Beleidigt, berührt, unter Druck gesetztProfessorin der Uni Köln soll ihre Macht missbraucht haben

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Das Bild zeigt die Bronzestatue von Albertus Magnus vor der Universität zu Köln.

Bereits Mitte März soll eine Professorin der Universität zu Köln wegen des Vorwurfs des Machtmissbrauchs eine außergewöhnliche dienstliche Anordnung des Rektors Axel Freimuth erhalten haben.

Nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs gegen eine Professorin hat die Uni Köln Konsequenzen gezogen. Die Wissenschaftlerin klagt nun – und wird von Mitarbeitern verteidigt.

An der Uni Köln gibt es erneut Vorwürfe gegen Lehrpersonal wegen angeblichen Machtmissbrauchs. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ soll eine Professorin mehrere Promovierende, Postdoktoranden sowie frühere Angestellte unter anderem beleidigt, unangemessen berührt und unter psychischen Druck gesetzt haben.

Aufgrund der Vorwürfe hat die Professorin Mitte März eine außergewöhnliche dienstliche Anordnung des Rektors Axel Freimuth erhalten, teilt ihr Anwalt Dr. Frank Wertheimer auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit. Demnach soll der Professorin unter anderem die Weisungsbefugnis gegenüber 17 Doktorandinnen und Doktoranden entzogen worden sein. „Es sei aber sichergestellt, dass jeder der betroffenen Doktoranden von im Fach ausgewiesenen Professorinnen und Professoren betreut wird. Wer die Betreuung wechseln möchte, wird dabei von der Universität unterstützt“, sagt eine Sprecherin der Uni.

50 Seiten langer Beschwerde-Bericht über eine Professorin der Uni Köln

Hintergrund für die Maßnahme seien Beschwerden mehrerer Promovierender, Postdoktoranden sowie früherer Angestellten. Bereits im September 2021 sollen sie einen Beschwerde-Bericht an Ansprechpartner der Fakultät und der Universität zu Köln geschickt haben. Auch die Universitätsleitung soll später informiert worden sein.

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In dem 50 Seiten langen Bericht, der dem „Spiegel“ vorliegen soll, heißt es, dass die Professorin ihre Promovierenden beleidigt haben soll. So sollen unter anderem die Worte „dumm“, „nutzlos“ oder „behindert“ gefallen sein. Zudem soll die Professorin Arbeitszeiten von mehr als 80 Wochenstunden verlangt haben. In dem Bericht sprächen die Wissenschaftler von einem „quasi-feudalen Abhängigkeitsverhältnis“ und einem „Klima der Angst“ am Institut.

Wir haben diese umgehend sorgfältig geprüft und dann mehrstufig Maßnahmen ergriffen, um die Situation zu verbessern.
Sprecherin der Universität zu Köln

Weiter sei von „unangenehmen Berührungen“ die Rede. So soll die Professorin laut des Berichts einer bei ihr angestellten Wissenschaftlerin „immer wieder am Rücken angelangt und gestreichelt“ und ihr „auf den Oberschenkel geklopft“ haben. Über die Situation schreibe die Wissenschaftlerin: „Für mich war die Kombination aus psychologischem Druck einerseits und der körperlichen Zuneigung andererseits sehr unbehaglich.“

Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt eine Sprecherin der Uni Köln, dass es im Zusammenhang mit der Personalführung im Institut Beschwerden gab: „Wir haben diese umgehend sorgfältig geprüft und dann mehrstufig Maßnahmen ergriffen, um die Situation zu verbessern.“

Professorin klagt wegen Vorwurf des Machtmissbrauchs gegen Uni Köln

Die Maßnahmen würden derzeit gerichtlich überprüft werden. Weitere Details wollte die Sprecherin nicht nennen. Auch die Professorin hat bereits rechtliche Schritte eingeleitet. Rechtsanwalt Dr. Frank Wertheimer hat am 29. März eine Klage und einen Eilantrag gegen die dienstliche Anordnung der Uni eingereicht. Dies bestätigte ein Sprecher des Verwaltungsgerichts Köln auf Anfrage.

„Meiner Mandantin ist insgesamt sehr daran gelegen, die ihre wissenschaftliche Arbeit massiv beeinträchtigende Situation zu bereinigen“, sagt Wertheimer. Denn „die angeordneten Maßnahmen führen zu einer erheblichen und schweren Beeinträchtigung der wissenschaftlichen Arbeit in dem von meiner Mandantin geleiteten Institut.“

Kölner Professorin habe die Beschwerde-Mails nie gesehen

Laut Wertheimer habe die Professorin „der Universität auch Gesprächsbereitschaft signalisiert.“ Voraussetzung dafür sei, dass die Universitätsleitung der Professorin Einsicht in alle Verwaltungsakten gewährt. Denn die Professorin und Wertheimer hätten weder den Beschwerde-Brief noch die E-Mails gesehen, aus denen der „Spiegel“ zitiert. Auch auf Nachfrage wolle die Uni Köln diese nicht herausgeben, sagt der Anwalt. Seine Mandantin sei zuvor nur mündlich und ohne Einzelheiten über die vorhandenen Beschwerden informiert worden.

