Platznot an GrundschulenSchulwege bis zu einer Stunde für Kölner Erstklässler – Eltern-Demo am Montag

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Drei Mädchen in der Grundschule machen zusammen Aufgaben in der Klasse.

Der Schulnotstand weitet sich in Köln auch auf die Grundschulen aus.

Grundschulen mussten teilweise ganze Klassen abweisen. Empörung und Wut bei den Betroffenen sind groß.

Dass es in diesem Jahr erstmals auch an den Grundschulen viele Ablehnungen und teils weite Wege geben wird, hatte die Stadt schon Ende Januar angekündigt. Da klang dies noch abstrakt. Jetzt gingen die Briefe an die Familien raus und das Ausmaß der Zumutung für manchen der künftigen Erstklässler sorgt für eine Welle der Wut und Empörung bei Kölner Eltern. Statt einem Platz an der Erst- oder Zweitwunschschule wurden teilweise Grundschulen zugewiesen, die viele Kilometer entfernt liegen.

„Schulen mussten teilweise ganze Klassen abweisen“, fasst Eva-Maria Zimmermann, Geschäftsführerin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Köln zusammen. Die GEW erreichten Meldungen über Kinder, die künftig Fahrtwege von bis zu einer Stunde pro Strecke in öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen müssten. Berufstätige Eltern und Alleinerziehende stünden vor einer unlösbaren Aufgabe.

Fast acht Kilometer Weg für Kölner Grundschulkinder

So wie Familie Pater aus Porz-Eil. Am Dienstag kam der Brief von der Stadt, seitdem rotiere sie wie im Ausnahmezustand, erzählt Bettina Pater. Statt einen Platz in einer der beiden nahe gelegenen Grundschulen bekam die Familie für den Sohn einen Platz an einer Grundschule in Langel zugeteilt. Für den im Sommer gerade Sechsjährigen bedeutet das nach der Recherche der Eltern mindestens 40 bis 50 Minuten Schulweg mit Fußweg plus Bus und Bahn inklusive Umsteigen. 7,4 Kilometer ist die Schule von der Wohnung der Familie entfernt.

„Wie soll er das schaffen?“, frage sie sich. Die Familie hat nur ein Auto, das der Familienvater braucht, um zur Arbeit zu fahren. „Müssen wir jetzt ein zweites Auto kaufen, damit ich ihn morgens bringen kann?“ Im Oktober fängt Pater, die noch zwei Kinder von drei Jahren und sieben Monaten hat, wieder an zu arbeiten. „Im Moment weiß ich nicht, wie das gehen soll.“  

Familie Pattathanath aus Porz ereilte das gleiche Schicksal mit einem Platz in Langel. „Obwohl unsere ältere Tochter in Porz in die Grundschule Kupfergasse geht und er Geschwisterkind wäre“, erzählt sie den Tränen nahe.

Als Krankenschwester müsse sie um 5.30 Uhr aus dem Haus für den Frühdienst, ihr Mann um 7 Uhr. „Wie sollen wir den Sohn zur Schule bringen?“ Neun Haltestellen und einmal umsteigen sind die Alternative. Für den Sechsjährigen zumindest als Erstklässler nicht zu schaffen. Schon mit dem Auto seien das 20 Minuten reine Fahrzeit.

Welche Lösungen bietet die Stadt für Kölner Kinder an, die künftig weite Fahrtwege haben werden?
Nathalie Binz, Vorsitzende der Stadtschulpflegschaft

Mit Geschichten wie diesen werden die Schulsekretariate vieler Grundschulen derzeit überhäuft: Weinende Eltern stehen vor ihnen, die schlicht nicht wissen, wie sie ihr Familienleben nach der Einschulung stemmen sollen.

Wie hoch die Ablehnungszahlen genau sind und wie viele künftige Erstklässler nun Schulwege von mehr als zwei Kilometer oder gar sechs bis acht Kilometer zurücklegen, will die Stadt nicht sagen. Vor Abschluss des Verfahrens gebe man keine Zahlen raus. Das aktuelle Anmeldeverfahren für die Grundschulen werde offiziell erst Ende April beendet sein. Erst danach gebe es eine Auswertung.

