gonzalez bei unzählige Führungen für Köln Tourismus über die Jahre immer wieder aufgefallen. „Hier macht es einfach zu wenig Puff und Paff“, umschreibt sie es lachend.

Kölner Kranhäuser: „Ävver levve wolle mir do nit“

Erst, wenn sie erzähle, dass Fußballstar Lukas Podolski hier ein Penthouse hat, dann würden die Leute neugierig. Dabei weiß auch sie nicht genau, ob Podolski die Immobilie tatsächlich noch besitzt. „Es hieß mal, ein Boxer wollte sie ihm abkaufen.“ Das Leben in den drei Türmen bleibt vor der Außenwelt weitgehend verschlossen. Unten im Wohn-Kranhaus mit den 133 Eigentumswohnungen wacht ein Concierge. Und die Büro-Kräne sind nur für Mitarbeiter und Besucher der ansässigen Anwaltskanzleien und Unternehmen zugänglich. Dabei wäre doch eine Aussichtsplattform durchaus eine Idee gewesen – zum Kennenlernen sozusagen.

Alles zum Thema Lukas Podolski

Sabine Gonzalez kennt die typischen Reaktionen ihrer Gäste. „Etwa 50 Prozent der Besucher – und darunter sind viele Kölner – mögen die Kranhäuser nicht.“ Der überwiegende Teil der anderen 50 Prozent sagt: „Janz interessant, ävver levve wolle mir do nit.“ Italiener und Spanier können mit der Architektur oft gar nichts anfangen. „Die hätten in einer Stadt wie Köln lieber etwas Historisierendes.“ Vom Siebengebirge seien dagegen alle begeistert. Dabei seien die Kranhäuser architektonisch sehr gelungen, findet sie selbst. Nach den Entwürfen des Hamburger Büros Bothe, Richter, Teherani war 2006 mit dem Bau des ersten Kranhauses begonnen worden. Die Türme, die an historische Schiffskräne erinnern sollen, waren als „aussagekräftiges Rückgrat für das neue Stadtviertel“ auf dem ausgedienten Hafenanlage gedacht.

Durch ihre besondere, dem Brückenbau nachempfundene Architektur sind sie Wind und auch kleineren Erdbeben besonders ausgesetzt. Zur Stabilisierung wurden unter anderem 64 Betonpfeiler bis in 16 Meter Tiefe gebohrt und eine 2,70 Meter dicke Spezialbetonplatte aufgesetzt. Und das Ganze auf der mit 1,5 Kilometern zweitlängsten Tiefgarage der Welt (die längste ist in New York). „Es kamen Architekten aus aller Welt her, um sich das anzuschauen“, erinnert sich Gonzalez.

Kranhaus in Köln gewinnt „Architektur-Oscar“

Schon früh entstanden Gerüchte, dass etwa das Wohnhaus seine Balkone nur auf den Druck der Investoren und potenziellen Käufer der Eigentumswohnungen bekam – und so der Dreiklang gestört wurde. Unklar ist auch, ob es stimmt, dass die Pfeiler, in denen ein zusätzliches Treppenhaus und Aufzug untergebracht sind, nur auf Druck der Feuerwehr gebaut werden mussten, um einen zusätzlichen Fluchtweg zu schaffen. Fast vergessen ist, dass das mittlere Kranhaus 2009 in Cannes den „Architektur-Oscar“, einen der höchsten Auszeichnungen der Branche, bekam. Traurige Ironie der Geschichte: Der damalige Oberbürgermeister Fritz Schramma und andere Stadtvertreter konnten nicht zur Preisverleihung fahren, weil das Stadtarchiv eingestürzt war.

Von Anfang war klar, dass die Kranhäuser für eine besser verdienende Klientel gedacht waren. Schon bald wurde über russische Investoren gemunkelt, die Flächen als Wertanlagen kaufen und dann leer stehen lassen würden. Diese Befürchtung hätten sich aber nicht bewahrheitet, sagt Gonzalez. Die Belegung der Büro-Kranhäuser etwa sei gut und recht stabil. Doch die Preise machten natürlich hellhörig. So soll der Quadratmeterpreis für ein Penthouse vor zehn Jahren bei 6000 Euro gelegen haben – heute sind es 15.000 Euro.

Fußgänger schauen Anwohnern in die Wohnungen

So exklusiv ist die Wohnanlage am Ende dann doch nicht, wie sich schnell herausstellte – zumindest, wenn man auf Fußgängerhöhe wohnt. Als der Rheinauhafen 2016 – übrigens ohne Skandale und Verzögerungen – endgültig fertiggestellt war, spazierten die Kölner neugierig über die Promenade und schauten den Anwohnern in die Fenster hinein. Wovon diese natürlich nicht begeistert waren, einige verbarrikadierten sich. Nicht ohne Schadenfreude, wenn nicht sogar Häme, wurde der Konflikt mit den Binnenschiffern verfolgt, die zum Schrecken der Anwohner ihre tuckernden, dieselbetriebenen Kähne direkt an den Kaimauern festmachten – was nach deutschem Binnenschifffahrtsgesetz auch ihr gutes Recht ist.

Die Infrastruktur im Rheinauhafen ist überschaubar. Es gibt keinen Supermarkt, aber einen Bäcker und Take-aways. Gerüchteweise können sich die Kranhausbewohner ihre Brötchen vom Concierge besorgen lassen. Gemischt ist die Erfolgsbilanz der Gastronomie im Rheinauhafen. Das hochpreisige Kap am Südkai scheiterte genau wie der Nachfolger. Das Long Island ist derzeit lediglich als Eventlocation gelistet. Das Joseph’s und das Bona’me halten die Stellung. Das Sterne-Restaurant Ox & Klee bringt Glanz ins mittlere Kranhaus – ist aber nichts für jeden Tag. Das Limani (griechisch: Hafen) mit seiner Außenterrasse ist beliebt bei Bewohnern und Spaziergängern. Doch ein belebtes Viertel sieht anders aus. 

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„Der Rheinauhafen sollte eigentlich eine Verbindung zur Südstadt schaffen“, sagt Gonzalez. Aus dem Veedel sollte abends Laufkundschaft kommen. Doch am Ubierring ist für die meisten Schluss. Vielleicht ist es auch das extrem Großflächige und Wuchtige, mit dem sich die Kölner, die die römische Kleinteiligkeit gewohnt sind, nicht recht anfreunden können. 

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Und so stehen die Kranhäuser da wie ein riesiges „immobiles Dreigestirn“, wie es einmal das „Deutsche Ingenieurblatt“ formulierte. Oder wie vornübergebeugte Riesengeschwister, die treu zueinander halten. Wie auch immer: D Oie Kölner nehmen ihr Wahrzeichen wahr, wollen hier aber eher nicht wohnen. Auch wenn Lukas Podolski der Nachbar ist.

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