Fazit zum KarnevalJubiläums-Zoch, Karnevalsmusik, Frauendebatte – So war die Session 2023 in Köln

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Der Rosenmontagszug auf der Deutzer Brücke mit dem Dom im Hintergrund.

Der Rosenmontagszug zieht 2023 das erste Mal auch über die Deutzer Brücke.

Nach einer ereignisreichen Session 2023 zieht die Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein Fazit zu den wichtigsten Themen im Karneval.

Zum Abschluss der diesjährigen Session im Kölner Karneval ziehen wir Bilanz und blicken unter anderem auf die Besonderheiten des Rosenmontagszugs, auf neue Kölsche Lieder und die Debatte rund um Frauen im Karneval. Außerdem geht es um die Frage, wo die Zukunft des Kölner Karnevals liegt.

Der Jahrhundert-Zoch in Köln

Der ohnehin schon größte Umzug Europas war in diesem Jahr zum 200. Geburtstag noch größer, bunter, vielfältiger – nicht nur, weil er mit 8,5 Kilometern der längste und mit einer Gesamtzeit von 8:40 Stunden auch der am längsten dauernde Zug seit 1823 war. Der Kölner Rosenmontagszug 2023 war ohne Übertreibung ein Jahrhundertzug und hat zum Jubiläum Geschichte geschrieben.

Weil er erstmals das rechts- und das linksrheinische Köln verband und den Selfie-begeisterten Teilnehmern wie den Medien die Chance auf historische Bilder vor dem Kölner Panorama ermöglichte. Weil er mit starken und pointierten Persiflagewagen die Krisen der Welt angemessen satirisch spiegelte. Weil er die unbändige Kraft des Karnevals, Menschen aller Couleur unter einen jecken Hut zu kriegen, für jeden nachvollziehbar auf die Straße brachte.

Alles zum Thema Kölner Dreigestirn

Weil er nach zwei Jahren Pandemie auch die abholte, die sich zuvor vielleicht noch nicht aus der Corona-Isolation herausgetraut haben. Weil er in der bunt beleuchteten Vringstroß bis kurz vor 21 Uhr ein grandioses, sehr kölsches Finale feierte. „Ov krüzz oder quer, mer losse nit, mer losse nit vum Fasteleer.“

Happy Birthday, Festkomitee. Danke, Zugleiter Holger Kirsch, dass ihr das durchgezogen habt. Wie der Zugweg 2024 aussehen wird, ist noch offen, aber allein aus Kostengründen ist die Rückkehr zur klassischen Strecke wahrscheinlich, also Start Chlodwigplatz, Finale Mohrenstraße. (stef)

Kölsche Musik für den Kölner Karneval

Zwei Jahre lang konnten die Kölner Bands im Karneval so gut wie nicht auftreten, zwei Jahre lang hatten gerade die Gruppen, die nicht zu den Top Fünf gehören, große Existenzängste. Dazu kamen diverse Verjüngungskuren bei den Urgesteinen: Erry Stoklosa und Bömmel Lückerath verließen als letzte Gründungsmitglieder die Bläck Fööss, Henning Krautmacher ist nicht mehr Teil der Höhner. Man hätte also meinen können, es wird eine eher behäbige musikalische Session.

Doch das Gegenteil war der Fall. Die Höhner lieferten mit „Prinzessin“ den Ohrwurm der Session, und auch die Bläck Fööss hatten mit „En d’r Altstadt weed en Bud frei“ einen schönen Song parat. Musikalisch sind viele Bands zudem mittlerweile so professionell aufgestellt wie noch nie. Die Räuber hatten mit „Wigga Digga“ einen lang ersehnten Hit, der besonders im Kneipenkarneval auch in den nächsten Jahren sicherlich noch fleißig mitgesungen werden wird.

In den Kneipen der Stadt lief auch „Ahle Kess“ von Stadtrand hoch und runter, live konnten besonders Planschemalöör mit „Eat Sleep Alaaf Repeat“ und auch Cat Ballou mit „Lass uns nicht geh’n“ überzeugen. Über allem thronen aber Kasalla, Kölns aktuell beste Band. Mit der Ballade „Sing mich noh Hus“ haben sie (mal wieder) den perfekten Ton für alle Jecken getroffen. (awe)

Die Dominanz der Roten Funken im Karneval in Köln

Auch wenn das Festkomitee und vier Gesellschaften 200 Jahre alt wurden, war eine Dominanz der Roten Funken nicht zu übersehen. Sie stellten mit Prinz Boris I. (Boris Müller), Bauer Marco (Marco Schneefeld) und Jungfrau Agrippina (André Fahnenbruck) nicht nur ein hervorragendes, weil authentisches, uneitles Dreigestirn (Motto „Drei Fründe, 86 Veedel“) und somit die Gesichter des Jubiläums.

