Streit über GeißbockheimUrteil erwartet – 1. FC Köln bald in Marsdorf?

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Das Bild zeigt die Gleueler Wiese im Äußeren Grüngürtel.

Auf der Gleueler Wiese im Äußeren Grüngürtel will der 1. FC Köln drei Kunstrasenplätze und vier Kleinspielfelder bauen.

Im jahrelangen Streit um die Ausbau-Pläne des 1. FC Köln steht heute das Urteil des Oberverwaltungsgericht Münsters an – ob es wirklich viel an der verfahrenen Situation ändert, ist aber fraglich.

Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) entscheidet am heutigen Donnerstag, ob der Bebauungsplan für den Ausbau des Fußball-Erstligisten 1. FC Köln am Geißbockheim in Ordnung ist. Laut einer OVG-Sprecherin ist ein Urteil an diesem ersten Verhandlungstag wahrscheinlich, der Richter hatte sich im Juni schon am Geißbockheim umgeschaut. Aber löst ein Urteil die verfahrene Situation auf? Kann der FC wirklich auf den Gleueler Wiesen bauen? Oder geht er doch zumindest teilweise nach Marsdorf?

Es ist ein emotionales Thema, mehr als 7000 Einwendungen gab es, als die Stadt die Pläne öffentlich ausgelegt hatte. Ein Rekord in Köln. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Worum geht es?

Der Klub plant seit 2014 den Ausbau seiner Trainingsstätte am Geißbockheim im Grüngürtel. Es geht um ein zweigeschossiges Leistungszentrum für die Nachwuchs-Fußballer, es soll neben dem Franz-Kremer-Stadion entstehen. Zusätzlich will der Klub sich ausdehnen, auf der Gleueler Wiese sollen drei Kunstrasenplätze und vier Kleinspielfelder für die Öffentlichkeit entstehen. Rund 25 bis 30 Millionen Euro plant der FC zu investieren.

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Und warum kommt der Ausbau am Geißbockheim nicht voran?

Das hat zwei Gründe. Erstens: Die politische Situation hat sich im Laufe der Jahre geändert, unter anderem weil die Grünen mittlerweile die stärkste Fraktion sind im Stadtrat, sie lehnen die Pläne für die Gleueler Wiese ab. Waren sie anfangs im Zweier-Bündnis mit der CDU noch der kleinere Partner, hat sich das mit der Kommunalwahl im Herbst 2020 geändert.

Die Grünen sind die stärkste Fraktion im neuen Bündnis mit CDU und Volt. Das hat den Druck erhöht, beispielsweise war CDU-Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau jahrelang für die FC-Pläne, jetzt hat er ein Moratorium für die Gleueler Wiese im Kooperationsvertrag mit Grünen und Volt unterzeichnet. Dort soll nichts passieren. Auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) unterstützte den Verein jahrelang, doch kurz vor der erneuten Wahl als OB-Kandidatin 2019 der Grünen machte sie die Kehrtwende. Ihre offizielle Lesart: der ausgerufene Klimanotstand.

Und der zweite Grund?

Der FC steckt im Dilemma, ihm fehlt der Zugriff auf die städtische Gleueler Wiese. Die Fläche müsste er wie schon die am Geißbockheim per Erbpacht von der Stadt pachten, doch dafür muss die Politik zustimmen. Das Problem für den Verein: Seit der Kommunalwahl und dem Erstarken der Grünen gibt es dafür keine realistische Mehrheit ohne Beteiligung der AfD. Das lehnt die CDU aber ab, zumal sie ja nun ohnehin das Moratorium mit Grünen und Volt vereinbart hat, was nichts anderes ist als ein Stillstandsabkommen, um das politische Dreierbündnis zu sichern. Da nützt es dem FC wenig, dass der Stadtrat kurz vor der Wahl im Juni 2020 den Bebauungsplan genehmigt hat – mit Stimmen der CDU übrigens. So bleibt es dabei: ohne Fläche kein Bau.

Warum verhandelt das Oberverwaltungsgericht das Thema?

Die Bürgerinitiative Grüngürtel für Alle und der NRW-Ableger des Naturschutzbundes Deutschland haben gegen den Bebauungsplan vor dem OVG geklagt, er verstoße gegen den Regionalplan, der dort einen Grünzug vorsehe. Zudem sei die Alternative in Marsdorf nicht ausreichend untersucht worden, unter den vor Jahren geprüften Standorten landete er hinter dem Geißbockheim auf Platz zwei.

Was sind die Optionen für den 1. FC Köln?

