Kölner E-WerkBen Howard rührt zu Tränen mit Songs, die niemand kennt

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Ben Howard im E-Werk

Ben Howard im E-Werk

Köln – Ben Howard zuzuhören ist nicht einfach. Eigentlich. Zum einen, weil die Texte, die seine knödelig-schöne Stimme ausspuckt, immense Schwerkraft haben. Weil sie einen mit einem Ruck, nur einer Zeile, runterziehen können bis zum Boden. Zum anderen, weil Howard sich mittlerweile auf seinem neuen, dritten Album „Noonday Dream“ jedweden popmusikalischen Konventionen entsagt hat.

Es gibt keine eingängigen Melodien und keine tanzbaren Rhythmen mehr, dafür aber endlos anmutende Echos, monotone Gesangslinien und Klangsphären, die einen orientierungslos werden lassen in einem Soundlabyrinth, dessen Zugang man nur unter Anstrengung findet. Und dann ist es ja noch nicht mal durchlaufen.

Wenige Wörter und ein Glas Weißwein

Aber Ben Howard weiß das. Und, das ist das faszinierende an diesem britischen Singer/Songwriter, er braucht nur wenige Wörter und ein Glas Weißwein, um seine Zuschauer geordnet durch seine engen inneren Gassen und avantgardistischen Kompositionen zu lotsen. „Guten Abend Köln, mein neues Album ist heute herausgekommen. Und das ist wohl auch alles, was ich heute Abend sagen werde“, sagt Howard, als er am Freitag absurd pünktlich um 21 Uhr im E-Werk das erste Mal seit drei Jahren eine Kölner Bühne betritt. Und dann sagt er auch wirklich nichts mehr, sondern spielt. Und das anders als seine acht Mitmusiker zunächst im Sitzen.

Schon beim ersten Song beginnt eine Frau im Publikum zu weinen. Dabei ist der Text kaum zu verstehen, Howards Stimme ist mit einem verzerrenden Effekt belegt und überhaupt: Das Stück ist unbekannt, nicht einmal auf der neuen Platte. Zurückhaltende Lichtkegel tänzeln über die Bühne, um Howard paradoxerweise doch die meiste Zeit in den rechten Schatten zu rücken. Selten wird er angestrahlt, gelegentlich nur, wenn er doch mal aufsteht. Ein Solo-Künstler, der das Rampenlicht scheut.

Es folgen weitere neue Songs, sie heißen „What the Moon does“ oder „Nica Libres At Dusk“. Am Ende werden es acht neue Stücke hintereinander. Acht Songs, die niemand mitsingen kann, kaum einer überhaupt schon kennt. Würden andere Künstler nach drei Alben hier wohl ein Best-Of-Stimmungsgemisch einer Setlist darbieten, löst sich der 31-Jährige auch live von den unausgesprochen Regeln seiner Branche. Ein Rebell in Moll.

Außergewöhnliche Intimität

Böse ist ihm niemand, im Gegenteil. Howard schafft gerade dadurch eine außergewöhnliche Intimität. Dass knapp 2000 Menschen in der Halle stehen, scheint egal, jedes Stück ist ein eigener „Noonday Dream“, ein Tagtraum, ganz privat. Und so stellt man sich Howard vor, wie er dort sitzt, im eigenen Wohnzimmer an einem verregneten Winterabend, und wie er diese Songs zum ersten Mal spielt, ein bisschen schüchtern noch. Man will gar nicht mitsingen. Man will nur zuhören.

Auch deshalb wohl bleibt sein größter Hit „Keep Your Head Up“, der schon lange seinen Ewigplatz in den Radioplaylists dieser Welt sicher hat, an diesem Abend ungehört. Nur drei Lieder („Small Things“, „End of the Affair“, „Promise“) spielt er von seinen zwei vorherigen Alben. Und dann sagt er: „Danke, Köln, es war sehr schön mit euch.“ Und verschwindet schon wieder winkend hinter der Bühne, ehe man noch hinterherrufen könnte: „Mit dir auch, Ben!“

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