Scheidender Uni-Rektor Axel Freimuth„Ich würde nicht sagen, die Uni Köln hat ein Me-Too-Problem“

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05.06.2023, Köln-Lindenthal: Der Altbau mit Haupteingang der Universität beim Interview mit Uni-Rektor Axel Freimuth, der im Oktober in den Ruhestand geht und am 6. Juli seine offizielle Abschiedsfeier feiert. Foto: Christian Festag

Der Altbau mit Haupteingang der Universität Köln.

Axel Freimuth geht im Oktober in den Ruhestand. Im Interview spricht er über seine Meilensteine, aber auch über die Missbrauchsvorwürfe.

Axel Freimuth ist seit 2005 Rektor der Universität zu Köln. Nach 18 Jahren in diesem Amt geht der 65-Jährige im Oktober in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird der jetzige Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen, Professor Joybrato Mukherjee. In seinem letzten Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht Freimuth über die Meilensteine seiner Amtszeit, mögliche Kooperationen und die Missbrauchsvorwürfe der vergangenen Monate.

Herr Freimuth, Sie sind seit 2005 Rektor der Uni Köln und gestalten maßgeblich die Universität mit. Warum wollen Sie nicht weitermachen? 

Axel Freimuth Im Oktober werde ich 66 Jahre alt. Ich hatte nie vor, länger zu arbeiten. Ich wollte immer in gutem Zustand in den Ruhestand gehen und noch etwas Neues machen – darauf freue ich mich. Ich finde aber auch, dass 18 Jahre als Rektor dieser Universität genug sind.

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Uni Köln: Axel Freimuth will mit dem Wohnwagen durch Europa reisen

Was stellen Sie denn dann mit der freien Zeit ab Oktober an?

Ich will vor allem frei und spontan über meine Zeit entscheiden können, also ein bisschen so, wie es früher als Student war, wo ich in den Semesterferien in den Urlaub gefahren bin, ohne genau zu wissen, wann ich wieder zurückkomme. Und ansonsten: Ich mache zusammen mit meiner Frau viel Musik und habe schon während Corona ein kleines Musikstudio reaktiviert. Außerdem haben wir uns einen gebrauchten Wohnwagen gekauft, mit dem wir ein bisschen durch Europa tingeln möchten. Nach Schottland oder Irland, beispielsweise, da war ich noch nie. Ich habe auch ein Manuskript für einen Universitäts-Roman geschrieben, den muss ich allerdings noch ein bisschen bearbeiten. Und meine guten Bekanntschaften möchte ich reaktivieren – dafür war als Rektor viel zu wenig Zeit. Ich werde auf jeden Fall nicht ein Rektor im Ruhestand sein, der sich immer noch andauernd um die Uni kümmert.

Also in der Uni sind sie dann komplett raus?

Ich habe mir vorgenommen, operativ gar nichts mehr zu machen. Beratend vielleicht – das hängt vom Thema ab.

Axel Freumuth schaut in die Kamera.

Rektor Axel Freimuth hat in 18 Jahren an der Uni Köln viele Veränderungen miterlebt.

Was sind aus Ihrer Sicht die Meilensteine Ihrer Amtszeit gewesen?

Das erste ganz große war die Bologna-Reform, durch die der Bereich Studium und Lehre von Anfang an im Fokus stand. Es war eine große Aufgabe, fast sämtliche der über 300 Studiengänge der Uni Köln von Grund auf zu reformieren. Ein weiterer Meilenstein war die große Strukturreform der Universität, bei der die lehrerbildenden Bereiche neu strukturiert wurden. Dabei wurden die ehemaligen Fakultäten für Erziehungswissenschaften und Heilpädagogik aufgelöst und die Fakultät für Humanwissenschaften neu gegründet. Auch die Lehrerbildung wurde neu strukturiert und auf Bachelor-Master Studiengänge umgestellt. Es freut mich sehr, dass diese Reform gut gelungen ist und sich die neue Fakultätsstruktur bewährt hat. Der nächste Meilenstein war 2007 das Hochschulfreiheitsgesetz. Ich persönlich halte das für den entscheidenden Schritt, warum die Unis in Nordrhein-Westfalen sehr viel besser geworden sind, sowohl im nationalen als auch im internationalen Vergleich. Ein Riesending, gerade für die Uni Köln, war die Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs in 2013. Dabei haben wir innerhalb von zwei Jahren die Kapazität der Uni um 30 Prozent erhöht. Und natürlich war der Exzellenzwettbewerb ein großer Treiber für die Profilierung und Modernisierung der Universitäten. Der Kern der Initiative waren und sind die Exzellenzcluster, durch die wir international wettbewerbsfähige Schwerpunkte bilden konnten. Mit vier Exzellenzclustern – in der Alternsforschung, den Pflanzenwissenschaften, dem Quantencomputing und den Wirtschaftswissenschaften – gehört die Uni Köln zu den erfolgreichsten Universitäten in diesem Wettbewerb.