Variante eins: Die Stadt bekommt Recht, der Plan ist gültig, oder sie kann zumindest Fehler nachträglich heilen. Oder Variante zwei: Die Ausbaugegner sind erfolgreich. Ob das OVG eine Revision zulässt, ist noch unklar. Tut es das nicht, kann die unterlegene Partei vor das Bundesverwaltungsgericht Leipzig ziehen. Friedmund Skorzenski von der Bürgerinitiative hat schon angekündigt, das zu tun.

Hat das Urteil einen Einfluss?

Es stärkt zumindest die Argumente der Partei, die gewinnt. Aber: Selbst wenn der Bebauungsplan korrekt ist, kann der FC sich dafür wenig kaufen. Präsident Werner Wolf sagte zuletzt: „Auch wenn das positiv ausgehen würde, wären wir aber noch nicht am Ziel.“ Es gilt ja als nahezu ausgeschlossen, dass die CDU das Moratorium zur Gleueler Wiese mit den Grünen und Volt aufkündigt, es könnte das Ende des Dreierbündnisses sein. Der Rat wird dem FC die Wiese nicht verpachten.

Worauf läuft es hinaus für den 1. FC Köln?

Wohl auf den Acker in Marsdorf. Auf der Fläche an der A1 sollte eigentlich mal nur der Lebensmittel-Großmarkt entstehen, wenn er von der Bonner Straße verlegt wird wegen des Neubauprojektes „Parkstadt Süd“. Doch der Rat hat auf Initiative von Grünen und CDU im vergangenen Dezember beschlossen, dass dort FC und Großmarkt Platz haben sollen. Die Verwaltung untersucht gerade, ob das möglich ist. Der Klub war damals sauer über den Beschluss. Er will im Grüngürtel am Geißbockheim bleiben – doch die Jahre ohne Fortkommen haben die Verantwortlichen müde gemacht, sie wollen vorwärts kommen.

Das Bild zeigt den Bereich, auf dem der 1. FC Köln bald bauen könnte.

Die Toyota-Allee in Marsdorf. Das grüne Feld links ist eine mögliche Fläche für den Großmarkt, das braune Feld rechts wäre ein möglicher Standort für das FC-Leistungszentrum.

Was passiert gerade?

Seit Monaten laufen Gespräche zwischen Stadt- und Klubspitze. Präsident Werner Wolf hatte auf der Mitgliederversammlung im September gesagt: „Mit dem Kopf durch die Wand erreicht man nichts, es geht darum, Schritt für Schritt gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.“ Und: „Da wir aus den Problemen der Vergangenheit gelernt haben, fahren inzwischen mehrgleisig. Es gibt erste konkrete Planungen für einen neuen, zweiten Standort in Köln-Marsdorf. Egal, wie das Gericht zum Jahresende entscheidet, werden wir vorbereitet sein und eine sehr gute Lösung angehen können.“ Er kündigte eine Lösung bis März 2023 an, Reker hatte eine bis Jahresende angekündigt. Klar ist aber: Auch in Marsdorf braucht es einen Bebauungsplan, der dauert. Schnell geht es nicht.

Und was ist mit dem Geißbockheim?

Seit 1953 ist der Verein am Geißbockheim zu Hause, es ist eine Fußball-Institution. Dass der Klub dort alles aufgibt, gilt als unwahrscheinlich. In den Gesprächen mit der Stadt geht es deshalb um viele Fragen: Nutzt der FC weiter das Franz-Kremer-Stadion oder baut er ein neues Stadion in Marsdorf? Wer bleibt am Geißbockheim: nur die Profis? Wer nutzt dann die vielen Fußball-Plätze am Geißbockheim, wenn dort beispielsweise nur die Profis trainieren? Die Öffentlichkeit? Übernimmt die Stadt die Plätze und auch das Stadion? Zahlt sie etwas dafür? Fragen, die nun bald geklärt sein sollen.

Das Bild zeigt das Clubhaus des 1. FC Köln mit dem Trainingsplatz 1 (vorne) und dem Franz-Kremer-Stadion (hinten rechts) im Äußeren Grüngürtel.

Das Areal Geißbockheim von oben gesehen.

Kann der 1. FC Köln sich ein solches kostspieliges Projekt aktuell leisten?

Finanziell steht der FC weiter unter Druck. Der Schuldenstand liegt bei 65,9 Millionen Euro, das Eigenkapital ist auf 3,2 Millionen Euro gesunken. Angesichts von Genussscheinen und ähnlichem müsse man mit Verpflichtungen von rund 80 Millionen rechnen, sagte Geschäftsführer Philipp Türoff. Der FC bleibe ein „finanzwirtschaftlicher Sanierungsfall“. Grund sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie, aber nicht nur. Der Klub schleppt Altlasten mit sich herum, lebte lange auf Pump.

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