Zwölf Jahre nach EinsturzNeue Heimat des Historischen Archivs in Köln eröffnet

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Stadtarchiv

Neubau des Historischen Archivs

Köln – „Zwölf Jahre nach dem Einsturz des Stadtarchivs kommen wir zusammen, um dem Stadtgedächtnis eine neue, würdevolle Heimat zu geben“, sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Der Festakt zur Eröffnung des Neubaus des Historischen Archivs am Eifelwall ist ein emotionaler Moment. Groß ist die Freude über das vor hochmoderner Technik geradezu überquellende „bedeutendste Archivgebäude nördlich der Alpen“, wie Architekt Felix Waechter erläutert.

Aber auch die Erinnerung an den 3. März 2009, als das alte Stadtarchiv an der Severinstraße im Zuge von U-Bahnarbeiten im Erdboden versank und zwei Menschen in den Tod riss, schwangen bei den Feierlichkeiten mit. „Wir werden diese Narbe nie entfernen können“, sagt Reker.

Bei dem Festakt waren Vertreter von Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft zugegen, NRW-Umweltministerin Ursula-Heinen (CDU) Esser vertrat den ursprünglich eingeladenen Ministerpräsidenten Armin Laschet. Die Feier wurde live ins Rhein-Energie-Stadion übertragen, wo sie weitere rund 500 geladene Gäste verfolgten.

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Fassade mit Einblick

Das neue Stadtgedächtnis ist 122 Meter lang und 46,4 Meter breit. Die Fassade besteht aus bronzefarbene Blechlamellen die von außen Blicke auf das Geschehen im Inneren zulassen, den Lesesaal, dem Vortragsraum, das Foyer, die Verwaltung. Innen bestimmt helles Douglasien-Holz die Räume.

Mittelpunkt ist das „Schatzhaus“, das die übrigen Gebäudeteile überragt und in dem die Archivalien lagern. Die 28 Räume darin, „Magazine“ genannt, bieten 50 Regalkilometer Platz für die Objekte des eigentlichen Historischen Archivs und weitere 2,2 Regalkilometer für das Rheinische Bildarchiv, das nun ebenfalls dort unterkommt und allein 5,5 Millionen Fotografien verwaltet, digitale Bilder nicht mit eingerechnet.

Energie bezieht der Gebäudekomplex über Fernwärme, Photovoltaik und Geothermie. Es gibt neun Klimazonen zwischen 26 und minus 22 Grad, unter anderem, um die unterschiedlichen Archivalien optimal zu konservieren. Ein 400.000 Liter fassender unterirdischer Eisspeicher sorgt mit meinem komplizierten Leitungssystem in den Räumen für gleichbleibende Temperaturen, die für Mensch und vor allem Material besonders wichtig sind.

Nahezu vollständig erst in 30 Jahren

Noch sind die Regale weitgehend leer. „Zurzeit sind 17 bis 18 Prozent der Archivalien nutzbar“, sagt Archivleiter Bettina Schmidt-Czaia. Nach und nach werden in den kommenden Monaten Exponate eingeräumt. 95 Prozent der Archivalien konnten aus dem eingestürzten Stadtarchiv gerettet werden. Bis sie restauriert sind, werde es noch etwa 30 Jahre dauern, vermutet Schmidt-Czaia.

Ein „Bürgerarchiv“ soll es sein, den Menschen zugewandter als das alte Stadtarchiv. Zeichen dafür ist nicht nur die transparente Architektur. Schmidt-Czaia kündigt für die Zukunft ein Ausstellungs- und Führungsprogramm an. Die Bürgerinnen und Bürger könnten hier jederzeit „alle Fragen zur Familien- und Stadtgeschichte klären.“ Reker erhofft sich von der räumlichen Nähe zur Universität „Synergien“ in Wissenschaft und Forschung.