Auf Nachfrage sagt ein Sprecher der Uni Köln gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger: „Ihre Fragen betreffen Aspekte, die zunächst im Gerichtsverfahren zu erörtern sind. Ich bitte Sie daher um Verständnis, dass wir uns dazu derzeit nicht äußern können.“

Nachvollziehen könne die Professorin die Vorwürfe nicht. Ihr und Wertheimer lägen mittlerweile 18 Stellungnahmen aktueller und früherer wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen sowie früherer Doktoranden vor, die die Vorwürfe zurückweisen. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat mit zwei Verfassern der Stellungnahmen gesprochen, einer der sogenannten Unterstützerbriefe liegt vor.

Köln: Verfasser der Unterstützerbriefe weisen Vorwürfe zurück

In diesem schreibt die Verfasserin unter anderem zu den Vorwürfen: „Ich habe im Institut nie Angst erlebt“ oder „Die Professorin hat nie verlangt, Mehrarbeit zu leisten“. Dazu sagt sie im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Ich habe mich bewusst für das Doktorat entschieden und wissenschaftliche Publikationen unterliegen einer großen Konkurrenz. Die Professorin musste mir nicht sagen, wie wichtig es ist, viel Zeit zu investieren.“ Die Professorin habe es aber immer sehr wertgeschätzt, „dass ich meine Aufgaben für die Arbeit immer fertiggestellt habe.“

Vor allem auch, da die Verfasserin schon während der Zeit am Institut einen Sohn hatte. In diesem Zusammenhang sei die Professorin sehr unterstützend gewesen. Dazu schreibt sie: „Sie ist sehr nett und liebevoll im Umgang mit Kindern und hat meinem Sohn immer die Möglichkeit gegeben, seinen 'Boys and Girls Day' in ihrem Institut zu verbringen.“

Sie war immer sehr kritisch und wenn Ergebnisse nicht überzeugend waren, hat sie die Arbeit kritisiert, aber nie die Person.
Ehemalige Angestellte

Zu den vorgeworfenen Beleidigungen hat sie eine klare Meinung: „Die Professorin hat mich nicht beleidigt. Sie war immer sehr kritisch und wenn Ergebnisse nicht überzeugend waren, hat sie die Arbeit kritisiert, aber nie die Person.“ Aufgrund ihres Arbeitsumfelds sei sie zudem sehr vorsichtig mit ihrem Wortlaut gewesen. 

Auch der zweite Verfasser sagt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass die Professorin immer Klartext geredet habe. Vielmehr habe der Verfasser es an der Professorin als Vorgesetzte geschätzt, dass „ich genau wusste, wo ich bei ihr dran war“. 

Zudem sagt er: „Ich kann ganz klar sagen: Gegenüber mir hat die Professorin ihre Macht nie missbraucht. Und die Frage, ob es ein Machtmissbrauch ist, kann man auch nicht beantworten, indem man – und das hat der ‚Spiegel‘ versucht – ein persönliches Portrait der Person zeichnet. Denn Zitate wie Studierende heulen sind aus dem Kontext gerissen. Ich weiß nicht, ob es so bekannt ist, aber eine experimentelle Doktorarbeit ist eine extrem stressige Zeit. Man sollte wissen, dass ein Betreuer in bestimmten Situationen auch fordernd sein muss.“

Weiter glauben beide nicht, dass die Professorin Mitarbeitende absichtlich angefasst hat. „Sie ist sehr ausdrucksstark“, sagt die Verfasserin. Eine Berührung an der Schulter bei Lob oder Trost sei durchaus vorgekommen. „Soweit ich die Professorin persönlich kenne, bin ich mir absolut sicher, dass sie nichts Unangebrachtes machen würde, auch wenn es so empfunden wurde“, sagt der Verfasser weiter.

Wann es Entscheidungen in den Verfahren, die Klage und den Eilantrag geben wird, ist derzeit noch offen, sagt der Sprecher des Verwaltungsgerichts Köln auf Anfrage.

Asta der Uni Köln begrüßt die Entscheidung des Rektorats

Doch auch ohne bisherige Entscheidungen sorgt der Vorwurf wieder für Aufmerksamkeit und Diskussionen innerhalb der Uni und Wissenschaft. „Der Asta der Universität zu Köln begrüßt die entschiedene Reaktion des Rektorats, um Mitarbeitende vor weiterem Machtmissbrauch zu schützen und Machtmissbrauch im Wissenschaftsbetrieb einzudämmen“, heißt es in einer offiziellen Pressemitteilung des Asta. „Insbesondere die geschilderte enorme psychische Belastung in Verbindung mit der ungewollten physischen Nähe schockiert mich“, sagt Maximilian Zinsmayer, Öffentlichkeitsreferent des Asta.

Erst im Januar hatte der Asta zu einer Protestaktion aufgerufen, da er die Probleme im Umgang mit Machtmissbrauch an der Universität anprangerte. Denn dies ist nicht der erste Vorfall dieser Art an der Uni Köln. Bereits im Dezember vergangenen Jahres gab es Vorwürfe wegen Machtmissbrauchs an der Universität zu Köln. Mehrere ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterinnen haben damals schwere Vorwürfe gegen einen Kölner Universitätsprofessor erhoben. Ein Ergebnis gebe es in dem Verfahren derzeit noch nicht, teilt die Sprecherin der Uni Köln auf Anfrage mit.

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