Köln früher und heuteWie das Neptunbad Schmuckstück und Unglücksort zugleich wurde

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1912 eröffnete das Neptunbad.

1912 eröffnete das Neptunbad.

Köln – Als der Kölner Rat 1904 entschied, in Ehrenfeld eine Badeanstalt zu bauen, stieß dies nicht auf ungeteilte Begeisterung. Die Bewohner aus Nippes und der Nordstadt zumindest waren sauer. Denn auch ihnen war ein öffentliches Bad versprochen worden, nun sollten die Rücklagen dafür jedoch zugunsten Ehrenfelds umgewidmet werden. Die „Köln-Nippeser Bürgerschaft“ legte Einspruch gegen diese Bevorzugung ein und forderte Gleichbehandlung. Ohne Erfolg: Nach zweijähriger Bauzeit war 1912 das Ehrenfelder Neptunbad fertig - als erstes öffentliches Bad in einem Kölner Vorort. Es war ein Schmuckstück und schon bald ein Unglücksort.

Im Vergleich zum Hohenstaufenbad, das Ende des 19. Jahrhunderts als riesiger Palazzo im Stil der Neo-Renaissance an der Ringstraße entstanden war, zeigte sich das eine Million Mark teure Neptunbad zwischen Vogelsanger und Venloer Straße mit seinem vielgliedrigen Bauensemble zwar zurückhaltender.

Das riesige Portal und das Türmchen auf dem Hauptgebäude verliehen ihm jedoch ebenfalls die Ausstrahlung eines „Badepalasts“, wie es der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings ausdrückt. Schließlich wollte der königlich preußische Baurat Johannes Baptist Kleefisch mit dem Neubau die Bedeutung des aufstrebenden Industrievororts Ehrenfeld unterstreichen.

Ein hochmoderner Bau

Nur geschah dies auf viel fortschrittlichere Weise als beim historisierenden Hohenstaufenbad 30 Jahre zuvor: „Das Neptunbad war damals ein hochmoderner Bau“, fasst es Ulrich Krings zusammen, sein Charakter sei von Jugendstil und Werkbundarchitektur beeinflusst worden. Nur sparsam verteilte sich figürlicher und abstrakter Schmucker über die Fassade. Zusammen mit dem Hohenstaufenbad läutete das Neptunbad in Köln die Zeit der Hallenbäder ein. Zuvor gab es ausschließlich Badeanstalten, in denen die Gäste im Rheinwasser schwammen.

In den 70er Jahren ließ der Zustand des Bades zunehmend zu Wünschen übrig.

In den 70er Jahren ließ der Zustand des Bades zunehmend zu Wünschen übrig.

Innen zeigte sich die „Musteranstalt“ edel, aber eher zweckmäßig. Weil es in der zweigeschossigen Schwimmhalle nur ein Becken gab, wurden für Frauen und Männer getrennte Schwimmzeiten ausgewiesen. Zudem gab es 28 Wannen- und 27 Brausebäder, ein Schwitzbad und zwei Lichtbäder, außerdem einen Erfrischungsraum und einen Frisörsalon. Wände und Fußböden waren mit Kacheln belegt, Holz als Baumaterial hatte ausgedient.

Zu den schmückenden Elementen gehörte laut „Stadt-Anzeiger“ ein Laufbrunnen, „auf dem ein reizendes Brunnenbuberl steht, dasselbe, wie es auf dem Spielplatz des Deutschen Ringes aufgestellt ist, allerdings auch mit derselben Verstümmelung, geschmückt mit einem Feigenblatt“. Schon zwei Monate nach Eröffnung des Neptunbads ereignete sich ein Unglück, das wohl auf erhebliche Baumängel zurückzuführen war.

Begeisterung für Neptunbad ließ nicht nach

Am 7. Juni 1912 stürzte die Betondecke oberhalb der Schwimmhalle ein, als sich rund 30 Schwimmgäste darunter aufhielten. „Die Deckentrümmer erschlugen zwei Schüler und verletzten einen weiteren schwer, sechs andere Schwimmer kamen mit leichteren Verletzungen davon“, heißt es in der von den „Kölnbädern“ herausgegebenen Chronik „Bäder für Köln“: „Man hatte Glück, die Halle rasch räumen zu können, denn nach dem ersten Einsturz oberhalb des Nichtschwimmerbereichs brach auch die Decke über dem Schwimmerbecken ein.“

Die genaue Ursache konnte nicht geklärt werden, die Gerichtsverfahren gegen Bauunternehmer Hermann Brockhaus und Stadt-Inspektor Kleefisch endeten mit Freisprüchen. Trotz des Unglücks ließ die Begeisterung der Ehrenfelder für ihre Badeanstalt kaum nach: Allein 1912 wurden 135.000 Badegäste gezählt. Denn das Neptunbad war ein wichtiger Beitrag zur Volksgesundheit: Private Waschgelegenheiten waren Mangelware im eng bebauten Industrie-Stadtteil Ehrenfeld, der seit 1888 zu Köln gehörte.

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Im Ersten Weltkrieg war es damit vorbei, das Neptunbad musste als Lebensmittellager herhalten. Den Zweiten Weltkrieg überstand es relativ gut, wenngleich mit Beschädigungen. Das Walmdach des Eingangsbereichs war zerstört worden und wurde durch ein Flachdach ersetzt. Ohne Denkmalschutz wäre das Ehrenfelder Schmuckstück in den Jahrzehnten danach wohl abgebrochen worden, denn sein Zustand ließ in den 1970er Jahren zu wünschen übrig, die Begeisterung für den Jugendstil wohl auch.

Für die Sanierung habe sich maßgeblich Johannes Ralf Beines vom Amt des Stadtkonservators eingesetzt, sagt Ulrich Krings. Das Bad sei mit seiner Unterstützung in den 1980er Jahren zurückgerufen worden „in seine alte Schönheit“.

Zunächst wurde Ende der 1980er Jahre die Außenfassade erneuert und das Walmdach rekonstruiert. Zur Jahrtausendwende folgte dann die Sanierung im Innenbereich. Als städtisches Bad hatte die Anstalt zu diesem Zeitpunkt ausgedient. Sie ging in private Hände über. Die „Neptunbad GmbH & Co. KG“, eine Tochter der Claudius-Therme, baute den einstigen Badepalast in ein Wellness-Center aus. Heute werden in der ehemaligen Schwimmhalle Muskeln trainiert.

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