Hochemotional und hochpolitisch

Birgit Grunert-Schmitz und Werner Engels von der Gebäudewirtschaft haben die Entstehung des neuen Archivs vom Baubeschluss bis zur Eröffnung 11,5 Jahre lang als Projektleitung begleitet. „Es war von Anfang an ein hochemotionales und hochpolitisches Projekt“, erinnert sich Engels. Und er war in den vergangenen 45 Jahren seiner Berufslaufbahn schon an vielen bedeutenden städtischen Bauprojekten beteiligt, etwa dem Stadthaus in Deutz, dem Kalk-Karree und diversen Bezirksrathäusern.

Die beiden haben etwas geschafft, an das in Köln kaum jemand mehr zu glauben wagt: Sie haben den Baukosten- und Zeitrahmen so gut wie eingehalten. Nach Angaben von Gebäudewirtschaftschefin Petra Rinnenburger stiegen die Kosten von etwa 89,5 auf rund 90 Millionen Euro.

Kurzchronik

3. März 2009 Das Stadtarchiv an der Severinstraße stürzt ein. Eine davorliegende Baugrube der Nord-Süd-U-Bahn kollabierte, das Erdreich unter dem Archivgebäude sackte ab.

September 2009 Der Rat beschließt die Planung eines Neubaus am Eifelwall.

2011 Der Entwurf des Darmstädter Büros Waechter und Waechter gewinnt den Architektenwettbewerb.

2015 Die Politik beschließt im Mai den Bau, bereits im August liegt die Baugenehmigung vor.

2016 Baubeginn

2017 Grundsteinlegung

Dezember 2020 Das Gebäude ist fertiggestellt.

3. September 2021 Das neue Archiv wird eröffnet.

Die Eröffnung nun liegt nur etwa drei Monate hinter den ursprünglichen Planungen. Ohne Probleme lief indes auch diese Projekt nicht ab. Als die Politik beschloss, aus wirtschaftlichen Gründen die Kunst- und Museumsbibliothek nicht auch in dem neuen Bau unterzubringen, mussten Grunert-Schmitz und Engels nach einigen Jahren Vorarbeit im Grunde von vorn planen.

Projekt nach 11,5 Jahren beendet

Und selbst im vergangenen Sommer stand es plötzlich noch einmal Spitz auf Knopf, als eine Heizungsfirma insolvent ging. „Wegen der extrem komplizierten Klimatechnik ist das ein Schlüsselgewerk“, sagt Engels. Hätten er und Grunert-Schmitz nicht schnell ein anderes Unternehmen gefunden, „wäre das eine Katastrophe gewesen“, sagt Grunert-Schmitz, und hätte Verzögerungen von mindestens einem Jahr samt gesprengtem Kostenrahmen zur Folge gehabt.

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Nun ist es vollbracht. „Ich bin stolz darauf, dass wir als Projektleitung das Archiv von Anfang bis Ende betreuen durften“, sagt Grunert-Schmitz.

Bürgerveranstaltungen

In einer Eröffnungswoche mit kostenlosen Führungen vom 4. bis 10. September stellt die Stadt das neue Archiv vor. Anmeldung unter www.archiveroeffnung.koeln

Bis kommenden Mittwoch ist auf den Fassaden des Archivs eine Lichtinstallation zu sehen. Bereits ab Dienstag ist der Lesesaal nutzbar.

Eine virtuelle 3D-Tour durch das Archiv gibt es unter https://eifelwall.360-vrtour.de

Für Engels, der kommenden Rosenmontag den letzten Arbeitstag hat und dann in Rente geht, ist das Archiv ebenfalls besonders. „Es hat mich etwas gekostet, das Projekt nach 11,5 Jahren loszulassen“, gesteht er. Nun jedoch bekomme „die Stadtgesellschaft ein herausragendes Gebäude“, sind sich beide einig. „Ich hoffe, die Menschen, die es nutzen, gehen gut damit um“, wünscht sich Engels.

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