Kuriose DoppelrolleWas ein Kölner Bütttenreder im deutschen Bundestag macht

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Schofför der Kanzlerin: Jens Singer

Köln – Das fünfte Kölner Krätzjer-Fest zeigt kölnische Lied- und Musikkultur außerhalb des Fastelovends – mit 35 Bands und Interpreten bei 20 Konzerten und anderen Veranstaltungen bis 24. Oktober. Eröffnet wird es von Jörg P. Weber, King Size Dick und Martin Schopps am kommenden Freitag, 1. Oktober, im Domforum.

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Das 5. Kölsche Krätzjer-Fest eröffnet mit Martin Schopps, Jörg PP. Weber und King Size Dick.

Eine Woche später gibt es „Krätzjer, Pop und jecke Verzäll“ (Kääzmanns, Subbelrather Str., 15 Euro) unter anderen mit Jens Singer, seit 20 Jahren Regierungsdirektor im Berliner Parlamentssekretariat, und als „Dä Schofför“ bekannter Redner im Kölner Karneval. Wir haben mit ihm am Telefon gesprochen.

Herr Singer, Sie sind beim Kölschen Krätzjer-Fest dabei. Singen Sie jetzt?

Keine Angst, das werde ich keinem antun, ich darf öffentlich höchstens im Stadion singen. Wolfgang Löhr von den „Zwei Hillije“ hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihnen und  „Kappes un Co.“ einen  Abend zu gestalten. 

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Auch das Duo "Zwei Hillije" ist am Abend mit Jens Singer im Kääzmanns dabei.

Die aktuelle Beliebtheit der Krätzjer ist  ja auch als Abgrenzung  gegen Partysound und Mitgrölen zu sehen. Da werden zu leisen Tönen humorvoll kleine Geschichten aus dem Leben erzählt. Krätzjer sind liebevolle Blicke auf das Menschliche, Beobachtungen am Rande. Das ist etwas, was mir in meinen Reden bestenfalls auch gelingt. Von daher passt das. Natürlich werde ich auch ein bisschen über Berlin erzählen. Ist  spannend hier gerade nach der Wahl.

Ihre Redner-Type ist ja „Dä Schofför der Kanzlerin“...

Anfangs nur „Dä Schofför“. Das mit der Kanzlerin war ein Tipp von Henning Krautmacher bei der Proklamation 2013, das ist gut angekommen.

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Erstes gemeinsames Konzert, obwohl sie sich aus der Schule kennen: Björn Heuser und Max Biermann

Werden Sie jetzt arbeitslos?

Nein, dann fahre ich eben den Kanzler. In der Realität werden die Fahrer natürlich nicht übernommen. Frau Merkel behält Fahrer und Büro. Aber die Vorstellung ist doch schön, dass wie in einem Taxi nur der Fahrgast wechselt.

Trauern Sie Angela Merkel nach?

Die Figur ist so angelegt, dass die protestantische Frau aus dem Osten als Chefin ein doch sehr starker Kontrast ist zu dem katholischen,  rheinländischen Befehlsempfänger. Aus dem Spannungsbogen habe ich versucht, Komik zu erzeugen.

Dann wird sich bei einem Kanzler Olaf Scholz ja nichts ändern.

Na ja, er ist weder Frau noch Ostdeutscher, ein Osnabrücker, der lange in Hamburg war – klar, da geht  einiges, aber das ist nicht dasselbe. Zumal man über eine Frau nicht so Witze machen kann wie über einen Mann. Baerbock wäre ein echtes Problem geworden, weil es schnell was hat von dem alten, weißen Mann, der über eine junge Frau ablästert. Das mag ich persönlich gar nicht. Wie es in Berlin weitergeht, weiß keiner gerade, deshalb knöpfe ich mir alle Parteien vor. Und dass Frau Merkel mit Herrn Sauerbraten Händchen haltend auf dem Sofa sitzt, kann sich ja auch keiner vorstellen.

