Antisemitismus in KölnJüdische Studentin muss aus WG in Köln ausziehen

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Köln: Polizeiposten vor der Synagoge in der Roonstraße

Nach dem Angriff der Hamas auf Israel sind in Köln die Sicherheitsmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen verschärft worden.

Das Kölner NS-Dok warnt vor einer „gesellschaftlichen Normalisierung von Antisemitismus“.

Seit dem Massaker der Hamas an der israelischen Zivilbevölkerung am 7. Oktober 2023 und dem Beginn der israelischen Gegenoffensive im Gaza-Streifen hat sich die Anzahl antisemitischer Vorfälle in Köln stark erhöht. Bei der Meldestelle im NS-Dokumentationszentrum hat sich die Zahl der erfassten Fälle im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht.

Wie eklatant der Krieg in Nahost antisemitische Ressentiments auch in Köln triggert, zeigt der Fall einer Jüdin, die in Köln studiert. „Ich habe zur Untermiete in einer WG in der Innenstadt gelebt“, erzählt die Anfang 20-jährige Israelin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Als die Studentin, in deren Zimmer ich gewohnt habe, zurückkehrte, sollte ich in ein anderes freies Zimmer in der Wohnung ziehen – bis meine Untervermieterin mir per Whatsapp eröffnete, dass das nicht möglich sei.“ Auf ihre Frage nach den Gründen habe die Frau mit tunesisch-palästinensischem Hintergrund gesagt, dass sie mit niemandem eine Wohnung teilen könne, der proisraelisch eingestellt sei.

Köln: Studentin leugnet Terror-Angriffe der Hamas

Sie selbst sei gegen einen Staat Israel – sie bezweifele auch, dass es die Terrorangriffe der Hamas am 7. Oktober mit 1200 getöteten und mindestens 240 entführten israelischen Zivilistinnen und Zivilistinnen überhaupt gegeben habe. Die Voice-Botschaft der WG-Bewohnerin mit der Verschwörungstheorie liegt dieser Zeitung vor. Sie habe Anzeige erstatten wollen gegen die Frau aus der WG, sagt die Studentin aus Israel. „Der Beamte bei der Polizei war sehr unfreundlich, fast aggressiv. Er hat die Nachricht gehört und gesagt, dass sei eine Privatangelegenheit, dafür sei die Polizei nicht zuständig.“ Aus der WG ist die Jüdin umgehend ausgezogen – sie wohnt inzwischen bei Bekannten.

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„Mehr als je zuvor besteht in Anbetracht des drastischen Anstiegs antisemitischer Vorfälle die Gefahr einer gesellschaftlichen ‚Normalisierung‘ von Antisemitismus“, sagt Daniel Vymyslicky von der Meldestelle für antisemitische Vorfälle im NS-Dokumentationszentrum. „Dabei ist nichts davon normal, auch nicht die schon lange vor dem 7. Oktober leider notwendigen Sicherheitsmaßnahmen an jüdischen Einrichtungen.“

Der Kampf gegen Antisemitismus sei weit mehr als „nur“ Schutz einer Minderheit, er müsse immer auch als Kampf für demokratische Werte verstanden werden. Vymyslicky befürchtet, dass „ein konstant hoher ‚Pegel‘ an Antisemitismus in der Gesellschaft unseren ‚demokratischen Schutzdamm‘ langsam aufweichen und im schlimmsten Fall irgendwann zum Einreißen bringen könnte“.

Um dem entgegenzuwirken, müsse die Finanzierung zivilgesellschaftlicher Organisationen im Bereich der Demokratieförderung massiv ausgebaut werden, statt von Kürzungen bedroht zu werden. In Schulen müsse das Thema Antisemitismus verstärkt auf den Lehrplan.

Köln: Antisemitische Schmierereien, Angriffe auf Erinnerungsorte

In einer Kölner Bildungseinrichtung tauchen seit Wochen immer wieder antisemitische Schmierereien auf, die offen den Holocaust leugnen, Impfungen als „Judengift“ bezeichnen oder ein „freies Palästina, vom Fluss (Jordan) bis zum Meer (Mittelmeer)“ – also die Abschaffung Israels – fordern. Im Dezember hat die Meldestelle im NS-Dokumentationszentrum auch verstärkt Angriffe auf Erinnerungsorte an die Schoa festgestellt, von mit Eiern beworfenen Stolpersteinen bis zu antisemitischen Schmierereien im Gästebuch des NS-Dokumentationszentrum.

Wir Türken schulden den Juden nichts, deshalb können wir ehrlich drüber reden, was für Lügner die Juden sind
Zitat eines Passanten in einer Kölner Bahn gegenüber einer Frau, die Kleidung mit hebräischen Schriftzeichen trug

Zu den jüngsten Beispielen in Köln zählt ein Fall aus dem Dezember, als eine Frau in einer U-Bahn von einem offenbar angetrunkenen Mann mit den Worten antisemitisch angefeindet wurde: „Wir Türken schulden den Juden nichts, deshalb können wir ehrlich drüber reden, was für Lügner die Juden sind.“ Die Betroffene ist Jüdin. Sie geht davon aus, dass sie zur Zielscheibe wurde, da sie zum Zeitpunkt Kleidung mit hebräischen Schriftzeichen trug. Der Meldestelle gegenüber berichtete sie, wie sie an der ersten Haltestelle panisch aus der U-Bahn flüchtete, auch weil sich niemand der Anwesenden im voll besetzten Wagen gegen die antisemitische Hetze ausgesprochen habe. Derartige Anfeindungen ereigneten sich im Alltag leider regelmäßig, sagt Daniel Vymyslicky.

Antisemitische Vorfälle können der Kölner Meldestelle im NS-Dokumentationszentrum gemeldet werden: daniel.vymyslicky@stadt-koeln.de

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