Für viele Reisende bedeutet die Sperrung Umwege und Unsicherheit. In Deutz herrscht Hochbetrieb – und einige nehmen die Situation gelassen.
Zehn Tage nur S-BahnenWie Reisende mit der Sperrung des Kölner Hauptbahnhofs klarkommen

Afshin Yarahmadi und sein Sohn Nick sind vorbereitet auf die Sperrung des Hauptbahnhofs.
Copyright: Martina Goyert
Auch am Sonntag gibt es ihn noch, den vertrauten Hauptbahnhofs-Trubel. Zumindest vor dem Rossmann Express. Am zweiten Tag der Sperrung des Hauptbahnhofs ziehen sich im Drogeriemarkt und bis hinaus in die Bahnhofshalle lange Schlangen. Der Laden hat bis 22 Uhr geöffnet, auch sonntags. Und so nutzen viele den Vormittag, um nachzuholen, wozu sie unter der Woche nicht gekommen sind und besorgen sich dort Zahnpasta, Mundspülung und Klopapier.
Abgesehen davon aber ist in den Gängen der Bahnhofshalle plötzlich ungewohnt viel Platz. Vor den abgesperrten Gleisen stehen Sicherheitskräfte, bereit, Fragen zu beantworten – doch viel zu tun haben sie nicht. Die meisten Menschen, die an diesem Sonntag unterwegs sind, sind längst informiert. Nur vereinzelt bleiben Reisende mit ratlosen Gesichtern vor der großen Anzeigetafel stehen, auf der ausschließlich S-Bahn-Verbindungen erscheinen.
Ein durchlaufendes Banner informiert alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Seit Freitag, 14. November, 21 Uhr halten keine Fern- und Regionalzüge mehr am Kölner Hauptbahnhof. Nur noch S-Bahnen halten hier bis zum 24. November. Dann will die Deutsche Bahn die zweite Baustufe des neuen Stellwerks in Betrieb nehmen. Erreichbar bleibt der Bahnhof dennoch – abgesehen von einer Nacht – durchgehend. Rund 540 Zugfahrten täglich sollen weiterhin stattfinden.
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Gesperrter Kölner Hauptbahnhof: Stimmung zwischen Unsicherheit und Gelassenheit
Die geplante Inbetriebnahme des neuen elektronischen Stellwerks verzögert sich allerdings. Das bedeutet: Eine weitere Sperrung des Hauptbahnhofs steht bevor – allerdings kürzer als die aktuelle, wie die Deutsche Bahn betont. Bei der Planung wolle sie Rücksicht auf den Karnevalsverkehr und den Start der Generalsanierung im Februar nehmen.

Arbeiten in vollem Gange: Die zehn Tage werden jedoch nicht reichen, alle Arbeiten zu erledigen. Im kommenden Jahr wird es eine weitere Pause geben müssen.
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Bereits am Samstag, Tag eins der Sperrung, schwankt die Stimmung in der Eingangshalle des Hauptbahnhofs zwischen Unsicherheit und Gelassenheit: zwei junge Frauen aus Australien, beide mit großem Rucksack und sperrigem Koffer, stehen dort am Vormittag. Immer wieder wandert ihr Blick vom Handy zur Anzeigetafel. Doch ihr Eurostar nach Brüssel erscheint nicht. Laut Ticket sollte er in 20 Minuten abfahren – doch an diesem Samstag fährt er nicht über Köln. Der nächste Halt ist erst wieder Aachen. Eine Mail dazu haben sie nicht erhalten.
Einige Meter weiter warten Afshin Yarahmadi und sein Sohn Nick. Sie sind besser vorbereitet: Das Ticket nach Hamburg hält Yarahmadi ausgedruckt in der Hand. Mit der S-Bahn müssen sie zunächst nach Düsseldorf. Über die Umleitung waren sie vorab informiert. Der kleine Umweg stört sie nicht. Nur eine erneute zweistündige Verspätung wie auf der Hinfahrt könnte ihre Stimmung trüben.

Afshin (l.) und Nick Yarahmadi auf dem Rückweg nach Hamburg.
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Dörte Schultz und Christine Kratzin aus Magdeburg nehmen es gelassen. Sie haben noch Urlaub. Drei Tage waren sie mit ihrer Reisegruppe in Köln, nun fahren auch sie mit der S-Bahn weiter nach Düsseldorf. „Wir wären ohnehin erst am Nachmittag los. Jetzt bummeln wir noch ein wenig durch den Bahnhof und die Innenstadt.“ Überrascht hat die Sperrung sie nicht. „Man macht einen Plan – und am Ende kommt es anders. So ist das Leben“, sagt Schultz.

