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Experte zu Antibiotikaresistenz„Wir müssen kreativer und komplizierter denken“

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Wir brauchen immer neue Antibiotika oder neue Methoden zur Bakterien-Bekämpfung. (Illustration zur modernen medizinischen Forschung.)

Wir brauchen immer neue Antibiotika oder neue Methoden zur Bakterien-Bekämpfung. (Illustration zur modernen medizinischen Forschung.) 

Im Zeitalter der Antibiotikaresistenzen brauche es neue Ansätze, um Bakterien zu bekämpfen, sagt der Infektiologe Jan Rybniker von der Kölner Uniklinik.

Ein junger, gesunder Mensch stirbt nach einer eigentlich unkomplizierten Blinddarmoperation an einer schweren Infektion mit resistenten Bakterien. „Das war vor einigen Jahren noch undenkbar, ist mittlerweile in Deutschland aber durchaus möglich“, sagt Jan Rybniker, Leiter der klinischen Infektiologie an der Kölner Uniklinik und stellvertretender Sprecher des dortigen Centrums für Infektionsmedizin (CIM). Mit der Entdeckung des Penicillins 1928 schien der Mensch im Kampf gegen Bakterien die Oberhand gewonnen zu haben. Doch knappe 100 Jahre später sind die Keime wieder auf dem Vormarsch. Immer mehr von ihnen entwickeln Resistenzen auch gegen moderne Antibiotika, von denen die meisten eine Weiterentwicklung des Penicillins sind.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt deshalb seit 2015 alljährlich mit einer Weltantibiotikawoche vor den Gefahren der Antibiotikaresistenzen. Weltweit werde inzwischen bereits jede sechste Infektion durch antibiotikaresistente Erreger verursacht, heißt es im Vorfeld der diesjährigen „Antimicrobial Resistance Awareness Week“ vom 18. bis 24. November. Diesem Aufmerksamkeits-Aufruf für das Thema, aber auch für die Bedeutung der Infektiologie in der Inneren Medizin und der immer mehr geforderten Hygiene-Teams in den Krankenhäusern schließt Rybniker sich an.      

Es gibt neue, vielversprechende Ansätze, zum Beispiel Bakterien mit Antikörpern zu bekämpfen
Professor Jan Rybniker, Chef der Infektiologie an der Uniklinik Köln

„Antibiotikaresistenzen beschäftigen uns in unserem Alltag in der Klinik täglich“, sagt er. Im schlimmsten Fall kann es passieren, dass sich ein Patient nach einer vermeintlich harmlosen Operation wie am Blinddarm eine Entzündung der Wunde einhandelt, die von einem multiresistenten Bakterium ausgelöst wurde, dem sogar alle bekannten Antibiotikaklassen nichts mehr anhaben können. „Bakterien sind evolutionär getrieben, die wissen, wie sie sich wehren können“, sagt Rybniker. Sie passen sich an ihre Umgebung an, bis die Medizin des Menschen sie nicht mehr zerstören kann und stattdessen der betroffene Patient stirbt. 

An deutschen Krankenhäusern passiert das bislang sehr selten. Aber weltweit werden die Todesfälle, die direkt auf eine Infektion mit multiresistenten Erregern zurückzuführen sind, auf gut eine Million pro Jahr geschätzt. So steht es im Bundesgesundheitsblatt vom Mai 2025. In Deutschland sterben demnach rund 9700 Menschen pro Jahr an einer solchen Infektion. Das hat auch wirtschaftliche Folgen. Die Mehrkosten für einen Patienten mit einer Infektion mit multiresistenten Erregern belaufen sich bei stationärer Behandlung auf rund 27.000 Euro. Auf Deutschland hochgerechnet entspräche das einem jährlichen Mehrkosten-Betrag von rund vier Milliarden Euro, heißt es im Bundesgesundheitsblatt.

Ein großes Hygiene-Team tut in der Uniklinik Köln alles dafür, die Ausbreitung multiresistenter Keime zu verhindern

„Wir brauchen ein großes und sehr gut ausgebildetes Team aus mehreren Fachbereichen, das in solchen Fällen alles dafür tut, die Ausbreitung der resistenten Erreger zu verhindern“, erklärt der Kölner Infektiologe Rybniker. Mit den sogenannten „Antimikrobiellen Stewardship-Teams“ gelinge das in der Uniklinik und insgesamt in Deutschland noch ganz gut. Und in den allermeisten Fällen könne man den Patienten hierzulande mit Reserveantibiotika helfen.

In anderen Regionen allerdings, etwa in Süd- und Osteuropa, dem Nahen Osten oder Asien, seien die Resistenzzahlen schon so hoch, dass es zu deutlich mehr Todesfällen komme, sagt Rybniker. Die besonders schweren Fälle an der Uniklinik erlebe er daher auch bei Patienten, die im Urlaub Kontakt mit einem anderen Gesundheitssystem hatten und von dort multiresistente Keime mitbringen.  

„Je freizügiger und je breiter man Antibiotika verabreicht, desto mehr Resistenzen bekommt man“, sagt Rybniker. Das ist bekannt, und doch wird das Problem immer drängender. Es bräuchte daher unter anderem mehr Pharmafirmen, die sich in der Entwicklung neuer Antibiotika engagieren, sagt Rybniker. Da diese Neuentwicklungen allerdings zunächst als Notreserve herhalten müssten und wenig verabreicht würden, ist das nicht sonderlich lukrativ für die Firmen.  

Da es zudem immer schwieriger wird, noch neue Antibiotika zu entwickeln, brauche es auch andere Ansätze in der Bekämpfung von Bakterien, sagt der Kölner Professor: „Wir müssen kreativer und komplizierter denken.“ Also schlauer sein als die Natur. „Es gibt neue, vielversprechende Ansätze, zum Beispiel Bakterien mit Antikörpern zu bekämpfen“, erklärt Rybniker. Auch wenn das deutlich aufwändiger sei als die Gabe des guten, alten Penicillins.