CoronaWie sich Stadt und Polizei auf Ausgangssperren in Köln vorbereiten

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Zur Eindämmung der Corona-Pandemie könnte es auch in Köln nächtliche Ausgangssperren geben.

Zur Eindämmung der Corona-Pandemie könnte es auch in Köln nächtliche Ausgangssperren geben.

Köln – Wenn der Bundestag den Beschluss des Bundeskabinetts absegnet, in Städten und Kreisen ab einer Inzidenz von 100 an drei aufeinanderfolgenden Tagen eine nächtliche Ausgangssperre zu verhängen, wird auch Köln dicht machen. Der Inzidenzwert liegt hier durchgehend seit dem 15. März über 100, aktuell (Mittwoch) rangiert er bei 156,9. Stadtverwaltung und Polizei tun also gut daran, sich auf die möglichen Sperrstunden zwischen 21 und 5 Uhr vorzubereiten und haben schon mit den Planungen dazu begonnen.

„Wir sind im Austausch mit dem Land und der Polizei, um abzustimmen, wie wir eine Ausgangssperre, wenn sie kommt, in Köln wirksam durchsetzen“, sagt Andrea Blome, Leiterin des städtischen Krisenstabs.

Erfahrungen mit Ausgangssperren haben weder Stadt noch Polizei und somit keine Prognose, wie die Bevölkerung damit umgeht. Entsprechend zurückhaltend und abwartend gibt man sich im Präsidium. „Wir werden die Reaktion der Bevölkerung auf eine Ausgangssperre beobachten. Ich gehe zunächst einmal davon aus, dass alle den Ernst der Lage realisiert haben und sich an die Vorgaben halten“, sagt Polizeipräsident Uwe Jacob.

Anders als etwa jüngst nach der Sperrung des Rheinboulevards setzt die Polizei also vorerst nicht auf den Abschreckungseffekt und verstärkte Präsenz auf den Straßen während der Sperrzeiten. „Wir brauchen nicht mit Hundertschaften durch die Stadt zu fahren, wenn sich alle an die Regeln halten“, erklärt Polizeisprecher Wolfgang Baldes. Man könne schließlich nicht im Vorhinein den Menschen unterstellen, dass sie die Ausgangssperre brechen. Auf dem Rheinboulevard habe die Polizei schließlich auch deshalb so starke Präsenz gezeigt, weil eben in den Vorwochen genau dort massiv Regelbrüche zu beobachten waren.

Vorerst nicht mehr Polizei auf den Straßen

Sollte es Einsätze wegen Verstößen gegen die Ausgangssperren geben, will die Polizei die zunächst mit dem geplanten Personal bewältigen. Auch Stichproben soll es weiterhin geben. Wenn die Menschen zuhause blieben, fielen Einsätze weg, die die Polizei normalerweise abends und nachts beschäftigten, sagt Jacob. „Wir hätten damit bei unverminderter Personalstärke Freiräume, um uns um die Menschen zu kümmern, die sich nicht an die Ausgangssperre halten.“

Das bisherige Konzept stößt allerdings dann an seine Grenzen, wenn sich ein Großteil der Kölner trotz der Sperre nachts draußen aufhält. Angesichts der Jahreszeit mit Sonnenschein teils bis nach 21 Uhr scheint das zumindest nicht ausgeschlossen. Der Polizeipräsident hält sich daher noch eine Tür offen und kündigt für den Fall an: „Falls die dies in größerem Umfang geschehen sollte und Appelle nicht die gewünschte Wirkung erzielen, werden wir mit der Stadt weitere Maßnahmen abstimmen.“

Blome für bundesweite Notbremse

Blome befürwortet eine bundesweit geltende Notbremse und hofft, dass sie „nun schnell beschlossen wird und in Kraft tritt, denn die Lage auf den Intensivstationen lässt nicht zu, dass wir auf wirksame Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens lange warten können.“

Von der Sinnhaftigkeit der Ausgangssperren ist Blome überzeugt: „Wir brauchen einen schnellen Effekt der Ausgangssperre, die wesentlich dazu beitragen wird, gesellschaftliche Kontakte weiter zu reduzieren.“ Die Krisenstabsleiterin hatte am Montag im Hauptausschuss „sofortiges Handeln auf Landesebene“ gefordert. Nun bekommt sie aller Voraussicht nach sogar ein Handeln auf Bundesebene.

