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Kommentar

„KÖLN“ und „ALAAF“
Warum müssen Schilder uns sagen, dass wir in Köln sind?

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Lesezeit 4 Minuten
16.10.2024 Köln. Alaaf Schriftzug im Rheinauhafen. Foto: Alexander Schwaiger

Alaaf Schriftzug im Kölner Rheinauhafen

Unsere Kolumnistin Husch Josten wundert sich über einen Trend, die Innenstädte zu beschriften.

Ab und zu verschlägt es den Kölner ins benachbarte Brühl. Möglicherweise ins Phantasialand, ins Max Ernst Museum, zur Schlossbesichtigung. Oder zufällig, das kann passieren, auf den Balthasar-Neumann-Platz. Für den Fall, dass man in besorgniserregender Weise die Orientierung verloren hat, steht dort neuerdings in enorm großen, skulpturalen Lettern „BRÜHL“. Und weil alles seine Ordnung haben muss, ist an der Seite ein Aufkleber angebracht: Klettern verboten.

Gut. Nun also auch Brühl. Kein Wunder. Auf der ganzen Welt erfreuen sich Reisende an den bunten, selfietauglichen Buchstaben. Als Werbemaßnahme von Tourismusbüros und Städtemarketing sprießen die dreidimensionalen Namenszüge von Porto bis Toronto aus dem Boden, in Metropolen wie in Dörfern geht kein Weg an ihnen vorbei. Sie werden besessen, belegen, umarmt, tausendfach fotografiert, und sie entlasten Touristen ungemein: Niemand muss noch schreiben, von wo sie oder er grüßt – die Empfänger solcher Fotos sind auch ohne Wahrzeichen sofort im Bilde.

Angefangen hat alles vermutlich in Amsterdam

Vermutlich weiß niemand, wann, wo und – vor allem – warum das mit den Namen in Städten eigentlich angefangen hat. Man munkelt, in Amsterdam mit dem Schriftzug „I amsterdam“ seinerzeit vor dem Rijksmuseum.

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Jetzt jedenfalls sind sie überall. Je inflationärer die Mega-Schriftzüge an prominenten Plätzen in Großstadt und Provinz auftauchen, desto beharrlicher tut sich eine kleine, vorsichtige Frage auf. Wenn man denn schon überall Majuskeln pflanzt: Gibt es nicht vielleicht sinnvollere Dinge in zwei Meter hohen Lettern zu sagen und hinzustellen als idiotensicher den Namen des Ortes, an dem man sich befindet? Der wunderbare Schriftzug „Liebe deine Stadt“ des Künstlers Merlin Bauer hat es in Köln vorgemacht. Seine Botschaft ist offen, kann als Liebeserklärung, als Aufforderung zur Verantwortung oder als ironischer Kommentar verstanden werden.

Das Botschaftspotenzial der Großbuchstaben

Jedenfalls: Auch das Festkomitee Kölner Karneval erahnte vor zwei Jahren das Botschaftspotenzial der Großbuchstaben. Daher hat es „ALAAF“ in die Stadt geschrieben, was Kölsch-Unkundige nach Belieben übersetzen können. Bei „Alaaf“ weiß jeder, worum es in dieser Stadt hauptsächlich geht. Und weil in diesem Fall im Rheinauhafen der Dom buchstäblich narrensicher im Hintergrund ist, kommt wirklich niemand auf die Idee, die Jecken, die am A lehnen, in Aachen oder gar – noch ahnungsloser – in der Meenzer Fassenacht zu vermuten.

Allerdings gibt es inzwischen auch einen „Köln“-Schriftzug. Auf der Schildergasse. Und da sitzt man im „Ö“ am besten. Das „Ö“ lädt dazu ein, zu verweilen, zu posieren und dabei ganz beiläufig zu erleben, wie sich eine Stadt buchstabiert. Da kann man auch darüber nachdenken, wie diese Stadt möglicherweise, statt ihren Namen zu nennen, mit einem Wort auf den Punkt bringen könnte, warum es sich lohnt, da zu sein.

Schon der Name eines Ortes kann für manche seiner Eigenschaften stehen

Man stelle sich vor, in Wuppertal stünde „SCHWEBE“ – in Anlehnung an die berühmte Bahn und als Aufforderung, die Welt gelegentlich von oben zu betrachten. Oder in Weimar gäbe es ein „DENK“-Mal, weil Denken grundsätzlich eine gute Idee ist, aber auch auf Goethe, Schiller, Herder, Wieland verweist, aufs Bauhaus als Ausdruck neuen gestalterischen Denkens und auf die Weimarer Republik als ersten demokratischen Denkversuch.

Unbestreitbar kann schon der Name eines Ortes für manche seiner Eigenschaften stehen: Bitterfeld, früher schwerindustriell und umweltbelastet, ist so ein Fall. Bei Großhadern könnte man ins Nachdenken kommen. Und auch Müßigdorf bei Monschau gibt Anlass zu Spekulationen. Aber Worte können noch mehr ausdrücken, lassen Raum für Auseinandersetzung, Interpretationen und Diskussionen, sind ein Statement, geben Ideen und Haltungen wieder und könnten Besucherinnen und Besuchern einen bleibenden Eindruck übers Erinnerungsfoto hinaus mitgeben.

Sollte man in Köln also auf die kuriose Idee kommen, noch mehr Schriftzüge ins Stadtbild zu setzen, würde ich für „HÖÖSCH“ plädieren. „Nur die Ruhe!“ Die beste Empfehlung, die Köln seinen jährlich rund 4,2 Millionen Besucherinnen und Besuchern für sämtliche privaten und politischen Turbulenzen aus Erfahrung mitgeben kann.

Ruhe bewahren – wenn nichts so läuft, wie man es sich wünscht; wenn man in besorgniserregender Weise die Orientierung zu verlieren droht oder sich im Irrsinn der Welt einfach mal hinsetzen und mit einem netten Menschen sprechen möchte. Der wird sich in Köln problemlos finden. In den beiden „Ö“ von „HÖÖSCH“ kann man ganz wunderbar nebeneinandersitzen und der Welt einen Gruß senden.