GeflüchteteUkrainer zu Gast in Familien – Kölner Caritas warnt vor Überforderung

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Eine ukrainische Familie zu Gast bei einer Familie in Düsseldorf.

Eine ukrainische Familie zu Gast bei einer Familie im Rheinland.

Die Mehrheit ukrainischer Geflüchteter lebt in Deutschland in privaten Unterkünften. Die Gastgeber bräuchten Beratung und Begleitung, so die Caritas.

Angesichts wachsender Probleme unterschiedlicher Art warnt die Caritas Deutschland davor, die privaten Gastgeber ukrainischer Geflüchteter mit ihren Sorgen allein zu lassen. „Im Moment stellen gerade die steigenden Energiekosten ein großes Problem dar“, sagte Irene Porsch, Flüchtlingsbeauftragte der Caritas im Erzbistum Köln, im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND, „Kölner Stadt-Anzeiger“).

Zwar gäbe es für Gas und Strom staatliche Zuschüsse beziehungsweise Preisdeckel, diese würden aber angesichts der allgemeinen Inflation nicht ausreichen, erläuterte Porsch. Das ohnehin nicht einfache Zusammenleben von zwei oder mehreren Familien unter einem Dach werde durch die Kostenexplosion noch zusätzlich erschwert.

Gäste aus der Ukraine „nicht einfach Untermieter“

„Verschiedene Kommunen bieten zwar auch Unterstützungen an, aber die Gastgeber- und die Flüchtlingsfamilien müssen sich immer durchfragen, um herauszufinden, wie man diese Hilfen auch bekommt“, erläuterte die Flüchtlingsbeauftragte. In Nordrhein-Westfalen hätten einzelne Kommunen auch Zuschüsse in Aussicht gestellt, bisher leider mit wenig Konkretisierungen.

Der Deutsche Caritasverband, der Wohlfahrtsverband der römisch-katholischen Kirche, teilt mit, es sei bereits jetzt zu erleben, dass sich Menschen, die Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen haben, überfordert fühlten. „Helfende müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie nicht einfach Untermieter oder Feriengäste aus dem Ausland aufnehmen, sondern Menschen, die durch den Krieg oft Traumatisches erlebt haben und in Sorge um ihre dort verbliebenen Angehörigen sind“, sagte Irene Porsch.

Hinzukämen oft unterschiedliche Vorstellungen vom Zusammenleben in einer Wohngemeinschaft: wie oft wird pro Tag gekocht, wie lange läuft der Fernseher oder wer benutzt wann Bad und Toilette. „Die einen gehen den ganzen Tag arbeiten oder zur Schule und in den Kindergarten, die anderen verbringen gezwungenermaßen viel Zeit zu Hause. Da entstehen Spannungen und dann kracht es auch mal“, hat Porsch beobachtet.

In Köln gibt es eine Anlaufstelle für Gastgeber bei der Caritas

Die Caritas versucht hier anzusetzen und zu helfen und hat dazu inzwischen bundesweit an 20 Standorten - zum Beispiel in Köln, Chemnitz oder Wuppertal - Anlauf- und Beratungsstellen für private Gastgeber und für Geflüchtete in Privatunterkünften eingerichtet.

Dort geht es um Mediationen bei Konfliktsituationen ebenso wie um die Weitervermittlung von Geflüchteten an zuständige Ämter bei der Beantragung von Sozialleistungen oder psychologischer Betreuung.

„Ein großes Thema ist auch die Suche nach Kitaplätzen“, weiß Irene Porsch zu berichten. Allerdings würden dabei inzwischen auch die Caritasberatungsstellen an ihre Grenzen stoßen, weil es bundesweit einfach nicht genug Kita- und Schulplätze gäbe.

Nach einer im Dezember vorgestellten Studie von vier großen deutschen Institutionen, sind 80 Prozent der über eine Million in Deutschland lebenden Geflüchteten aus der Ukraine Frauen. Knapp die Hälfte von ihnen lebt mit einem minderjährigen Kind.

Kaum Platz auf dem regulären Wohnungsmarkt

Nach der Befragung, an der über 11 000 geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer teilnahmen, leben 74 Prozent in privaten Unterkünften, entweder bei Bekannten, bei Gastfamilien oder bereits in eigenen Wohnungen.

Die restlichen 17 Prozent leben demnach in Hotels oder Pensionen und neun Prozent in Gemeinschaftsunterkünften. Nach den Worten von Irene Porsch gibt es im Erzbistum Köln eine große Zahl von Gastgebern, die schon seit März oder April letzten Jahres Geflüchtete beherbergen.

Für sie werde es jetzt immer schwieriger, ihren Gästen bei der Suche nach eigenem Wohnraum zu helfen, weil der kommunale Wohnungsmarkt inzwischen kaum noch freie Kapazitäten hat. Zudem stelle die alternative Wohnraumsuche die Gastgeber häufig auch vor moralische Probleme, weil niemand Geflüchtete in schlechtere Wohnverhältnisse drängen möchte.

„Die private Unterbringung wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen“, ist sich Irene Porsch sicher, „weil der Wohnraum in vielen Kommunen knapp ist.“ Zudem geht der Deutsche Caritasverband davon aus, dass die Zahl der Flüchtenden aus der Ukraine aufgrund der Intensivierung des brutalen russischen Angriffskriegs weiter steigen wird.

Hier sei auch die Bundesregierung gefragt, möglichst rasch Lösungen für den Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu finden.

Mit Blick auf die Gastgeberfamilien betonte Porsch, diese seien häufig für die Geflüchteten erster Ansprechpartner für alle möglichen Fragen, dürften damit aber nicht allein gelassen werden. „Die Gastfamilien brauchen fachliche Unterstützung, damit die private Aufnahme von Geflüchteten gelingen kann. Der Bedarf an Beratung ist sehr groß, das wissen wir aus unseren Anlaufstellen“, sagte die Flüchtlingsbeauftragte.

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