Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Portrait einer Kölner HebammeHedwig Klostermann half rund 1000 Kindern auf die Welt

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt (4)

Hebamme Hedwig Klostermann verabschiedet sich nach 40 Jahren in den Ruhestand.

  1. Hedwig Klostermann hat nach eigener Schätzung „sicherlich 1000 Kindern“ auf die Welt geholfen.
  2. Nach 40-jähriger Dienstzeit verabschiedet sich die Kölner Hebamme in den Ruhestand und hat viel zu erzählen.

Köln – Seit Tausenden von Jahren kommen Kinder noch immer auf mehr oder minder gleiche Art zur Welt. Hedwig Klostermann spricht dennoch von einer „Revolution“ wenn sie an die 1980er Jahre denkt und daran, wie sich die Geburtshilfe zu dieser Zeit zu verändern begann. „Damals wurden die Babys noch separiert, und die Mütter bekamen sie nur stundenweise ausgehändigt.“

Wenn sie im Anschluss an das Wochenbett das Krankenhaus verließen, brachten sie im wahrsten Sinne des Wortes einen Fremdling heim; ein Wesen, das sie noch keine 24 Stunden am Stück erlebt und erspürt hatten. Das galt erst recht für die Väter, die seinerzeit meist „erst ganz zum Ende der Geburt reingehechtet kamen“ und praktisch keine Ahnung von dem hatten, was Frau und Nachwuchs in den letzten Stunden durchlitten hatten.

Hedwig Klostermann hingegen hat unzählige dieser schmerzhaften Stunden oder sogar Tage hautnah erlebt, denn sie hat nach eigener Schätzung „sicherlich 1000 Kindern“ auf die Welt geholfen. Jetzt, nach 40-jähriger Dienstzeit, verabschiedet sich die Kölner Hebamme in den Ruhestand und kann endlich ein paar Dinge tun, die viele Jahre nicht planbar waren. 

Wenn der Piepser bei Hebamme Hedwig Klostermannblinkt

Sie erinnert sich gut an einen Abend im Weisshaus-Kino, als sie sich im romantischsten Film-Moment an den Knien der Sitznachbarn entlang in Richtung Ausgang schieben musste, weil der Piepser plötzlich blinkte. Oder wie sie im Dauerlauf zu ihrem Auto spurtete, um noch rechtzeitig bei einer Frühgeburt zugegen zu sein, während ihre Freundinnen weiter fröhlich durchs Bergische wanderten.

Dass die kofferähnliche, rotbraune Ledertasche, die jahrzehntelang griffbereit über der Garderobe lagerte, einmal nicht mehr gebraucht werden würde, war für die Geburtshelferin lange Zeit unvorstellbar. Aber jetzt fühle es sich richtig an aufzuhören, sagt die 70-Jährige, deren Nächte so oft durch einsetzende Wehen unterbrochen wurden.

Gerd Eldering wurde zum Vorreiter für die sanfte Geburt

Klostermann stammt gebürtig aus der Nähe von Münster und begann ihre Berufstätigkeit in der Geschäftsstelle einer Krankenkasse. Vielleicht wäre sie eines Tages zur Zweigstellenleiterin aufgestiegen, wären da nicht immer wieder diese – von einer Hebamme eingereichten –  kleinen, handgeschriebenen Rechnungen auf ihrem Schreibtisch gelandet.

Zum ersten Mal machte Klostermann sich Gedanken über diesen Beruf, und plötzlich saß sie zusammen mit anderen Frauen in einer Ausbildungsstätte in Würzburg. Das liegt inzwischen ganze vier Jahrzehnte zurück.