Programmtipps Kölner Krätzjer-Fest

Ein Abend für Hans Knipp,  der vor zehn Jahren gestorben ist und dieses Jahr 75 geworden wäre: De Knippschaff  ehrt den großen Texter und Komponisten am 4. Oktober im Stapelhaus (Frankenwerft, 15 Euro), mit dabei Bömmel Lückerath von den Bläck Fööss und deren Ex-Sänger Kafi Biermann. L’chaim – Op et Levve: Feine kölsche Krätzjer-Kunst mit Aap futü trifft auf Klezmer-Klänge von Klarinettist Bernd Spehl (16. Oktober, 16 Euro) – und das in der ehemaligen Quarantäne-Station eines jüdischen Krankenhauses in der Annostraße, wo heute das Musikhaus Süd residiert. Die Schiffstour mit der Ahl Kamelle Band von Loss mer singe am 5. Oktober  wird verlegt auf die größere MS Rheinfantasie, dadurch gibt es zusätzliche  Karten (27 Euro inkl. dreistündiger Rundfahrt) und mehr Platz für die Gäste. Erstmals dabei als Veranstaltungsort ist das  „Casino“ der Gaststätte Zum Jan in der Thieboldsgasse: am 2. Oktober spielen Drei Ahle un ne Zivi auf, als Gast Dave Zwieback (15 Euro). Zwei kostenlose Abende bietet das Domforum: Musikalische Stadtgeschichte mit Günter Schwanenberg (11. Oktober) und „Jeck om Vulkan – Ein Talk über Kölsche Musik in den 1920er Jahren“ (14. Oktober).   Björn Heuser und Max Biermann geben ihr  erstes gemeinsames Konzert  – obwohl sie zusammen in der Schule waren. „Höösch, kölsch un zom Zohüre“ (Haxenhaus, Frankenwerft, 18 Euro). 2x jeimpf & 3x Alaaf – am Eijelstein es Musik unter dem Motto „zohöre – metdenke – avlaache“ mit Quetsch& Flitsch (Walter Oepen und Wolfgang Seyffert sowie dem Dreimannquartett. Am 19. Oktober  „Em Kölsche Boor“ (16 Euro). Alle Preise zzgl. VVK-Gebühren. (stef) Alle Termine unter www.koelnerkraetzjerfest.de

Beim Krätzjer-Fest werden wir also einen vorgezogenen politischen Aschermittwoch erleben?

(lacht) Nicht nur, ich habe auch unpolitische Elemente. Ich freue mich drauf,  das wird gut zusammengehen mit der Musik der Kollegen.

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Krätzjer vom Feinsten: Quetsch & Flitsch und das Dreimannquartett (u.)

Haben Sie ein Lieblingskrätzje?

Als Kind haben mich immer die Krätzjer von Hans Süper und Hans Zimmermann, dem Colonia-Duett, fasziniert. Diese Verbindung aus Musik und Humor, Geschichten mit einer Wendung, die einen mit einem Lächeln zurücklassen. Übrigens etwas, was auch die großen Lieder der Bläck Fööss ausmacht. „Kaffeebud“ etwa, da wird eine Szenerie beschrieben, die jeder kennt, und zu lachen gibt es auch was. Das macht mir Spaß. Dieses Augenzwinkernde, der Kölsche sagt „grielächern“.

Etwas, was Sie auch in Ihren Reden versuchen umzusetzen.

Genau, daran arbeite ich. Und für unseren speziellen Abend ist ja auch die Frage, wie man Krätzje definiert: Darf das nur unterlegt sein mit Quetsch, Gitarre oder Flitsch? Muss das in einem bestimmten Versmaß daherkommen? Das ist ein bisschen wie Leverkusener Jazztage. Puristen meckern dann, das sei doch schon Rhythm’n’Blues und kein Jazz mehr.  Aber wo zieht man die Grenze? Ich hoffe, dem Publikum wird es gefallen.

Wer wird Sie  in den nächsten vier Jahren am meisten beschäftigen?

Gute Frage (zögert). Mit jeder Stunde mehr läuft es auf jemanden hinaus, der in Osnabrück geboren wurde und lange in Hamburg war. Aber ob der vier Jahre durchhält, weiß ich nicht.

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