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„Halbzeit“-BilanzKölner Ratsbündnis verfehlt selbst gesteckte Ziele – deutliche Lücke bei Radwegen

Lesezeit 6 Minuten
Die Sonne geht über Köln auf. Unter anderem zu sehen ist der Fernsehturm Colonius.

Das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt will das Leben in der Stadt Köln verbessern. Zur Halbzeit der Legislaturperiode bleiben sie bei vielen Zielen hinter den eigenen Ansprüchen zurück.

Was hat das Bündnis aus Grünen, CDU und Volt von seinen konkret terminierten Zielen bis heute erreicht? Eine Übersicht.

Es ist Halbzeit in der Kölner Politik. Im September 2020 wählten die Kölnerinnen und Kölner ihren Stadtrat, das ist zweieinhalb Jahre her, die nächste Auflage folgt im Herbst 2025. Und vor gut zwei Jahren stimmten Grüne, CDU und Volt am 6. März 2021 einer Zusammenarbeit zu, als Mehrheitsbündnis kündigten sie eine „nachhaltige, zukunftsgewandte und verlässliche Stadtpolitik“ an. Hat das Trio sein Versprechen gehalten?

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat sich in dem 93-seitigen Kooperationsvertrag explizit die Ziele angeschaut, die von März 2021 bis jetzt konkret mit einem Datum hinterlegt worden sind und damit überprüfbar sind. Es geht nicht um eine Gesamtschau. Ein Beispiel: Jedes Jahr sollten 50 Kilometer neue Radwege geschaffen werden. Das ist eine Zahl, die erreicht wird oder eben nicht. Bei anderen der Passagen ist es teils weniger klar, zudem hängt die Umsetzung politischer Aufträge immer auch vom Tempo der Verwaltung ab. Die einzelnen Ziele im Überblick:

1. Maßnahmenplan Klima: Bis Ende 2021 wollte das Bündnis einen Maßnahmenplan vorliegen haben, mit dem die Verwaltung und die städtischen Konzerne die Klimaziele erreichen sollen. Darin sollte notiert sein, welcher Sektor wie viel Treibhausgase einsparen soll. Die Kontrolle sollte alle drei Jahre über vorher festgelegte Zwischenziele erfolgen. Die Stadt teilte dazu mit: „Die Stadtverwaltung stellt derzeit einen Aktionsplan mit konkreten Aktivitäten für die Umsetzung auf, der regelmäßig fortgeschrieben werden wird. Es ist geplant, die erste Auflage des Aktionsplans zum Ende des ersten Halbjahres 2023 in die Politik einzubringen. Dieser Aktionsplan wird Maßnahmenpakete und entsprechende Meilensteine beinhalten.“

Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe

Fazit: nicht erreicht

2Wärmekataster: Das Bündnis wollte ein Wärmekataster erstellen lassen, um die Abwärme öffentlicher Gebäude zu nutzen, die Suche nach Pilotprojekten sollte 2021 beginnen. Laut Verwaltung soll eine erste Version der Wärmekarte Ende des Jahres vorliegen, danach werden Pilotprojekte ausgesucht.

Fazit: nicht erreicht

3. Klimaanpassung: Das Bündnis wollte ein Konzept zur Klimaanpassung und auch Maßnahmen zur Anpassung der Lebens- und Arbeitsbedingungen an die Folgen des Klimawandels erarbeiten. Im März 2021 hielten sie fest, „es sollen Maßnahmen bereits kurzfristig mit Blick auf den Sommer 2021 umgesetzt werden“. Mittlerweile hat die Stadtverwaltung einen Arbeitskreis Klimafolgenpassung gegründet, seit 2021 entwickelte die Stadt einen Hitze-Aktionsplan und einen Hitzeknigge. Ein Wasserkonzept setzt die Verwaltung laut eigener Aussage bald um, das Dach-Begrünungsprogramm „Grün hoch 3“ gibt es seit 2018. Die Strategie zur Klimafolgenanpassung soll bis Juni vorliegen.

Fazit: teils erreicht

4. Kontrolle im städtischen Haushalt: Im Kooperationsvertrag kündigte das Trio an: „Wir werden für den Haushalt 2022 ein dezidiertes und transparentes Reporting über die gesamtstädtische Finanzvolumen für die Erreichung der Klimaneutralität 2035 und Klimafolgeanpassungen aufstellen.“ Laut Verwaltung ist Klimaschutz eine Querschnittsaufgabe aller Dezernate, als die Stadt den Haushalt 2022 aufstellte, fragte sie auch die Maßnahmen ab, die sich positiv auf den Klimaschutz auswirken. Aber: Die Koordinationsstelle Klimaschutz soll die Kontrollinstanzen aufbauen, die zwei vorgesehenen Stellen dafür sind aber erst Ende 2022 besetzt worden.

Fazit: nicht erreicht

5. Maßnahmen der städtischen Unternehmen: Im Bündnispapier steht: „Die Beteiligungsunternehmen werden aufgefordert, falls noch nicht geschehen, bis Ende 2021 ein entsprechendes Konzept mit Maßnahmenplan für sich zu entwickeln und extern überprüfen zu lassen, inklusive vorzeitiger Erreichung (das heißt deutlich vor 2035) der Ziele im Bereich der klimaneutralen Stromerzeugung.“  Laut Stadtverwaltung haben beispielsweise die Rhein-Energie, die Kölner Verkehrs-Betriebe und die Stadtentwässerungsbetriebe solche Konzepte entwickelt, die anderen werden die Klimaziele demnach berücksichtigen, darauf werde die Stadt „hinwirken“.

