Die Staatsanwaltschaft will Sicherungsverwahrung für den 24-Jährigen. Alle Details lesen Sie hier.
„Drogenkrieg“Prozess um Schlüsselfigur Sermet A. – Mammut-Aufgabe für Kölner Justiz

Auch die Sprengstoffexplosion im September 2024 an einem Geschäft in der Ehrenstraße wird dem Beschuldigten zugeordnet. Hier sucht die Polizei mit Hund nach Spuren.
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Dem Landgericht steht der nächste Mammut-Prozess bevor. Denn nach zahlreichen Verurteilungen von Handlangern sitzt ab dem 8. Dezember der mutmaßliche Kölner Drogenboss Sermet A. auf der Anklagebank – er soll verantwortlich sein für diverse Explosionen in Köln und im Umland, Geiselnahmen und natürlich Geschäfte mit Marihuana im dreistelligen Kilobereich. Der 24-Jährige, der zuletzt in Vingst wohnte und als Schlüsselfigur gilt, könnte für immer weggesperrt werden. Ihm droht Sicherungsverwahrung. Es ist die bisher größte Aufarbeitung der dramatischen Geschehnisse des „Kölner Drogenkrieges“, die die Stadt im vergangenen Jahr monatelang in Atem gehalten hat.
Köln: Bereits 39 Verhandlungstage bis Juni 2026 angesetzt
Die 14. Große Strafkammer unter dem Vorsitz des erfahrenen Richters Ralph Ernst muss ein riesiges Beweisprogramm bewältigen. 35 Fälle und etwa 130 Zeugen listet die insgesamt 315 Seiten umfassenden Anklageschrift von Staatsanwältin Heike Nöldgen und ihrem Kollegen Tilman Reiner auf. Das Gericht hat bereits 39 Verhandlungstage bis Ende Juni 2026 angesetzt. Doch die Erfahrung zeigt, dass bei strittigen Umfangsverfahren oft viele weitere Prozesstage nötig werden. Zum Vergleich: Das Raubverfahren um den Reemtsma-Entführer Thomas Drach ab Februar 2022 war ursprünglich auf 50 Verhandlungstage angelegt. Am Ende waren es 100. Und damals waren lediglich vier Taten angeklagt.
Für die Bediensteten und Besucher des Landgerichts und auch Anwohner rund um das Justizgebäude an der Luxemburger Straße bedeutet der Start des Strafprozesses vor allem eins: Stress und Ärgernis. Da es sich um ein Hochsicherheitsverfahren handelt, wird für jede Anreise von Sermet A. aus der Justizvollzugsanstalt mit erheblichen Straßensperrungen zu rechnen sein. Wird der Angeklagte per Helikopter gebracht, können etwa Anwohner in der Zeit nicht über ihre Autos verfügen. „Es ist der absolute Horror“, so beschrieb es eine Betroffene aus der Rudolf-Amelunxen-Straße. Regelmäßig berichteten auch Justizmitarbeiter bei solchen Konstellationen von Parkchaos am frühen Morgen.
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Um das Landgericht und auch im Gebäude wird mit immenser Polizeipräsenz gerechnet. Bereits bei einem Kronzeugen in früheren Prozessen zum „Kölner Drogenkrieg“ sicherten bewaffnete Beamte den Gerichtssaal. Besucher wurden gesondert durchsucht, Handys mussten abgegeben werden. Hier galt es mögliche Anschläge zu verhindern. Bei Sermet A. kommt noch ein weiteres Risiko dazu: Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, soll der Beschuldigte kurz nach seiner Inhaftierung im Oktober 2024 in Frankreich bereits Befreiungspläne geschmiedet haben. Laut Akten soll der Mann aus seiner Zelle heraus telefoniert haben – die Gespräche wurden von den Ermittlungsbehörden abgehört.