Universität Köln will den Status „Exzellenz-Uni“ wieder zurückholen

Stichwort Exzellenz. Im Jahr 2012 bekam die Uni Köln den Titel „Exzellenz-Universität“ verliehen. 2019 verlor die Uni den Exzellenzstatus jedoch wieder. Wie bereitet sich die Uni Köln denn darauf vor, wieder eine „Exzellenz-Universität“ zu werden?

Wir haben zunächst unsere Schwerpunktbildung weiter vorangetrieben und vor kurzem sieben Skizzen für neue Cluster eingereicht, unter anderem in der Krebsforschung gemeinsam mit der Uni Duisburg-Essen und im Bereich Next Generation Earth System Science, da geht es vor allem um KI-Methoden in der Erdbeobachtung – wichtig für die Klimaforschung. Auch die Geisteswissenschaften sind dabei, mit einem Cluster zu „Language Challenges“. Auch die vier schon existierenden Cluster werden wieder antreten. Mit diesen Schwerpunkten und unserer insgesamt sehr guten Entwicklung in den Querschnittsthemen wie Nachwuchsförderung, Internationalisierung und Diversität haben wir eine exzellente Basis, um auch den Status der „Exzellenz-Uni“ wiederzubekommen. Mittelfristig wollen wir noch stärker mit der Universität Bonn zusammenarbeiten. Wir verfolgen derzeit ein gemeinsames Großprojekt, nämlich den Innovationspark Köln/Bonn. Da verhandeln wir mit dem Wissenschaftsministerium in Düsseldorf wegen eines großen Grundstücks zwischen Wesseling und Brühl-Bornheim, auf dem wir einen gemeinsamen Campus aufbauen wollen. Aber in die nächste Runde für den Exzellenzstatus gehen wir zunächst noch einmal alleine.

Das Exzellenz- Start-up-Center Gateway an der Uni Köln belegt mittlerweile den sechsten Platz im Ranking des Deutschen Stifterverbandes, und das bundesweit. Warum ist es Ihnen wichtig, dass Start-ups an der Uni Köln gefördert werden?

Zum einen, weil im Hochschulgesetz nicht nur Forschung und Lehre stehen, sondern auch Innovation. Die Wissenschaft hat immer auch Anwendungspotenzial, und wir möchten gerne, dass das auch genutzt wird. Im Fall von Gateway liegt der Fokus allerdings auf dem immensen Potenzial der Studierenden. Köln hat 100.000 Studierende, davon sind knapp die Hälfte bei uns an der Uni, und eine Menge von ihnen haben innovative Ideen. Mit Gateway haben wir eine Plattform geschaffen, auf der sich die Studierenden in Richtung Start-up ausprobieren können. Wir bieten zusammen mit Partnern aus Wirtschaft und Industrie unterstützendes Know-how.

Ich würde jetzt nicht nach zwei dokumentierten Fällen als Rektor sagen, die Uni Köln hat ein Me-Too-Problem oder ein Machtmissbrauch-Problem
Axel Freimuth, Rektor der Uni Köln

In den vergangenen Monaten gab es zweimal Negativ-Berichte über Machtmissbrauch an der Uni Köln. Im Dezember etwa wurden Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen einen Professor laut. Im Januar gab es deswegen eine Protestaktion des Asta, der die Probleme im Umgang mit Machtmissbrauch an der Uni anprangerte. Im April gab es erneute Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen eine Professorin. Welche Strategie verfolgt die Uni, damit künftig solche Vorfälle möglichst nicht mehr passieren?

Es ist natürlich furchtbar, wenn solche Vorgänge passieren – aber wenn man 7000 Mitarbeiter hat, ist es auch nicht auszuschließen, dass es vorkommt. Wir haben über die letzten zehn Jahre im Personalbereich weitreichende, grundsätzliche Reformen durchgeführt. Mit den dabei etablierten neuen Strukturen und Prozessen haben wir vor allem die Hürden gesenkt, um Missstände aufzudecken und zu bekämpfen – Studierende und Mitarbeitende können jetzt niedrigschwellig berichten – offiziell, aber nach Wunsch auch informell über unser System von Vertrauenspersonen, wenn etwas nicht gut läuft. Dabei waren wir durchaus erfolgreich, denn immerhin sind die beiden von Ihnen genannten Fälle nicht von den Medien, sondern durch uns selbst aufgedeckt worden. Ich hoffe sehr, dass auf diese Weise das Vertrauen wächst, dass die Universität Interesse daran hat, Missstände aufzudecken und aufzuarbeiten.  Es gibt zwei Wege an der Uni: den offiziellen Weg, sich auf dem Dienstweg zu beschweren, oder den Weg über eine Ombudsperson, der erstmal völlig vertraulich und informell ist. Durch diese Struktur erhalten wir jetzt mehr Hinweise.

