Hohe Preise, weniger Gäste, leere Lokale unter der Woche und warum manche Läden dennoch boomen.
„Brutale Auslese“So kämpfen sich Kölner Wirte durch die Krise

Geert Dilien ist Wirt im Gilden im Zims und führt auch das Servus Colonia Alpina sowie das Deutzer Brauhaus.
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Der große Schwung an Gästen ist um halb neun schon wieder weg. Danach ist es für einen Freitag- oder Samstagabend deutlich ruhiger als er es aus früheren Jahren gewöhnt war, sagt Uwe Esser, Wirt des Peters-Brauhauses in der Altstadt. „Die Altstadt ist leerer als sonst, wir merken Umsatzrückgänge, die Gäste verzehren weniger, günstigere Gerichte laufen besser als teurere, Vorspeisen werden öfter weggelassen. Wir hoffen auf das Wintergeschäft mit den Weihnachtsmärkten“, fasst Esser, seit 31 Jahren in der Gastronomie tätig, die aktuelle Lage zusammen. Er ist auch Vorstandsmitglied des Hotel- und Gaststättenverband Nordrhein (Dehoga).
Die Dehoga teilt darüber hinaus mit, dass derzeit „trotz zum Teil schöner Wetterperioden und gutem Messegeschäft (Anuga) eine vorgezogene Novembermelancholie zu spüren“ sei und die Gäste verhalten seien. Der Trend, dass die Menschen insgesamt weniger ausgehen, und wenn eher am Wochenende, sei ebenfalls festzustellen, so Mathias Johnen von der Dehoga.
Leere Tourimeile am Rheinufer, belebterer Heumarkt
Wirt Geert Dilien, der am Heumarkt das Gilden im Zims sowie das Servus Colonia Alpina am Steinweg betreibt, differenziert: Altstadt sei nicht gleich Altstadt: „Während der Heumarkt an einem Freitagabend sehr belebt ist, bleiben die Lokale am Rheinufer eher leer.“ Auf der „Tourimeile“ mit internationalen Restaurants stiegen die Preise besonders stark an. Das bekommt der Wirt auf seinen wöchentlichen Streifzügen durch die Altstadt mit, die er unternimmt, um die Lage für sich zu analysieren. Auch die Dehoga bestätigt, dass „das gemeinte und gefühlte rheinisch/kölsche Gefühl in Brauhäusern“ besser verkauft werde gegenüber „Konzepten mit internationaler Karte“, so Johnen.
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Martin Schlüter von der IG Gastro wählt deutlichere Worte: „Die leere Altstadt ist der Preis, dass man sich nicht so lang um die Gäste gekümmert hat, Kölsch gibt es nur noch im 0,3-Glas, die Speisenauswahl ist klein. Für mich ist ein 0,3-Glas ein absolutes No-Go, da bin ich Purist.“
Geert Dilien verkauft in seinem Brauhaus das Kölsch im 0,2-Glas für 2,40 Euro. Er klagt nicht, bei ihm laufe es gut, zumal er schon seit 2010 eine Marktlücke füllt: Wenn die umliegenden Brauhäuser um 23 Uhr schließen, geht die Party bei ihm im Keller erst so richtig los. Doch um sich durch die Wirtschaftskrise zu kämpfen, muss der 50-jährige gelernte Hotelfachmann ständig sein Angebot überprüfen.