Fazit: teils erreicht

6. Neue Radwege: Jedes Jahr sollten 50 Kilometer neue Radwege sowie Verbindungen ins Kölner Umland geschaffen werden. Laut Stadtverwaltung waren es in den Jahren 2021 und 2022 jeweils acht Kilometer, doch dabei handelte es sich um die Umwandlung in Radstraßen (1,9 Kilometer in 2021, 2 in 2022), um die Umwandlung von Autospuren (5,4 und 5,3 Kilometer) sowie Sanierungen von jeweils 0,7 Kilometer. Auf diesen drei Maßnahmen liegt laut Stadt der Fokus. Tatsächlich neu angelegt wurde demnach nur in Ostheim am Hardtgenbuscher Kirchweg ein 600 Meter langer Geh- und Radweg.

Fazit: nicht erreicht

7. Parkstadt Süd: Der Name steht für eines der größten Bauvorhaben Köln: Der Grüngürtel soll von der Luxemburger Straße bis zum Rheinufer verlängert werden, dabei Wohnungen und Arbeitsplätze für tausende Menschen entstehen. Auch ein neuer S-Bahn-Halt ist angedacht, das Bündnis schrieb dazu vor zwei Jahren: „Um die unmittelbare Anbindung von Neubaugebieten an den öffentlichen Personennahverkehr sicherzustellen, muss die Parkstadt Süd über eine neue S-Bahnquerung (über die Südbrücke, Anmerkung der Redaktion) in den vordringlichen Bedarf 2021/22 aufgenommen werden.“

Es handelt sich dabei um eine neue Linie S16. Das zuständige Unternehmen go.Rheinland, vormals Nahverkehr Rheinland , verweist darauf, dass unklar sei, was die Formulierung „vordringlicher Bedarf 2021/22“ meint. Go.Rheinland teilte mit: „Wir können grundsätzlich zur S 16 sagen, dass wir beantragt haben, das Projekt S 16 in den ÖPNV-Bedarfsplan des Landes NRW aufzunehmen. Darüber muss der Landtag entscheiden. Der neue ÖPNV-Bedarfsplan soll 2024 veröffentlicht werden.“ Allerdings handelt es sich ohnehin um ein Projekt, das noch viele Jahre dauert.

Fazit: zeitlich nicht erreicht

8. ÖPNV-Vorrang: Das Trio wollte ein umfassendes Nachtfahrangebot der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) auch in den Außenbezirken einführen, den ÖPNV-Vorrang an Ampeln bis 2022 großzügig ausweiten und die Kapazitäten der Züge auf der Ost-West-Achse erhöhen. Zum ÖPNV-Vorrang an Ampeln teilte die Stadt mit: „Auch im März 2021 wurde der ÖPNV in Köln schon fast überall voll bevorrechtigt. Daran hat sich nichts geändert.“ Es gibt also keine Veränderung. Das Nachtfahrangebot hat sich ebenfalls laut Stadt nicht geändert, allerdings hatte das Bündnis sein Ziel an die Bedingung geknüpft, dass es die betrieblichen Belange der KVB zulassen. Und gerade das Unternehmen hat massive Personalprobleme, muss den Fahrbetrieb einschränken. Die Kapazitätserhöhung der Züge auf der Ost-West-Achse ist beschlossen, es dauert aber noch.

Fazit: nicht erreicht/nicht bewertbar

9. Etat Freie Szene: Das Bündnis beabsichtigte, dass der Kulturetat für die freie Szene ab 2022 jedes Jahr um eine Millionen Euro steigt. Laut Stadt stellt sich der Etat wie folgt dar: 2021 waren es 10,8 Millionen Euro, gefolgt von 11,9 Millionen Euro (2022) sowie 13,2 Millionen Euro (2023) und 14,2 Millionen Euro (2024).

Fazit: erreicht

So bewertet das Bündnis seine Arbeit

Hinweis: Das Trio wollte nicht gesondert auf die einzeln vorgelegten Punkte eingehen, Grüne, CDU und Volt gaben gemeinsam eine Stellungnahme ab.

„Wir als Ratsbündnis bewerten unsere Bilanz insgesamt als positiv und sehen uns auf Kurs. Viele unserer Vorhaben haben wir bereits umgesetzt oder angestoßen. Damit haben wir Köln klimafreundlicher, nachhaltiger, sozialer, digitaler, sicherer und sauberer gemacht. Konkreter werden wir dies im Rahmen einer Bündnis-Pressekonferenz Ende März vorstellen.“

Und weiter: „In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Umstände für die Weiterentwicklung Kölns unter anderem durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine grundlegend verändert – das gilt für die Kölner Wirtschaft, die Stadtverwaltung und für uns als Politik gleichermaßen. Es ist selbstverständlich, dass sich angesichts dessen einzelne unserer Zeitpläne verschoben haben. Die verantwortungsvolle Steuerung einer Millionenstadt verlangt immer Flexibilität bei der Priorisierung von Vorhaben. Unser Bündnisvertrag setzt dabei den Rahmen für unsere Politik. Wir arbeiten gemeinsam mit der Verwaltung und der Stadtgesellschaft daran, die darin formulierten Ziele zum Wohle Kölns umzusetzen.“

Zudem weisen sie unter anderem auf den Bau neuer Schulen hin sowie den Masterplan Parken und ein Grundnetz für den motorisierten Individualverkehr. Beides ist aber noch in Bearbeitung.

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