Christine Kratzin (l.) und Dörte Schultz nutzen die Zeit bis zur Abfahrt zum Bummeln am Hauptbahnhof.
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Im Tabakwarenfachhandel Barbarino hat Filialleiterin Semra Yesyurt ihr Team gut vorbereitet. Zu Pausen- oder Mittagszeiten sei immer etwas los. Zudem laufen die Touristen vom Dom zum Breslauer Platz– egal, ob Züge fahren oder nicht. Ihre Mitarbeiterin Paulina Hohmann beobachtet dennoch: „Es ist deutlich ruhiger. Der ganze Hauptbahnhof wirkt leerer als sonst.“ Weil mehrere Läden der Unternehmensgruppe in Köln liegen – auch am Neumarkt und in Deutz – lassen sich Mitarbeiter flexibel verlegen. „Heute habe ich die Spätschicht nach Deutz geschickt“, sagt Yesyurt. Dort sei „die Hölle los“.

Paulina Hohmann merkt, dass weniger Kundschaft an diesem Samstag in das Tabakfachgeschäft kommen.
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Kölner Hauptbahnhof: informierte Fahrgäste, alleingelassene Touristen
Der Bahnhof Köln-Deutz wird zum Ersatz-Hauptbahnhof für den Fernverkehr. Dort halten die ICE-Züge über die Schnellstrecke nach Frankfurt, alle ICE von und nach Amsterdam sowie die Direktverbindungen nach Berlin. Es sei voller als sonst, bemerkt eine Frau am Gleis elf zu ihrer Mutter. Vor ihnen hält ein Flixtrain – auch er sonst kein Gast in Deutz.
Viele Fahrgäste aus Köln und Umgebung sind gut informiert. Mails wurden verschickt, Zugbindungen wie bei Rafika Mahmoud aufgehoben. Sie hat ihre Schwester in Köln besucht und fährt nun zurück nach Hessen. Von der Sperrung habe sie über Instagram erfahren. „Nur der Abfahrtsbahnhof ändert sich. Und eine Stunde Verspätung – aber das bin ich ja gewohnt“, sagt sie.

Romaine Ketcha (l.) und Alexander Chestnut sind für das Wochenende aus den USA nach Köln gekommen. Chestnut interessiert sich besonders für den Dom.
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Für Touristinnen und Touristen ist die Lage komplizierter. Romaine Ketcha und Alexander Chestnut irren mit ihren Koffern durch den Bahnhof – auf der Suche nach dem richtigen Ausgang. Aus den USA sind sie für den Dom und die Weihnachtsmärkte nach Köln gekommen. Ihr Hotel haben sie bewusst in der Nähe des Doms gebucht, ideal gelegen zwischen Hauptbahnhof und Domplatte. Die Sperrung macht ihnen nun jedoch einen Strich durch die Rechnung.
Von der Bahnhofssperrung habe Ketcha nur durch einen Artikel über die Weihnachtsmärkte erfahren. Einige Märkte in Köln haben am vergangenen Freitag bereits geöffnet, der große auf der Domplatte jedoch erst am Montag. Im Zug aus Frankfurt gab es keine Informationen dazu, warum er nicht wie geplant am Hauptbahnhof hielt – „jedenfalls nicht auf Englisch“, sagt Ketcha. Den 15-minütigen Fußweg zum Dom nehmen sie am Ende trotzdem in Kauf – schließlich sei der Weg dorthin auch ganz schön.
Am Sonntag wartet auch Clara Vogel am Hauptbahnhof auf Besuch aus Ostdeutschland. Eine Freundin ist gerade mit dem ICE auf dem Weg nach Köln, wo die beiden ihr Wiedersehen feiern wollen. Über die Sperrung des Bahnhofs ist die Freundin informiert. „Sie fährt jetzt nach Deutz, von dort kommt sie dann mit der S-Bahn rüber“, sagt Vogel. „Bis jetzt läuft alles super. Wenn alles so weitergeht, kommt sie sogar pünktlich hier an.“ Das sei selbst ohne Sperrung „keine Selbstverständlichkeit“.