Entscheidend geprägt wurde Klostermanns Hebammentätigkeit dadurch, dass im Jahr 1980 am ein Mann Chefarzt des katholischen Vinzenz-Pallotti-Krankenhaus in Bensberg wurde, der bis heute als Symbolfigur für die sanfte Entbindung gilt. Wegen ihm, Gerd Eldering, nahmen im Laufe der Jahre auch Tausende werdender Eltern aus Köln die Anfahrt nach Bensberg in Kauf und akzeptierten zähneknirschend, dass in den Dokumenten der Kinder später der aus hiesiger Sicht  falsche Geburtsort stand.

Das könnte Sie auch interessieren:

Erstmals konnten Frauen im Wasser gebären

Der 2017 verstorbene Gynäkologe Eldering sei der erste gewesen, der Frauen im Wasser gebären ließ und der in seiner Klinik Familienzimmer einführte“, erinnert sich Klostermann, die 1984 ihre Festanstellung in diesem Krankenhaus bekam und bis heute dankbar dafür ist, keine einzige Geburt begleitet zu haben, bei der die Gebärende starb. 

Natürlich hat sie etliche Komplikationen erlebt, schwere wie auch – im Nachhinein – erheiternde Situationen, wie an jenem Morgen zu Dienstbeginn um 5.45 Uhr, als ein Hilferuf des Pförtners erschallte und es die sich mühsam ins Gebäude schleppende Frau nur bis in die Empfangshalle schaffte, weil das Kind keine Sekunde länger im Bauch bleiben wollte.

Wandel auch in der Großeltern-Generation

Klostermann war bei Geburten im Auto ebenso wie bei Hausgeburten zugegen, und sie hat immer wieder erlebt, dass insbesondere Frauen, die partout an ihrem Konzept „sanft und selbstbestimmt“ festhalten und „auf gar keinen Fall eine Spritze in den Rücken!“ wollten, es sich am Ende unnötig schwer gemacht haben. Rückblickend ist sie froh darüber, dass manches Dogmatische heute ebenso der Vergangenheit angehört wie bestimmte Ansichten früherer Großeltern-Generationen, die gerne dafür plädierten, den schreienden Säugling sich selbst zu überlassen, um ihn nicht „zu sehr zu verwöhnen“.

Klostermann hat 1989 eine eigenen Hebammenpraxis in Nippes und später in Sülz gegründet, Gesprächskreise für Großeltern initiiert, mit Freude beobachtet, dass sich immer mehr stillende Frauen zu Gruppen zusammenschlossen und „eine hochmedizinische Geburtshilfe allmählich wieder auf eine natürliche Ebene gebracht wurde.

Entscheidend dazu beigetragen hätten Gynäkologen wie der Kölner „Frühchen-Papst“ Professor Friedrich Wolff, der „die Eltern-Kind-Bindung „unendlich gefördert und für eine wesentlich verbesserte Betreuung“ zu früh geborener Kinder gesorgt habe.

Hedwig Klostermann: Unterstützung für Geburtshelfer in Ghana

Dass Hedwig Klostermann heute eher die Wanderschuhe schnürt, als den alten Lederkoffer zu greifen, heißt nicht, dass die das Thema Entbindung ganz abgehakt hätte. Seit 2014 reist sie ein oder zweimal im Jahr in die Volta-Region von Ghana, um gemeinsam mit deutschen Kolleginnen in den Dörfern Basiswissen zu vermitteln und die Säuglingssterblichkeit zu minimieren.

Dort ist es völlig unüblich, dass die Väter bei der Geburt dabei sind, erzählt die Hebamme. Dort machen sich Frauen auch keine Gedanken darüber, ob die Figur durch Geburt oder das Stillen Schaden nehmen könnte. „Die haben in Ghana gar keine Spiegel, in denen sie sich betrachten könnten, sondern oft nur eine kleine Scherbe.“ Man sei nicht auf Äußerlichkeiten bedacht, „sondern eher mit dem Überleben beschäftigt".

Am faszinierendsten seien für sie die vielen strahlenden Augen, denen sie dort trotz aller Armut im Land begegne. „Erst wenn man wieder zum Flughafen kommt, fallen einem all die gestressten Menschen auf.“