Dreck in KölnWas die Stadt gegen ihr Schmuddel-Image tun will

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Müll in Köln

Mülleimer am Kölner Rheinenergie-Stadion

  • In der Online-Umfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben die User die Sauberkeit als fünftgrößtes Problem der Stadt benannt.
  • Wir haben AWB-Sprecher Wilfrid Berf gefragt, was die Stadt gegen den Dreck unternimmt.
  • „Vorneweg steht das Verhalten der Menschen, denn die Abfälle kommen ja irgendwo her“, so Berf.

Köln – Kaugummis. Es müssen Millionen und Abermillionen sein, die auf Bürgersteigen und Straßen kleben, ausgespuckt aus Bequemlichkeit und weil es auf den einen mehr oder weniger längst nicht mehr ankommt. Dummerweise und im Gegensatz zu beispielsweise Zigarettenkippen und Papier lässt sich die Kaumasse ohne größeren Aufwand nicht mehr entfernen. Denn der größte Anteil der Masse besteht aus Kunststoffen wie Polyisobutylen und Polyvinylacetat. So klein jeder einzelne Kaugummifleck ist, er trägt zur Verschmutzung des öffentlichen Raums bei.

Kölner stören sich an der Unsauberkeit

Kaum jemand käme auf die Idee, Köln als eine ausnehmend saubere Stadt zu bezeichnen. Andererseits: Sind die öffentlichen Flächen so stark verdreckt, dass nicht nur Reinlichkeits-Fanatiker Grund haben, sich zu ärgern? Klinische Sauberkeit wie in Singapur, durchgesetzt mit horrenden Strafen für Müllsünder, ist das überhaupt erstrebenswert? In der Online-Umfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, an der sich rund 20.000 Leserinnen und Leser beteiligt haben, wurde das Thema Sauberkeit jedenfalls als fünftgrößtes Problem der Stadt benannt – was zumindest belegt, wie viele Menschen sich an dem Erscheinungsbild der Straßen, Plätze und Parks stören.

„Vorneweg steht das Verhalten der Menschen, denn die Abfälle kommen ja irgendwo her“, sagt Wilfried Berf, der Pressesprecher der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB). Das städtische Unternehmen ist für das Reinigen der öffentlichen Flächen zuständig.

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Die „Ansprache der Bürgerinnen und Bürger“ ist eines der Mittel, mit denen die AWB gegen die Verschmutzung vorgeht. Fünf ausgebildete Pädagogen besuchen Schulen, Kindergärten und Vereine, um für ein umweltfreundliches Verhalten zu werben. Auf die Art erreiche die Gruppe jährlich mehr als 15.000 Kinder und Jugendliche. Erzieherische Wirkung erziele man zudem mit der Aktion „Kölle putzmunter“, bei der sich Tausende Menschen einen Tag lang ehrenamtlich als Müllsammler betätigen. „Wir wollen vermitteln, dass es ein Wert an sich ist, seine Stadt sauber zu halten“, sagt Berf.

Grillen und Trinkrunden im Sommer

Allgemeine Entwicklungen erschweren den Kampf gegen die Abfallflut. Bei schönem Wetter verlegen die Kölner ihre Wohnzimmer ins Freie. Grillen im Park, Chillen auf dem Brüsseler Platz – wo zu Tausenden gefeiert wird, fällt jede Menge Abfall an. Massenveranstaltungen wie das Feuerwerk Kölner Lichter, der Straßenkarneval und die Weihnachtsmärkte lassen den Müllberg weiter wachsen. Das ist die Kehrseite einer Stadt, die sich selber als Event-Zentrum sieht.

Kaffeebecher aus Pappe und Fast-Food-Schachteln tragen zur Verschmutzung bei. Und das, obwohl die Abfallwirtschaftsbetriebe die Zahl der Papierkörbe seit 2001 mehr als verdoppelt hat. Damals gab es rund 8000 Behälter. Heute sind es mehr als 20.000. Offensichtlich ist das Entsorgungsnetz für eine ganze Reihe von Zeitgenossen immer noch nicht dicht genug.