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Die Ausgangsbeschränkungen hält Prof. Horst Kierdorf, Klinischer Direktor der Städtischen Kliniken, indes für „etwas Symbolisches.“ Dass Menschen nicht aus der eigenen Wohnung gehen, „bringt an sich wenig bis gar nichts“, sagt der Mediziner. Aber er befürwortet die Maßnahme dennoch: „Die privaten Kontakte sind die Hauptursache der wieder aufflackernden Pandemie, daran gibt es keinen Zweifel.“ Die Ausgangssperre führe „zu weniger privaten Kontakten – und hat eine klare Signalwirkung.“

Knapp zehn Prozent der Bewegungen nachts

Bei der Sitzung des Hauptausschusses zitierte Krisenstabsleiterin Blome eine gemeinsame Studie des Robert-Koch-Instituts und der Humboldt-Universität Berlin, die die Wirkung von Ausgangssperren auf die Mobilität der Menschen anhand von Mobilfunkdaten untersucht hat. Demnach bewegten sich im Untersuchungszeitraum, dem Monat März, die meisten Personen tagsüber zwischen sechs und 20 Uhr. Nachts zwischen 22 und 5 Uhr finden laut Studie nur 7,4 Prozent der Bewegungen eines Tages statt. Weitet man den Zeitraum auf 21 bis 5 Uhr aus, wie es das Kabinett nun beschlossen hat, liegt der Anteil der Mobilität bei 9,7 Prozent. Die Wissenschaftler weisen jedoch darauf hin, dass bei einer Ausgangssperre nicht alle Bewegungen in der betroffenen Zeitspanne automatisch wegfallen, da vermutlich einzelne Wege „auf den Zeitraum außerhalb der Ausgangssperre verlagert“ würden.

Neben den Ausgangssperren sieht der neue Paragraf 28b des Infektionsschutzgesetzes vor, dass private Treffen im öffentlichen oder privaten Raum nur für Angehörige eines Haushalts und höchstens einer weiteren Person gestattet sind, Kinder bis 14 Jahren werden nicht mitgezählt. In Köln ist diese Regelung bereits in Kraft. Die bisher schon geltenden Corona-Beschränkungen in Köln bleiben bestehen. So gilt in verschiedenen Stellen der Stadt eine Maskenpflicht, an Hotspots wie dem innerstädtischen Rheinufer, dem Brüsseler Platz oder der Altstadt hat die Stadt zusätzlich Alkohol- und teilweise Verweilverbote ausgesprochen. Bis auf Ausnahmen wie Lebensmittelgeschäfte, Drogeriemärkte, Tankstellen, Kioske oder Tierbedarfshandlungen darf der Einzelhandel nur per „Click and Collect“ seine Waren verkaufen, körpernahe Dienstleistungen wie Frisörbesuche sind nur mit negativem Corona-Test möglich. Restaurants, Kneipen und Imbiss bleiben geschlossen, die Lieferung von Speisen und der Außer-Haus-Verkauf erlaubt. Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen dürfen ebenfalls nicht öffnen. Die meisten Schüler bleiben, so hat es die Landesregierung beschlossen, im Distanzunterricht.

In anderen Bundesländern gelten Sperrstunden bereits

In Nordrhein-Westfalen haben bislang nur vereinzelt Gemeinden Ausgangssperren verhängt. Landesweite Sperrstunden hat die NRW-Regierung noch nicht ausgesprochen - im Gegensatz zu manch anderen Bundesländern. In Baden-Württemberg, Hamburg und Rheinland-Pfalz etwa gilt die nun angekündigte bundesweite Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr ab einer Inzidenz von 100 bereits jetzt. Bayern macht zwischen 22 und 5 Uhr dicht, die Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern können das zwischen 21 und 6 Uhr machen.

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Menschen in anderen Staaten haben schon einige Erfahrung mit Corona-Sperrstunden. In Frankreich gilt eine Ausgangssperre sogar von 19 bis 6 Uhr. Man darf das Haus nur aus triftigem Grund verlassen, etwa um zur Arbeit oder zum Arzt zu gehen. Wer mit dem Hund Gassi gehen möchte, darf sich nur im Radius von einem Kilometer um seinen Wohnort bewegen. Man muss ein Zertifikat bei sich führen, auf dem man den Grund seines Wegs während der Sperrstunden vermerkt. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss zwischen 135 und 3750 Euro Strafe zahlen.

Italien hat eine landesweite Ausgangssperre von 22 bis 5 Uhr verhängt, die Niederlande von 22 bis 4.30 Uhr. In Spanien gelten in vielen Gebieten nächtliche Ausgangssperren, etwa auf den Balearen, in Katalonien, Andalusien oder im Großraum Madrid. Auch die Türkei, Marokko, Argentinien oder die kanadische Provinz Quebec wollen mit diesem Mittel die Infektionszahlen senken.

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