Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Energie und Anarchie im Kölner GloriaStadtgeklimper bei erstem Konzert abseits der Straße gefeiert

3 min
Thelonius Herrmann, besser bekannt als Stadtgeklimper, sitzt strahlend am Klavier. Im Hintergrund klatschen Menschen.

Voller Freude: Thelonius Herrmann, besser bekannt als Stadtgeklimper, spielte sein erste Konzert außerhalb der Straße.

Als Gastmusiker traten Planschemalöör und Oliver Niesen von Cat Ballou auf. Das Gloria stand Kopf. 

Am Freitagabend steht ein junger Mann auf der Bühne des Gloria und weiß vor lauter Freude und Energie und Aufregung kaum, wohin mit sich. Er hibbelt und kratzt sich am Hinterkopf, gerät ins Stocken, erzählt kichernd, dass er bis heute noch nie einen Soundcheck gemacht habe und immer zu viel labere, wenn er nervös sei, vergisst ein Lied, verliert seine Kappe, umarmt innig seine Klavierlehrerin Angela Wittmann, „ohne die ich hier nicht stehen würde“, seine Eltern, „ohne die ich gar nicht da wäre“, seine Schwester, „die mir im vergangenen halben Jahr ständig aus der Patsche geholfen hat“, und schüttelt immer wieder den Kopf.

Stadtgeklimper: Kölner gibt erstes Solo-Konzert

Wenn er aber an seinem für die Straße entkernten Klavier sitzt, das er einst für 120 Euro auf Ebay ersteigert hat, ist er ganz bei sich und der Musik, dann zeigt er, dass er nicht nur die kölschen Lieder kann, um die Leute zum Schunkeln und Singen zu bringen, sondern auch Klassik, Funk, Jazz, das Schwere leicht aussehen lassen.

Zwischendurch schob Thelonius Herrmann sein Klavier in die Menge.

Zwischendurch schob Thelonius Herrmann sein Klavier in die Menge.

Thelonious Herrmann, der seinen Vornamen von Jazz-Pianist Thelonious Monk hat, kennen viele von seinen Auftritten mit seinem rollenden Klavier in der City – jetzt gibt der als „Stadtgeklimper“ bekannte Kölner sein erstes Solo-Konzert. Jede Faser seines Körpers zeigt, dass der klischeelastige Satz, dass dieser Moment die Welt für ihn bedeutet, an diesem Abend kein Klischee ist.

Thelonious Herrmann: 26-Jähriger spielt seit zehn Jahren in Köln

Der 26-Jährige spielt seit zehn Jahren in Köln und vielen anderen Städten auf der Straße. Sein erstes Solo-Konzert inszeniert er als Reise von den Anfängen mit schief gespieltem „Alle meine Entchen“ zum ersten Auftritt in einem kleinen Saal bis zu Reisen mit seinem Klavier quer durch Europa und Marokko, er lässt Freunde Ordnungsbedienstete spielen, die ihm die Straßenmusik in Köln zuletzt verleidet haben, und schaut immer wieder ungläubig in die Menge.

Thelonius Herrmann nach dem Konzert mit seiner Klavierlehrerin Angela Wittmann

Thelonius Herrmann nach dem Konzert mit seiner Klavierlehrerin Angela Wittmann

Dass er nicht an professionelle Dramaturgie und exakt geplante Abläufe gewöhnt ist und damit ein bisschen kokettiert, macht den Abend nur charmanter. Ist halt lustig: Da steht ein völlig geflashter junger Musiker auf der Bühne und erzählt dem Publikum auch die Fehler, die die meisten gar nicht bemerkt haben.

Stadtgeklimper im Gloria: Kölsches Heimatgefühl fehlt nie

Die Anarchie des Auftritts kombiniert Thelonious Herrmann mit gefühlvollem Anschlag und über Zweifel erhabener Technik – dazu tragen auch sein toller Kontrabassist Bruno Gil, Schlagzeuger Moritz Linten und Laura Lutgen mit einer Balletteinlage bei.

Für kölsches Heimatgefühl, das bei Stadtgeklimper auch auf der Straße nie fehlt, sorgen seine Freunde von Planschemalöör mit einem Gastauftritt und Oliver Niesen, Sänger und Gitarrist von Cat Ballou. Die Titel von deren Hits „Hück steiht de Welt still“ und „Et jitt kei Wood“ fassen wohl ganz gut zusammen, was Thelonious Herrmann an diesem Abend fühlt.