KunstSiegfried Glos erweckt mit seinen Bildern die Häuser des alten Kölns zum Leben

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Der Künstler Siegfried Glos in seinem Atelier.

Köln – Würde sie heute noch stehen, die mittelalterliche Stadtmauer von Köln würde direkt vor Siegfried Glos’ Haustür verlaufen. Doch sie steht nicht mehr. Als es Ende des 19. Jahrhunderts in Köln viel zu eng geworden war und die Stadt nach Expansion schrie, stand das kolossale Bauwerk im Weg. Fast zehn Kilometer lang war die Mauer, die zuletzt ab 1180 erweitert worden war, dazu kamen 52 Halbtürme, zwölf Stadttore und zwei Ecktürme. Geblieben sind davon drei Tore, die Ulrepforte und ein paar Mauerreste. Mehr nicht.

„Man hätte die Mauer stehen lassen können“, sagt Siegfried Glos entschieden: „Aber das war einfach nicht gewünscht.“ Stattdessen habe sich die Kölner Obrigkeit lieber durch Grundstücksspekulationen bereichert. Wäre die Geschichte anders verlaufen, Köln hätte heute ein Weltkulturerbe mehr zu bieten. Da ist sich Siegfried Glos sicher.

Maler und Mittelalter-Experte

In seinem Atelier am Thürmchenswall lässt der 76-Jährige auferstehen, was die Kölner leichtfertig aufgaben. Großformatige Malereien hängen an den Wänden der ehemaligen Druckerei, fast alle zeigen Kölner Ansichten mit Stadtmauer. Gemalt mit feinem Pinselstrich auf glattem Nesseltuch. „Vor 20 Jahren wusste ich eigentlich nichts über Köln, ich habe mich auch nie dafür interessiert“, sagt Siegfried Glos, der ursprünglich Gas- und Wasserinstallateur gelernt hatte, dann aber auf die Kölner Werkschulen wechselte und sich der Kunst widmete. Viele Jahre lang arbeitete er als Kulissenmaler für das Fernsehen und war auch mit fiktiven Landschaftsmalereien erfolgreich. Dann kam die Stadtmauer.

Alles zum Thema Hochwasser, Überschwemmung und Flut

Der Kunstmaler und Fotograf Wilhelm Scheiner habe ihn auf das Thema aufmerksam gemacht, sagt Glos. Für seine Aquarelle fotografierte Scheiner im 19. Jahrhundert Kölner Bauten, Straßenzüge und die Menschen darin und hielt auch immer wieder die Stadtmauer fest. „Das hat mich so fasziniert, dass ich wissen wollte: Was war denn mit der Mauer?“ Siegfried Glos recherchierte und erfuhr unter anderem: Die Kölner Stadtmauer, wie sie ab 1180 in dritter Erweiterung entstand, war die größte Stadtbefestigung nördlich der Alpen. Sie war ein Ereignis, schon für die Menschen damals. „Die war so gewaltig, dass Köln nie angegriffen worden ist“, sagt Glos, der mittlerweile nicht nur Maler, sondern auch Mittelalter-Experte geworden ist.

„Ich bin ein sehr ordentlicher Maler“

In 57 Gemälden hat der Ur-Kölner mittlerweile das alte Köln festgehalten. Zu sehen sind die Kirche St. Kunibert hinter der Mauer, wie sie einst den Rhein sicherte, der Fischmarkt bei Hochwasser oder der Gürzenich. Jedem Stein widmet sich Glos mit Akribie: „Ich bin ein sehr ordentlicher Maler“, sagt der Künstler, der sich bei seinen „gedanklichen Reisen“ in die Vergangenheit nur von Labrador-Hündin Pebbles begleiten lässt. Allerdings widmet er sich ausschließlich der Architektur. Menschen sind nicht zu sehen. „Menschen lenken von den Bauwerken ab“, sagt Glos. Außerdem: Welche Kleidung sollten sie tragen? „Man weiß nur, was wohlhabende Menschen getragen haben, Bettler wurden auf alten Gemälden nicht dargestellt.“

Gemälde sind monatelange Kleinstarbeit

Was ebenfalls auffällt: Viele der heute ergrauten Gebäude sind auf den Malereien von Siegfried Glos in leuchtendem Weiß und Rot zu sehen. So etwa die Kirche Groß St. Martin, die zudem mit goldenen Ornamenten glänzt. Oder der Gürzenich. Im Mittelalter mögen Schmutz und Krankheiten ständige Weggefährten der Kölner gewesen sein – triste Gebäude waren es nicht. „Das war keine finstere Zeit, sondern sehr farbenfroh“, so Siegfried Glos. Erst im 19. Jahrhundert sei überall die Farbe abgeklopft worden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Jedes seiner Gemälde entsteht in monatelanger Kleinstarbeit. Historische Korrektheit sei ihm sehr wichtig, sagt der Maler. Vor jeder Arbeit stehe eine gründliche Recherche. Schließlich wolle er dem Betrachter eine Epoche näherbringen, die aus dem Stadtbild fast verschwunden ist. Siegfried Glos nutzt mittlerweile auch die sozialen Medien, um seine gemalten Botschaften zu verbreiten. Aber nicht ohne den kritischen Blick. Bevor er ein Bild freigibt, schaut er es sich in einem kleinen Handspiegel an. Das sei ein alter Trick unter Malern, so Glos: „So sehe ich jeden Fehler.“

www.das-alte-koeln.de

KStA abonnieren