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Streit der WocheWie soll die Zukunft des Belgischen Viertels in Köln aussehen?

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Stephan Hinz ist Inhaber der Bar Little Link auf der Maastrichter Straße.

  • Regelmäßig stellt sich unsere Redaktion einer Streitfrage. Diesmal: Wie soll die Zukunft des Belgischen Viertels aussehen?
  • Gabriele Schwietering (Anwohnerin) und Stephan Hinz (Wirt) diskutieren, ob der Stadtrat einen Bebauungsplan beschließen soll, um weitere Gastronomie zu verhindern.
  • Ja, sagt Gabriele Schwietering: Die Veränderung der kommerziellen Struktur, die „Ausgehbewirtschaftung“ im Belgischen Viertel, hat das Viertel nicht vielfältiger, sondern teurer und langweiliger gemacht.
  • Nein, sagt Stephan Hinz: Der Bebauungsplan wird in der jetzigen Form Probleme wie Müll und Lärm nicht beseitigen, sondern verstärken.

Köln – Vorweg: Diese Debatte hat nichts mit Corona oder den Folgen der Pandemie zu tun. Es geht um mehr als zehn Jahre alte Probleme im Belgischen Viertel, langjähriges Gezerre, den Streit um Kneipen- und Partylärm und die damit einhergehende Gentrifizierung in einem großen innerstädtischen Wohnviertel. Die Menschen ziehen weg vom Brüsseler Platz. Die kleinen Geschäfte für die Dinge des täglichen Lebens, der Metzger, der Blumenladen, die Apotheke, der Gemüsehändler, die Reinigung, – sie alle sind schon weg. Selbst die Galerien, die im Belgischen Viertel ansässig waren, gehen.

Gekommen sind Kneipen, Clubs, Tapas-Bars, Restaurants, Imbisse, Kioske rund um die Kirche, dazu schicke Modeläden, Werbeagenturen und Menschen mit Ausgehlaune. Die Kirche St. Michael ist jetzt Event-und Partylocation.

Die Veränderung der kommerziellen Struktur, die „Ausgehbewirtschaftung“ im Belgischen Viertel, hat das Viertel nicht vielfältiger, sondern teurer und langweiliger gemacht. Die von den Gastronomen so beschworene Diversität und Kreativität verschwindet geradezu täglich. Es droht eine Gastro-Monokultur.

Alles zum Thema Brüsseler Platz

Die Menschen, die im Viertel wohnen geblieben sind, vermissen mehr und mehr ihr lässiges, kulturell lebendiges, liebenswertes Stadtquartier rund um den Brüsseler Platz. Letztendlich geht es darum, das „Recht auf Stadt“ leben zu können, vielfältig und offen, Wohnraum und schöne Ecken zu erhalten, mittendrin und doch entspannt, nicht verdrängt zu werden. In unserem Viertel soll Wohnen, Arbeiten, Grün, Kultur, und Freizeit am besten an einem Ort möglich sein. Geld verdienen mit Gaststätten ist das Eine, die Frage wie gutes Stadtleben funktioniert das Andere.

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Es geht darum, die Privatisierung und Kommerzialisierung von öffentlichem Raum zu reduzieren, die Übernutzung von einem Stadtgebiet und den Ausbau zu einem Vergnügungsviertel mit immer mehr Gastronomie und Partyrummel zu stoppen.

Und da setzt der Bebauungsplan an. Es ist der Versuch einen Konsens herzustellen, ein Konzept, das den Streit, um die Nutzung der Stadt im Belgischen Viertel in Bahnen lenken will. Wohnraum soll nicht mehr umgewandelt werden können in Geschäftsräume. Es sollen einfach nicht noch mehr Gaststätten ins Viertel kommen. Die Betriebe, die da sind, haben Bestandsschutz. Sie sollen die gesetzlich festgelegten Regeln einhalten. Nichts ist falsch an diesem Bebauungsplan.

Über die Autorin: Gabriele Schwietering ist Architektin und Mitglied der Bürgerinitiative Maastrichter Straße.

Contra: Ich kann den Frust einiger Anwohnerinnen und Anwohner verstehen...

Das Viertel wird mit seiner zentralen Lage ein beliebter Anlaufpunkt bleiben, trotz Bebauungsplan. Man kann nur ahnen, wie sehr sich die Situation in den unregulierten Außenbereichen verschlimmert, wenn die Gastronomie als Aufenthaltsangebot wegfällt. Das betrifft Müll und Toiletten genauso wie die Lautstärke. Denn die Bars und Restaurants bieten ihren Gästen nicht nur sanitäre Anlagen. Auch die jeweilige Gruppengröße ist in der Gastronomie begrenzt, was der Lautstärkeentwicklung entgegenwirkt.

Doch die vielen kleinen Händler, die Bars, Kneipen, Restaurants und Cafés im Viertel stehen für mehr als eine Alternative zur Parkbank. Wir sprechen hier vom Erhalt kultureller Vielfalt. Köln hat in den letzten Jahren bereits zahlreiche Orte verloren, die die Stadt attraktiv gemacht haben – ob Odonien, Jack in the Box oder Heinz Gaul. Wenn wir jetzt weitere lebendige Viertel durch unüberlegte Beschlüsse ihrer Vielfalt berauben, geben wir das auf, was unsere Stadt ausmacht.

Genau wie Kinder Plätze zum Spielen brauchen, brauchen Erwachsene Orte, die einen Ausgleich zum Arbeitsalltag schaffen. Orte, an denen man gemeinsam genießen und die Zeit vergessen kann. Die Diversität, die wir zurzeit noch im Zentrum dieser Stadt haben, dürfen wir nicht leichtfertig verspielen. Viele der Händler und Gastronomen, die aufgrund des Bebauungsplans ihre Betriebe nicht mehr ökonomisch sinnvoll weiterführen können, werden für immer schließen müssen.

Nicht nur wegen Corona werden immer mehr Kölnerinnen und Kölner in den nächsten Jahren von zu Hause aus arbeiten. Das gehört zu den natürlichen Folgen einer digitalisierten Arbeitswelt. Umso wichtiger ist es, das direkte urbane Umfeld als lebendigen und auch lebenswerten Ort zu erhalten. Das sehen zum Glück auch viele Menschen so, die im Belgischen Viertel leben. Es ist Aufgabe der Politik, die Bedürfnisse dieser Menschen ernst zu nehmen und die kulturelle Vielfalt in unserer Stadt zu erhalten.

Über den Autor: Stephan Hinz ist Barkeeper und Inhaber der Bar Little Link in der Maastrichter Straße.

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