Die Verkehrs-Betriebe gehen davon aus, dass der Zughersteller Alstom den Millionenschaden übernehmen muss. Die neuen Bahnen fürs Niederflurnetz kommen nach einer Testserie frühestens ab Januar 2028.
Weil Bahnhersteller nicht liefertKVB muss 48 Millionen fürs Aufmöbeln alter Stadtbahnen zahlen

Müssen länger durchhalten: 40e Niederflurbahnen der Serie 4000 werden einer Generalsanierung unterzogen, die rund 48 Millionen Euro kostet. Foto: IMAGO
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Das ist die teuerste Verspätung in der Geschichte der Kölner Verkehrs-Betriebe. 48 Millionen Euro muss das Unternehmen ausgeben, um 40 Stadtbahnen einer Generalsanierung zu unterziehen, damit sie länger fahren können.
Die Bahnen, größtenteils 30 Jahre alt, sollten eigentlich im Laufe des Jahres 2024 nach und nach ausgemustert und durch 62 neue Züge des Bahnherstellers Alstom ersetzt werden. Bis heute hat das Unternehmen aber keinen einzigen geliefert. Die Züge werden vor allem für den Betrieb der Linie 1 zwischen Weiden-West und Bensberg dringend gebraucht.
Der Auftrag, im November 2020 vergeben, hat ein Volumen von 363 Millionen Euro. Die 60 Meter langen einteiligen Züge sollen einen Teil der 124 Bahnen der Baureihe K 4000 ersetzen, deren älteste Exemplare bereits seit 1995 in Betrieb sind. Zum Niederflurnetz der KVB gehören neben der Linie 1 noch die Linien 7, 9, 12 und 15.
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Bei der Bestellung war vereinbart worden, dass die beiden ersten Test-Bahnen ab September 2023 geliefert und im Alltagsbetrieb auf ihre Tauglichkeit getestet werden. Je nach Ausbau des Streckennetzes haben die KVB und Alstom die Lieferung von weiteren elf Lang- und 25 Kurzzügen vereinbart. Diese zusätzlichen Fahrzeuge für die Ost-West-Achse zwischen Bensberg und Weiden-West sind aber nur hinterlegt, also noch nicht bestellt.
Alstom sagt verlässlichen Lieferplan zu
Alstom habe inzwischen einen neuen, verlässlichen Lieferplan zugesagt, teilte die KVB am Donnerstag auf Anfrage mit. Danach soll das erste Vorserien-Fahrzeug im Oktober 2026 kommen, mit drei Jahren Verspätung. Nach den Tests soll die Serien-Lieferung im Januar 2028 beginnen.
Die Ausschreibung für die Generalüberholung der alten Stadtbahnen hat die Firma Talbot gewonnen. Weil die KVB nach den schlechten Erfahrungen mit den Lieferversprechen bei den Neufahrzeugen keinen weiteren Fahrzeug-Engpass riskieren will, schließt die Vergabe an Talbot die Sanierung von bis zu 84 weiteren Zügen ein. Das wäre dann die gesamte Flotte. Das würde nach den aktuellen Preisen noch einmal rund 100 Millionen Euro kosten. Die ersten 40 Züge sollen bis Ende 2027 auf dem technisch neuesten Stand sein.
Talbot übernimmt die Sanierung der alten Flotte
Die KVB erwartet, dass Alstom neben der Vertragsstrafe für die verspätete Lieferung auch alle Kosten für das Auffrischen der alten Züge übernehmen muss. „Die Vertragsstrafe ist vertraglich geregelt und wird vollumfänglich geltend gemacht“, sagte ein KVB-Sprecher. Bei der Sanierung aller alten Züge wären das allein 148 Millionen Euro – das sind knapp 40,8 Prozent des Auftragsvolumens für die neue Flotte.

Leider nur ein Modell: KVB-Chefin Stefanie Haaks steht im Juli 2022 vor einem Modell der neuen Alstom-Bahnen im Straßenbahnmuseum Thielenbruch.
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Ursprünglich war man davon ausgegangen, dass die Instandsetzung der 40 alten Züge rund 20 Millionen Euro kostet und hatte für diesen Fall im Haushalt des vergangenen Jahres Rückstellungen in Höhe von rund 28 Millionen Euro gebildet. „Dieser Betrag war ein Schätzwert“, so der KVB-Sprecher. „Bei genauer Überprüfung der Fahrzeuge hat sich herausgestellt, dass eine wesentlich umfangreichere Sanierung erforderlich ist als angenommen.“
Von den insgesamt 193 Zügen des Niederflurnetzes standen zuletzt im Durchschnitt pro Tag nur 132 zur Verfügung, weil neben der normalen Instandsetzung noch Wartungsintervalle, Hauptuntersuchungen und die Reparatur von Unfallschäden zu Buche schlagen. Einige Wagen müssen für die Fahrschule abgestellt werden.
Notfahrplan wegen Fahrzeugmangel
Alstom hat die Liefer-Verspätung mehrfach bedauert. Gründe für die Verspätung seien „die angespannte Liefersituation bei einzelnen Zulieferern. Zudem wurde für die Entwicklung der Bahnen deutlich mehr Zeit benötigt als ursprünglich angenommen“. Im November 2024 hatte Alstom auch eingeräumt, dass man mit dem Bau der einteiligen Langzüge, wie die KVB sie bestellt hat, keine Erfahrung habe und es „konstruktionstechnische Probleme“ gebe. Der Auftrag sei vergleichbar mit einer Sonderbestellung. „60 Meter lange Fahrzeuge mit einer Achslast von zehn Tonnen und einer Breite von 2,65 Meter sind für uns eine technische Herausforderung“, sagte ein Mitarbeiter damals.
Der Fahrzeugmangel ist einer der Hauptgründe, warum die KVB den seit Anfang 2023 ausgedünnten Fahrplan auf den Stadtbahnlinien wohl noch bis 2030 aufrechterhalten muss. Beim Fahrpersonal hat sich die Lage inzwischen merklich entspannt.
Neue Hochflur-Bahnen vom Zughersteller Stadler
Nach dem Alstom-Desaster hofft man bei der KVB, mit dem nächsten Großauftrag nicht erneut Schiffbruch zu erleiden. Ende Juli wurden beim Schweizer Bahn-Unternehmen Stadler 132 neue Stadtbahnen für das Hochflurnetz, also für die Linien 3, 4, 5, 13, 16, 17 und 18 bestellt – ein Auftrag über 700 Millionen Euro.

So sollen die neuen KVB-Stadtbahnen der Firma Stadler für das Hochflurnetz aussehen.
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Dafür sollen die Schweizer 132 neue Züge und 34 jeweils zehn Meter lange Zwischenmodule liefern. Bei Bedarf können sie über eine Schnelltrennstelle eingepasst und zwei Stadtbahnen zu einem 70 Meter langen Zug verlängern, der 470 Menschen Platz bietet. Das war bei allen anderen Vorgänger-Bahnen im KVB-Netz bisher nicht möglich. Einzelzüge von je 30 Metern Länge mit zwei Fahrerständen wird es also nicht mehr geben. Die neuen Bahnen fahren entweder in der 60-Meter-Variante oder mit dem eingesetzten Zwischenstück.
Die ersten zehn Bahnen und fünf Verbindungsmodule sollen 2029 für den Vorserien-Betrieb geliefert werden. Ihre Serienauslieferung ist von Mitte 2030 bis Ende 2032 geplant. Die neuen Fahrzeuge ersetzen schrittweise die bisherigen Züge der Serien 2200/2300 und 5100 und kommen ab 2029 auf den Linien 4, 13 und 18 zum Einsatz.