Nach Verbannung der AutosSo viele Fußgänger sind auf der Kölner Ehrenstraße wirklich unterwegs

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Fußgänger auf der Ehrenstraße

Die Ehrenstraße in Köln, Autos wurde von der Einkaufsmeile verbannt.

Die Ehrenstraße ist seit April Fußgängerzone. Nun gibt es erstmals eine Auswertung darüber, wie sich das auf die Passantenfrequenz ausgewirkt hat. Und die Zahlen zeigen eine rasante Entwicklung.  

„Das ist wirklich ein sehr, sehr gutes Ergebnis“, sagt Nico Schröder, Geschäftsführer von Hystreet. Das Kölner Unternehmen misst in vielen deutschen und auch einigen internationalen Einkaufsstraßen, wie viele Passanten hier unterwegs sind. Für die Ehrenstraße, die im April zur Fußgängerzone gemacht wurde, ergab sich dabei eine extreme Entwicklung. „Die Passantenzahl ist massiv gestiegen. 22 Prozent mehr Menschen, das sind rund 4000 pro Tag, waren von Montag bis Freitag im Mai im Vergleich zum März unterwegs.“

Insgesamt passierten die Ehrenstraße von Montag bis Freitag täglich rund 21.600 Menschen im Mai, im März waren es rund 17.600. Samstags stieg die Zahl um 17 Prozent von durchschnittlich 36.600 Menschen auf 42.800, sonntags kamen sogar 25 Prozent mehr Menschen. Und auf einen längeren Zeitraum gesehen, fallen die Zahlen noch besser aus.

30 Prozent mehr Passanten auf der Ehrenstraße im Vergleich zu 2018

Vergleicht man die Frequenz vom 1. Januar bis 30. November 2018 (im Jahr 2019 konnte in der Ehrenstraße wegen Bauarbeiten nicht gemessen werden) mit dem gleichen Zeitraum in diesem Jahr, so hielten sich 30 Prozent mehr Passanten in der Ehrenstraße auf – obwohl sie in den ersten drei Monaten noch gar nicht autofrei war. Das bedeutet einen Zuwachs an 1,2 Millionen Besuchern. Die Schildergasse dagegen verlor leicht gegenüber 2018. „Das trifft auf die meisten großen Einkaufsstraßen in Deutschland zu“, so Schröder.

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Umso erstaunlicher die Entwicklung auf der Ehrenstraße. „Die Menschen haben sich die Straße zurückerobert. Innenstädte werden auch in Zukunft Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens sein, wenn man den Menschen den Raum gibt, den sie brauchen. Die Stadt Köln hat die richtige Entscheidung getroffen“, sagt Schröder. Die Ehrenstraße sei durch die Verkehrsberuhigung attraktiver geworden. Dass sogar sonntags mehr Leute hier flanieren, liege zum Beispiel auch an der Gastronomie. Die muss nicht immer aufwendig sein – so sorgt ein Zimtschnecken-Laden seit Monaten für lange Schlangen.

Zwei Laserscanner in der Ehrenstraße messen die Frequenz

Hystreet.com gehört zur Aachener Grundvermögen Immobiliengesellschaft, die zahlreiche Häuser in der Kölner City besitzt. Gemessen werden die Frequenzen mithilfe von Laserscannern an Hausfassaden – und das an 365 Tage ununterbrochen. In der Ehrenstraße gibt es zwei Scanner. Sie erzeugen quer über die Straße einen vierfachen Lichtvorhang. Dadurch kann auch erfasst werden, in welchen Bereichen sich die Fußgänger aufhalten. Für die Ehrenstraße ergab sich, dass vor allem in den Spitzenzeiten am Samstag besonders viele Menschen auf der Straßenmitte gehen und die engen Bürgersteige meiden.

Das ist auch so gedacht, führt aber immer wieder zu Problemen, weil die Fahrbahn auch weiterhin von Fahrradfahrern genutzt werden darf. Auch mussten vor kurzem Absperrungen aufgestellt werden, damit Autos nicht mehr verbotswidrig durch die Straße fahren. Doch die Fußgänger scheinen sich alles in allem sehr wohl zu fühlen. „Sie bleiben im Durchschnitt länger auf der Straße.“

Kölner Stadtrat freut sich über Ergebnisse der Untersuchung

Im Ratsbündnis werden die Untersuchungsergebnisse mit Freude zur Kenntnis genommen. „Die Zahlen bestätigen, dass die Befreiung vom Autoverkehr ein großer Gewinn ist für unsere Einkaufsstraßen“, sagte etwa Christiane Martin, Fraktionsvorsitzende der Grünen. „Passantinnen und Radfahrer profitieren von einem Plus an Bewegungsfreiheit, aber auch die Läden durch mehr Möglichkeiten für Laufkundschaft.“ Mehr autofreie Bereiche in der Stadt würden die Stadt attraktiver machen und dem Ziel der Klimaneutralität näher bringen, so Martin weiter.

Auch in der CDU ist von einem „positiven Signal“ durch die Untersuchung zu hören. „Es zeigt, dass die Menschen die Ehrenstraße annehmen“, sagte Fraktionsgeschäftsführer. Er bezweifelt jedoch, ob sich die erhöhte Frequenz über alle Jahreszeiten halten wird – denn im Frühling und Sommer ziehe es die Menschen ohnehin nach draußen. „Für den Einzelhandel ist entscheidend, dass die erhöhte Frequenz auch mehr Umsatz bringt“, so Kienitz weiter. Die Verwaltung sei aufgefordert, die Aufenthaltsqualität rund um die Ehrenstraße dafür zu verbessern.

Auch in der Opposition des Stadtrates wird die Statistik mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Die Einrichtung von Fußgängerzonen in der City sei ein insgesamt ein Erfolgsmodell, das zu mehr Aufenthaltsqualität führe und mehr Menschen zum Einkaufen in die Innenstadt treibe, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Joisten mit Blick auf die Zahlen. Wichtig bei der Umsetzung seien jedoch klare Regeln, „damit es nicht zu neuen Konflikten zwischen Fußgängern und Radfahrern kommt.“ Mit Blick auf neue Fußgängerzonen sei es außerdem wichtig, auch die Interessen der Anlieger zu berücksichtigen.

Neben der Ehrenstraße sind zur Zeit der Eigelstein, der zur Fahrradstraße gemacht wurde, und die Deutzer Freiheit, die ein Jahr versuchsweise Fußgängerzone ist, in der Diskussion. Hier klagen viele Einzelhändler, dass die Kunden wegbleiben, weil sie nicht mehr mit dem Auto kommen können. Hystreet würde auch hier gerne messen – hat aber bisher keine Hauseigentümer gefunden, die bereit sind, die Scanner an ihren Fassaden anbringen zu lassen. „Interessenten können sich gerne melden“, so Nico Schröder.

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