Mülldetektive im Einsatz

Um gegen das rechtswidrige Ablagern von Sperrmüll vorzugehen, beschäftigen die AWB Mülldetektive. Die versuchen, die Verursacher zu ermitteln. Sofern das gelingt, kann das Ordnungsamt Bußgelder verhängen. Die Strafen erreichen je nach Umweltgefährdung und Entsorgungsaufwand eine vierstellige Höhe.

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Die Abfallwirtschaftsbetriebe werden durch Müllgebühren und Straßenreinigungsgebühren gespeist. Wie viel ist es der Stadtgesellschaft wert, noch mehr Papierkörbe zu finanzieren, noch mehr Personal , das Müllsündern hinterher kehrt?

Anders als viele Residenzstädte glänzte die Bürgerstadt Köln bis auf wenige Ausnahmen nie mit einer Planung, die wie aus einem Guss wirkt. Uneinheitliche Architektur, noch immer nicht geschlossene Kriegswunden, ein Wirrwarr an Wegweisern, ein Durcheinander an Pollern und Betonkübeln, Reklameschilder in allen Größen und Farben – die Innenstadt erscheint alles andere als aufgeräumt. Eine solche Umgebung erzeugt wohl kaum das Gefühl, eine weggeworfene Zigarettenkippe könne noch irgendetwas verschlimmern. Das Zentrum zu entrümpeln ist unverzichtbar, wenn die Stadt ihr Schmuddel-Image ablegen will.

Und die Kaugummis. Es könne bis zu 20 Euro kosten, einen einzigen Quadratmeter Asphalt von der plattgetretenen Masse zu befreien, heißt es. Da lässt man sie notgedrungen kleben. Für Abhilfe könnte die TH Köln sorgen. Deren Institut für Allgemeinen Maschinenbau forscht an einem Straßenreiniger, der Kaugummis und Ölspuren mit Ultraschall entfernen kann. Erste Alltagsversuche haben bereits begonnen – auf dem Hochschulgelände in Gummersbach, das mit Kaugummis übersät ist.

Ideen für die Zukunft

Aktionsjahr Sauberes Köln

Die Verwaltung und die AWB starten immer wieder mal Kampagnen für eine saubere Stadt. Wie wäre es, wenn die Verwaltung ein Aktionsjahr ausrufen würde, in dem besonders viel Geld für die Reinigung zur Verfügung steht? Damit könnten unter anderem Zeitarbeitskräfte eingestellt werden, die die Mannschaft der Abfallwirtschaftsbetriebe ergänzen. Ziel müsste es sein, mindestens einen Teil der Innenstadt in einen absolut sauberen Zustand zu bringen und dann auch zu halten. Im besten Fall ginge von der Aktion ein Impuls aus, der auch zu Verbesserungen in anderen Quartieren führt. Derartige Aktionen ließen sich auf andere Stadtteile ausweiten. Die Kölner würden ihre Innenstadt einmal sauber erleben. Ob sie sich davon genügend beeindrucken ließen, um ihr Abfallverhalten zu ändern?

Erziehung zu umweltbewusstem Verhalten

Die Aktion „Kölle Putzmunter“ könnte ein Vorbild sein. Schulen und  Kindergärten  sollten sich an der Reinigung öffentlicher Flächen beteiligen; nicht um die Stadtverwaltung und die Abfallwirtschaftsbetriebe aus der Pflicht zu entlassen, sondern um  Umweltbewusstsein und Verantwortungsgefühl zu stärken. Denkbar wären freiwillige Projekttage. Die Umwelt-Pädagogen, die im Auftrag der Abfallwirtschaftsbetriebe Bildungseinrichtungen besuchen, sind ein guter Ansatz. Gleichwohl bleibt es zu allererst Aufgabe der Eltern, mit gutem Beispiel voranzugehen. 