Köln: Drogenraub löste beispiellose Gewalt- und Explosionsserie aus
Der in Köln geborene Deutsch-Iraker soll sich spätestens ab dem Jahr 2022 mit groß angelegten Drogengeschäften beschäftigt und mehrere Männer um sich geschart haben. Die Bande dealte laut den Ermittlern mit Marihuana, Ecstasy, Kokain und Heroin. Lieferanten soll Sermet A. in Marokko und den Niederlanden gesucht und gefunden haben. Die Anklageschrift listet eine erfolgreiche Lieferung von mehr als 580 Kilogramm Marihuana nach Leverkusen auf und Verkäufe daraus. Wenige Tage später, im Juni vergangenen Jahres, soll eine Lieferung von mehr als 700 Kilogramm Cannabis den „Drogenkrieg“ ausgelöst haben. Die Hälfte des Stoffes wurde aus einer Lagerhalle in Hürth geraubt.
Sermet A. soll mit allen Mitteln versucht haben, die ihm geraubten Drogen wiederzuerlangen. Laut Anklage verdächtigte er Mitglieder seiner eigenen Bande und ließ diese foltern. Drei als Auftragstäter engagierte Niederländer wurden dafür bereits zu hohen Haftstrafen verurteilt. Auch soll Sermet A. hinter dem Kidnapping eines Pärchens aus dem Ruhrgebiet stecken, deren Umfeld ebenfalls verdächtigt wurde. Die Geiseln wurden in eine Villa nach Rodenkirchen verschleppt und misshandelt. Sie wurden nach dem Hinweis eines Zeugen befreit. Auch in dem Fall wurden schon mehrere Männer verurteilt – teilweise haben sie Sermet A. bei parallel stattfindenden Strafprozessen schwer belastet.
Bereits im Jahr 2023 sollen A. und Komplizen ein Bandenmitglied erpresst und mit einem Messer verletzt haben. Auch hier ging es um angeblich gestohlene Drogen. Während die angeklagten Geiselnahmen und Drogengeschäfte eher im Verborgenen abliefen, zeigten vor allem die öffentlichen Sprengstoffanschläge das beängstigende Ausmaß des Konflikts innerhalb des Drogenmilieus. Fünf Explosionen rechnen die Ermittler dem Beschuldigten zu, vier davon sollten laut Anklage der Einschüchterung potenzieller Drogenräuber gelten. Die Serie startete am 29. Juni 2024 in der Keupstraße. Ein Sprengsatz detonierte vor einer Shisha-Bar, es kam zu erheblichen Schäden.
Köln: Staatsanwälte wollen Sicherungsverwahrung für Sermet A.
Im Oktober 2024 wurde der heute 24-Jährige bei seiner Einreise nach Frankreich auf einem Pariser Flughafen festgenommen. A. kam in Haft, und soll per Handy von seiner Zelle aus weiter Drogengeschäfte betrieben haben. Auffällig am ganzen Verfahren ist, dass Sermet A., der sich vorher im Emirat Dubai aufgehalten hatte, kaum persönlich in Erscheinung getreten ist. Als rechte Hand des Mannes gilt der Iraker Khedir K., der sich ab Dezember im gleichen Prozess verantworten muss. Der 25-Jährige soll im Gegensatz zu seinem Boss tatkräftig mitgewirkt haben, etwa bei der Geiselnahme und Misshandlung eines Pärchens aus dem Ruhrgebiet in einer Villa im Rodenkirchener Eibenweg.
Als überaus gewaltbereit und kompromisslos beschreiben die Ermittler den Angeklagten. Die Vorgänge im „Drogenkrieg“ und die dazu dicke Vorstrafenakte führten zur Forderung der Sicherungsverwahrung. In einer Gesamtschau sei bei Sermet A. laut Staatsanwaltschaft eine Neigung zur Begehung schwerer Straftaten zu erkennen, ein fest verankertes Muster. Der Kölner sei daher als gefährlich für die Allgemeinheit einzustufen. Die Entscheidung über die Verhängung einer solchen Maßregel obliegt am Ende dem Landgericht. Nach seiner Festnahme soll Sermet A. geäußert haben, dass er noch viel vorhabe. Er könne jetzt nicht über Jahre ins Gefängnis – nicht in seinem jungen Alter.