Die Kölner Stadtschulpflegschaft will sich damit nicht abfinden: „Wir erwarten schnellstmöglich Transparenz. Wie schlimm ist die Situation ganz konkret, welche Stadtteile sind besonders betroffen? Welche Lösungen bietet die Stadt Köln für Kinder an, die künftig weite Fahrtwege haben werden?“, fordert die Vorsitzende der Stadtschulpflegschaft Nathalie Binz Klarheit.

Ende Januar hatte die Stadt als Zwischenstand mitgeteilt, dass dem Grundsatz „Kurze Beine, kurze Wege“, der seit vielen Jahren Maxime bei der Vergabe der Grundschulplätze war, nicht mehr „umfassend“ entsprochen werden könne. Die Rede war damals von 562 Kindern, die keinen Platz an ihrer Erstwunschschule bekommen und 423 von ihnen, die auch an ihrer Zweitwunschschule keinen Platz erhalten, weil die ebenfalls voll sind. Damals waren aber noch 500 Kinder gar nicht angemeldet.

Außerdem hat die Stadt neben den von vornherein geplanten vier zusätzlichen Eingangsklassen an Grundschulen in Rodenkirchen, Chorweiler und Porz aufgrund der akuten Situation kurzfristig noch an sieben weiteren Standorten zusätzliche Klassen eingerichtet, um die Situation zu entschärfen. Von daher ist unklar, wie viele Kinder es letztendlich sind.

50 Kinder allein an einer Kölner Grundschule abgelehnt

Laut Schulgesetz hat jedes Grundschulkind einen Anspruch auf „Aufnahme in die seiner Wohnung nächstgelegene Grundschule der gewünschten Schulart in seiner Gemeinde im Rahmen der vom Schulträger festgelegten Aufnahmekapazität“. Die räumliche Nähe ist das entscheidende Kriterium: Der Familie von Johann (5) aus Mülheim hat das auch nichts genutzt.

Für sie war die GGS Mülheimer Freiheit die nächstgelegene Grundschule, auf der sie auch angemeldet haben. Nur: Allein an dieser einen Schule kamen auf die 84 Plätze 134 Anmeldungen – allesamt von Kindern, für die das die nächstgelegene Grundschule ist. Bei der Verteilung der Plätze ging es um Meter.

„Es haben am Ende nur Kinder einen Platz bekommen, die maximal 850 Meter entfernt wohnen“, erzählt Johanns Mutter. „Wir waren knapp darüber.“ Stattdessen wurde ihnen nun ein Platz an einer Grundschule in Stammheim zugeteilt. Johann, der sich so sehr auf die Schule gefreut habe, sei seither traurig und bedrückt. „Und wir als Eltern sind einfach wütend. Die Kinder fallen doch nicht vom Himmel. Es musste doch klar sein, dass in Mülheim perspektivisch eine Grundschulplatzknappheit entsteht.

Eltern wollen laut protestieren und der Stadt Köln die Rote Karte zeigen

Für die Eltern ist klar, dass jetzt öffentlicher Protest her muss. „Das Thema braucht jetzt endlich Sichtbarkeit auf der Straße“, fordert Johanns Mutter. Laura Schormann, deren Tochter Klara – statt wie der Bruder mit dem Rad nach Longerich in die Grundschule – nun mit der Bahn sechs Stationen nach Weidenpesch fahren soll, sieht das auch so. Bei ihrer Tochter fließen in diesen Tagen immer wieder Tränen, es fliegen Türen.

„Da blutet einem das Herz“, ganz davon abgesehen, dass die fünfköpfige Familie nicht weiß, wie sie das ganz konkret stemmen soll. Wichtig sei, dass Kita-Eltern für das Problem sensibilisiert würden und Druck aufgebaut werde auf die Stadt. „Das ist einfach nicht hinnehmbar.“

Stadtschulpflegschaft und GEW sowie die betroffenen Eltern rufen zur Teilnahme an der Protest-Demonstration auf. Unter dem Motto „Kurze Beine, lange Busfahrten – (k)ein Platz für Grundschulkinder in Köln? Wir zeigen der Stadt die Rote Karte!“ wird am Montag, 20. März, von 16 bis 17.30 Uhr auf dem Theo-Burauen-Platz in Köln am Hintereingang des Rathauses demonstriert, während im Ratssaal der Beschwerdeausschuss tagt. Eltern können am offenen Mikro ihren Unmut kundtun und rote Karten mit ihren Forderungen an die Stadt Köln schreiben, die im Anschluss an die Stadt übergeben werden.


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