Sie veröffentlichten zudem ein lesenswert-nachdenkliches Buch über den Karneval und seine Zukunft, starteten eine Gesprächsreihe zu Themen der Stadt. Ließen sich von Jürgen Fritz einen eigenen Song schreiben, den Eldorado durch die Säle trug. Unterstützten mit ihrem Jubiläumswein einen Ahrwinzer, brachten ein eigenes Kölsch auf den Markt und einen Schokoladen-Funk. Besuchten mit ihrem Biwak sechs Kölner Veedel an sechs Wochenenden. Dazu kamen die üblichen Sitzungen und ein venezianischer Maskenball. Wo man auch hinkam, die Funken waren schon da. Meist hatten sie dann auch noch die Hellige Knäächte & Mägde im Schlepptau, deren Jubiläum so noch sichtbarer wurde. (stef)

Die Debatte um Frauen im Karneval

Auch in dieser Session waren sie wieder Thema: Die Frauen im Karneval. Angeheizt wurde die Debatte vom Auftritt von Nici Kempermann bei der Proklamation, bei dem sie in ihrem Song „Prinz“ sang: „Einmol Prinz ze sin in nem Dreijesteen voll Östrogen“. Ein (zumindest teilweise) weibliches Dreigestirn treibt die Jecken weiterhin um. Dass das in den nächsten Jahren Realität werden könnte, liegt auch an FK-Präsident Christoph Kuckelkorn, der explizit betonte, die Türen für Frauen stünden offen – und Kempermann für den Auftritt bei der Pripro anfragte.

Nun muss es nur noch drei weibliche Jecken geben, die sich mit einem guten Konzept bewerben. Genug engagierte und talentierte Karnevalistinnen gibt es in Köln. Dazu müssen die Hemmschwellen für Frauen, in die vordersten Gefilde des Fastelovends vorzudringen, aber weiterhin abgebaut werden. Zwar sind Frauen mittlerweile auch Präsidentinnen von KGs und im Vereinsleben sehr aktiv, in Vorständen aber eher die Ausnahme. Weiter über Frauen im Fasteleer zu sprechen, bleibt wichtig. (awe)

Die Zukunft liegt in den Kölner Schulen

Nachdem die Schull- un Veedelszöch drei Mal ausfallen mussten, ist die Teilnehmerzahl gerade beim Schullzoch deutlich zurück gegangen. Das sollte die veranstaltenden Freunde und Förderer für das Kölnische Brauchtum, aber auch die Stadt und die für Schulen zuständige Bezirksregierung alarmieren. Sie sollten schleunigst in die Schulen gehen und für den Karneval werben. Dafür sollten auch ausreichend Fördergelder und Personal zur Verfügung gestellt werden.

Gibt es doch kaum bessere Alternativen, um über das gemeinsame Arbeiten an einem jecken Schulprojekt vergleichsweise einfach inklusive oder integrative Grenzen zu überwinden. Bestes Beispiel sind die bunten, fröhlichen Gruppen im Schullzoch dieses Jahr gewesen. Oder die Reaktionen der Pänz, die das Glück hatten, dass ihre Schule bei Pänz große Pause den Auftritt einer Band gewonnen hatte. (stef)

Kleine Vereine aus Köln

Hart war es in dieser Session für die kleinen Vereine. Viele Strukturen und die Mitgliederbindung war über die Coronajahre eingeschlafen, dazu kamen zögerliche Kartenkäufe der Jecken. Mag ein Traditionskorps einen halbvollen Sitzungssaal noch verkraften, ist es für kleinere Vereine fast ein KO.

Die „KG Original Kölsche Domputzer“ stand schon vor der Insolvenz, kann nun aber wohl doch gerettet werden. Der Stammdesch Ratteköpp, sonst immer bei den Schull- un Veedelszöch dabei, hört hingegen nach dieser Session auf. Kleine Vereine werden wohl auch noch weiter um ihren Fortbestand kämpfen müssen. (awe)

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