Pfandsystem ausbauen

Wo  Appelle an die Vernunft nicht helfen,  kann der Umweg über das Geld nützlich sein. Das Pfandsystem sollte  deshalb so weit wie möglich ausgebaut werden. Wer Einwegbecher für den Kaffee zum Mitnehmen bevorzugt,  der sollte dann auch mehr bezahlen als derjenige, der sich seine Tasse  mitbringt. So hat es jeder Kunde selber in der Hand, ob es für ihn teurer wird. Das bei Getränken bewährte  Pfandmodell  für Mehrwegflaschen hat einen weiteren Vorteil: Es werden weniger Verpackungen hergestellt. 

Mehr soziale Kontrolle

Die Stadt sauber zu halten, ist eine  Gemeinschaftsaufgabe. Diejenigen, bei denen das Unrechtsbewusstsein nur unzureichend  ausgebildet ist, sollten auf ihr Fehlverhalten hingewiesen werden; nicht nur von den Bediensteten des Ordnungsamtes, sondern auch von Bürgern, die das achtlose Wegwerfen von Abfall mitbekommen. Ein freundlicher Hinweis – mehr ist gar nicht gefragt, um jemandem zu signalisieren, dass   seine Bequemlichkeit bei anderen nicht so gut ankommt.

Das läuft bereits

Die AWB in Köln kämpft gegen Sorglosigkeit und Ignoranz.

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Die Stadtverwaltung hat die Reinigung der Straßen, der Grünstreifen, der Parks und so gut wie aller weiteren öffentlichen Flächen den Abfallwirtschaftsbetrieben übertragen. Dadurch wurde die Arbeit gebündelt. Das Säubern von Wänden und Decken städtischer Unterführungen und Tunnels gehört ebenfalls dazu.

Grillscouts unterwegs

Um die Vermüllung der Grünanlagen einzudämmen, setzen die AWB sogenannte Grillscouts ein. Bei schönem Wetter sind acht Zweier-Teams unterwegs, um die Menschen in den Parks zu motivieren, die von ihnen genutzten Flächen sauber zu hinterlassen. Sie verteilen beispielsweise „After-Müll-Büggels“, das sind kostenlose Abfallsäcke. Zur Entsorgung von Picknick-Abfällen sind stadtweit 26 Unterflurbehälter in den Boden eingelassen worden, fünf davon allein am Aachener Weiher. In den größeren der Kölner Parkanlagen gibt es darüber hinaus spezielle Behälter für Grillasche. Von den rund 6500 Papierkörben auf Spielplätzen und in Grünanlagen verfügen mehr als 500 über einen Hundekottütenspender.

An Wochenenden und Feiertagen sind insgesamt 45 Mitarbeiter im Einsatz, um beliebte Grünflächen zu reinigen.

High-Tech-Tonnen

Testweise haben die AWB im vorigen Jahr elf Abfallbehälter der jüngsten Generation angeschafft. Die mit Sonnenenergie betriebenen „Solar-Press-Haie“ pressen den Müll bis auf das Siebenfache zusammen und zeigen ihren Füllstand an. Eine der High-Tech-Tonnen kostet 10.000 Euro. An den Ringen wurde unlängst ein Pilotprojekt gestartet. Der Abschnitt zwischen dem Rudolfplatz und der Ehrenstraße wurde entrümpelt und besonders gründlich gereinigt. Verteilerkästen für das Strom- und Telefonnetz, Straßenlaternen und die Abfalleimer wurden grau gestrichen und mit einer transparenten Schutzschicht versehen. Werden sie beschmiert, lässt sich die Farbe mit etwas Wasser einfach abwischen. Aufkleber haften erst gar nicht. Laut Stadtraummanagerin Susanne Flau gibt es viel Zuspruch für die Aktion.

Ein hauptamtlicher Kümmerer bei den Abfallwirtschaftsbetrieben nimmt Missstände aller Art auf und lässt sie beseitigen. Sollte die Testphase positiv verlaufen, will die Stadtverwaltung das Projekt auf die gesamten Ringe ausweiten. 

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