Martin Schlüter ist Betreiber vom Reissdorf am Hahnentor und im Vorstand der Interessengemeinschaft Gastro
Copyright: Arton Krasniqi
Kölner Wirt überprüft nun alle drei Monate Preise
Erst vor kurzem habe er das teuerste Gericht von der Karte genommen: den „Präsidententeller“ mit Rinderfilet sowie Himmel un Ääd. „Wir waren bei 38 Euro angelangt, der Preis für Rind- und Kalbsfleisch hat sich in den letzten zwei Monaten um 30 Prozent erhöht. Wir hätten den Teller für 40 Euro anbieten müssen“, so Dilien. Stattdessen setze er immer öfter Hauptgerichte auf die Karte, die unter 20 Euro liegen: Für 15,50 Euro gibt es Leberkäse mit Spiegelei und Bratkartoffeln. Nachdem er die Suppengröße von 0,3 auf 0,2 verringert habe, koste die Tagessuppe lediglich 6,90 Euro. Das seien Preise, die die Gäste akzeptierten und nach denen sie Ausschau hielten. Während er früher nur einmal jährlich seine Preise überprüft habe, überlege er nun alle drei Monate. „Dann kann ich aber auch nicht gleichzeitig Kölsch- und Essenspreise erhöhen, das muss sich abwechseln“, so Dilien.
„Alle gucken aufs Geld und halten es zurück“, stellt auch Philipp Anders von der Altstadtbar Kulisse und dem Walfisch im Sünner an der Salzgasse fest. Der Gastronom berichtet von schlechten Sommermonaten und zurückhaltendem Herbststart, überhaupt das gesamte Jahr sei „schlechter als die Vorjahre“ gewesen. Wirt Geert Dilien verweist darauf, dass das vergangene Jahr mit der Fußball-EM auch ein „erstaunlich gutes“ gewesen sei: „Das waren 25 Tage, von denen fünf unfassbar stark waren.“ Auch Schlüter von der IG Gastro beobachtet, dass das Bild nicht so eindeutig ist: „Der Zulauf konzentriert sich auf weniger Läden.“ Starke Gastro-Meilen wie die Aachener Straßen seien stets sehr gut besucht, auf Social Media stark präsente Lokale in der Südstadt oder Ehrenfeld boomen. Auch Gaffel-Geschäftsführer Dennis Lieske zeigt sich zufrieden. „Brauhäuser sind nach wie vor äußerst beliebt. Bei uns ist zu jeder Tageszeit etwas los, vom späten Frühstück bis zum späten Abend. Der Wunsch nach Geselligkeit ist ungebrochen.“

Uwe Esser (m.) mit Hans Peters (l.) und Felix Peters bei der feierlichen Eröffnung des Peters am Hahnentor.
Copyright: Annika Müller
Und die, die ihren Job besonders gut machten und qualitativ hochwertig arbeiteten, würden belohnt. „Der Bickendorfer Hof zum Beispiel platzt aus allen Nähten. Drumherum herrscht gähnende Leere“, so Schlüter. In Krisenzeiten seien die Leute sparsamer, aber auch wählerischer. „Die, bei denen es etwas holprig läuft – und wenn es einfach eine ungemütliche Terrasse ist – werden schneller bestraft. Es herrscht eine brutale marktwirtschaftliche Auslese“, so Schlüter, der das Reissdorf am Hahnentor betreibt.
Kölner Gastronomen hoffen auf Herabsenkung der Mehrwertsteuer auf Speisen
Derzeit klammern sich die Wirte an die Hoffnung, dass die Herabsenkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent zum Neujahr tatsächlich in Kraft tritt. „Wenn die nicht kommt, werden wir bei kleineren Gastronomen extrem viele Pleiten erleben“, glaubt Uwe Esser vom Peters-Brauhaus. „Die Herabsenkung wird von den Kosten komplett aufgefressen“, sagt Philipp Anders vom Walfisch. Neben der Teuerung von Lebensmitteln und der Energiepreise, schlage die Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro ab 2026 besonders zu Buche: Dann müssten auch alle anderen Löhne aufgestockt werden. „Ich kann meinem Chefkoch ja nicht erklären, dass die Küchenhilfe jetzt mehr bekommt, er aber nicht“, so Anders.
„Der tarifgebundene Lohn liegt etwa 50 Cent höher als der Mindestlohn. Bei Mini-Jobbern sind wir jetzt schon bei 14,40 Euro netto pro Stunde. Im Jahr 2018 lag der Mindestlohn noch bei 9,30 Euro. Das ist eine enorme Steigerung“, sagt Dilien. Er habe mit seinen drei Lokalen – er betreibt auch das Deutzer Brauhaus – den Vorteil, dass er Arbeitsprozesse konzentrieren kann.
„Wir haben für drei Läden eine zentrale Buchhaltung, eine einzige Warenwirtschaft, dadurch sparen wir uns viele Kosten, die andere nur für ein Lokal haben“, so Dilien. Philipp Anders von der Kulisse denkt nicht ans Aufhören. Gestiegene bürokratische Auflagen, die allgemeine Teuerung: Die Zeiten seien zwar schwerer, um ein Geschäft zu führen, als noch vor der Pandemie. Aber er bleibe dran. „Meinen Kindern würde ich es aber nicht empfehlen, in der Gastronomie zu arbeiten.“