Also sagen Sie, dass die Uni Köln kein systemisches Problem hat?

Diese Frage ist schwer zu beantworten, da ich die Dunkelziffern nicht kenne. Wir haben sicher das gleiche systemische Problem, was jede Einrichtung hat, in der es Hierarchien gibt. Überall dort kann es zu Machtmissbrauch kommen, und überall dort kommt es zu Machtmissbrauch. Wenn Sie allerdings die Frage stellen, ob es an den Universitäten verstärkt dazu kommt, kann ich nur feststellen, dass es auf der Basis von zwei aufgedeckten Fällen derzeit dafür keine Evidenz gibt. Ich würde jetzt nicht nach zwei dokumentierten Fällen als Rektor sagen, die Uni Köln hat ein Me-Too-Problem oder ein Machtmissbrauch-Problem.

Rektor Axel Freimuth sitzt mit den Redakteuren des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in seinem Büro.

Im letzten Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ lässt Rektor Axel Freimuth (links) die letzten 18 Jahre Revue passieren.

Eine Baustelle, die bleibt, ist die Kooperation zwischen der Uniklinik und den städtischen Kliniken. Stehen Sie, trotz aller finanziellen Turbulenzen, noch immer hinter dieser Kooperation?

Ja, ich halte diese Kooperation für sinnvoll. Die Krankenversorgung in Köln würde gewinnen, beispielsweise weil Kern- und Spitzenversorgung in Köln sichergestellt und effizienter gestaltet würden. Immerhin gehört die Uniklinik zu den besten Deutschlands, was ihre Forschungs-, Lehr- und Krankenhausleistungen angeht. Eine Kooperation würde den Standort Köln als Zentrum der Lebenswissenschaften in eine andere Dimension heben. Aber natürlich muss eine solide Basis für die Finanzierung sichergestellt sein. Als stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat des Uniklinikums habe ich immer gesagt, dass eine Kooperation finanzierbar sein muss und uns nicht in die roten Zahlen bugsieren darf.

Was ist mit Kardinal Woelkis „Hochschule für Katholische Theologie“ (KHKT)? Sehen sie auch da Kooperationsmöglichkeiten?

Die Kölner Uni hat in der Lehramtsausbildung bereits mehrere Professuren für den Bereich Theologie. Wir sind da bestens aufgestellt und es gibt keine erhöhte Nachfrage. Zudem haben wir einen exzellenten Partner mit der Uni Bonn und ihren etablierten und renommierten theologischen Fakultäten. Dort wird Theologie auf einem Niveau getrieben, wie ich es mir für Studierende wünsche. Ich durfte vor einiger Zeit zu meiner Überraschung der Zeitung entnehmen, dass die KHKT auf ihrer Webseite auf eine Kooperation mit der Uni Köln verwies, von der ich nicht das Geringste wusste. Ich habe darüber auch ein Gespräch mit Kardinal Woelki geführt und habe ihm gesagt, dass wir keine Pläne für so etwas haben – und auch keinen Bedarf.

Ihr Nachfolger ist Professor Joybrato Mukherjee. Vor welchen Herausforderungen steht er Ihrer Meinung nach als neuer Rektor?

Ich will meinem Nachfolger natürlich keine Aufgaben ins Stammbuch schreiben. Aber einige Kernthemen liegen auf der Hand, wie die Beteiligung an der nächsten Exzellenz-Initiative, die derzeit laufende System-Akkreditierung der Studiengänge, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sowie der geplante Innovationspark Köln/Bonn. Joybrato Mukherjee ist ein sehr versierter Kollege, und als Präsident des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD) bringt er erhebliche internationale Erfahrungen mit. An den großen Strängen muss er anknüpfen, aber er wird gewiss auch eigene Akzente setzen, und das finde ich gut. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir den „Exzellenz-Status“ wieder bekommen, denn wir sind nicht nur eine der größten Unis, wir gehören auch zu den besten!

Das Gespräch führten Larissa Rehbock, Dirk Riße und Joachim Frank.

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