Bahnhof Süd in KölnMit vollem Risiko zu Fuß über die Gleise

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Seit vielen Jahren ein unhaltbarer Zustand: Pendler überqueren die Gleise am Bahnhof Süd, weil es zur Zülpicher Straße keinen Zugang zu Gleis 1 und 2 gibt.

Seit vielen Jahren ein unhaltbarer Zustand: Pendler überqueren die Gleise am Bahnhof Süd, weil es zur Zülpicher Straße keinen Zugang zu Gleis 1 und 2 gibt.

Köln – Es wird schon nichts passieren. Es ist den vergangenen Jahrzehnten ja nie etwas passiert. „Das ist halt Köln“, sagt Daniel Schiller (26) resignierend, läuft wie jeden Tag quer über die Mittelgleise am Bahnhof Süd, um auf den Nachbar-Bahnsteig und damit zum Abgang zur Zülpicher Straße zu gelangen.

Schiller geht volles Risiko. „Ich kann das einschätzen. Die Strecke ist gerade. Die Züge sind von weitem zu sehen.“ Das macht er morgens auf dem Weg zum Zug nach Düsseldorf. Und abends auf dem Weg zurück. Die Alternative wäre, den Bahnsteig entlang zu rennen, durch den Tunnel zu hetzen und auf der anderen Seite zurück zu laufen. „Das ist eine Zumutung“, sagt Schiller.

Hunderte tun es ihm täglich gleich. Durch den Grünstreifen auf dem Bahnsteig mit den Gleisen 3 und 4 zieht sich ein breiter Trampelpfad. Vor ein paar Jahren hat die Bahn versucht, durch einen kurzen Zaun am Zugang zur Zülpicher Straße den „illegalen Gleisübertritt“ zu erschweren. Vergeblich. „Die Bahn kann ja schlecht den gesamten Bahnsteig vergittern.“

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Skandalöser Zustand

Rund 15.500 Pendler nutzen den Bahnhof Süd – Tag für Tag. Tendenz stetig steigend. Er ist längst zum Uni-Bahnhof geworden. Doch seit Jahren tut sich nichts. Keine Rolltreppen, keine Aufzüge, die Gleise Richtung Bonn sind nur von der Luxemburger Straße zu erreichen. Nichts für Rollstuhlfahrer, oder Familien mit Kinderwagen.

„Der Zustand dieses Bahnhof ist ein Skandal. Und das seit Jahren.“ Roland Schüler spricht von einem „Kreiselspiel“. Der Bahnexperte des Verkehrsclub Deutschland (VCD) kämpft seit Jahren für eine Modernisierung der Station, der VCD hat sogar eigene Pläne erarbeitet. „Ich fürchte, da wird noch lange nichts passieren, dafür sind zu viele Player im Spiel. Und keiner will die Führung und damit die Verantwortung übernehmen.“

Wer plant was am Bahnhof Süd?

Beginnen wir mit der Deutschen Bahn, genauer gesagt die DB Netz AG. Die muss die in die Jahre gekommenen Brücken an der Zülpicher Straße und der Luxemburger Straße in den nächsten Jahren dringend erneuern.

Bis 2020 soll das geschehen und dabei kommt die Stadt Köln mit mindestens zwei Ämtern ins Spiel – dem Amt für Straßen und Verkehrstechnik und dem Amt für Brücken und Stadtbahnbau. Beide wollen erreichen, dass mit dem Einbau der neuen Brücken auch der Straßenraum auf der Luxemburger Straße und der Zülpicher Straße erweitert wird. Die Brücken sollen zudem höher werden.

„Wir brauchen vier Meter Durchfahrthöhe, damit auf der Luxemburger Straße keine Lastwagen mehr unter der Brücke steckenbleiben“, sagt Klaus Harzendorf. Das Höherlegen der Bahntrasse geht einher mit einer neuen Gleisführung und ist allein schon ein millionenschweres Investment, über dessen Finanzierung sich Bahn und Stadt verständigen müssen. „Dass die DB Netz AG nur die Brücken erneuert und sich sonst nichts ändert, liegt nicht in unserem Interesse“, ergänzt der Leiter des Amts für für Straßen und Verkehrstechnik.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Eine Radstation, Aufzüge, neue Bahnsteigdächer - was alles für den Bahnhof Süd geplant ist.

Fahrradstation geplant

Zusätzlich soll am Bahnhof Süd eine Fahrradstation mit mehr als 1000 Plätzen im einem Teil des alten Empfangsgebäudes und einem Neubau entstehen. Darüber haben sich die Stadt und die Universität kürzlich verständigt. „Die Abstellgebühr soll mit dem Semesterbeitrag der Studenten abgegolten sein“, so Harzendorf. „Die Fahrradstation ist überfällig. Sie müssen sich nur mal die vielen Fahrräder ansehen, die rund um den Bahnhof abgestellt werden.“

Doch das ist noch nicht alles: Die KVB plant eine neue Haltestelle mit Mittelbahnsteig auf der Luxemburger Straße mit einem direkten Zugang zum Bahnhof. Nahverkehr Rheinland (NVR) will in Zusammenarbeit mit der DB-Gesellschaft Station & Service den Bahnhof modernisieren.

Das wird rund sieben Millionen Euro kosten und beinhaltet nach Angaben des NVR den Einbau von Aufzügen entweder von der Luxemburger Straße oder in der bestehenden Unterführung im Bahnhofsgebäude, eine Rampe oder Treppe zum Bahnsteig mit den Gleisen 1 und 2 von der Zülpicher Straße, moderne und verlängerte Bahnsteigdächer und Kleinigkeiten wie neue Beleuchtung, ein Wegeleitsystem, Blindenleitstreifen und eine Fahrgastinformationsanlage für die Gleise 2 und 3, auf denen derzeit nur Güterzüge fahren.

Das Geld soll aus den Fördertöpfen für den neuen Rhein-Ruhr-Express kommen. „Der Bahnhof Süd zählt nicht unmittelbar zum Netz des RRX, „als so genannter Außen-Ast wird es dafür aber Geld geben“, sagt NVR-Sprecher Holger Klein. „Wir gehen davon aus, dass sich Stadt und Bahn spätestens im ersten Quartal 2016 über eine Variante der Modernisierung geeinigt haben.“

Bahn unter Zugzwang

Wir fassen zusammen: zwei Ämter der Stadt, die Universität zu Köln, die KVB, der NVR und die DB-Gesellschaften Netz sowie Station & Service müssen gemeinsam das Millionenprojekt Bahnhof Süd stemmen.

„Das ist schon eine ziemliche Herausforderung“, sagt Harzendorf. Zumal allein der Neubau der Brücken einen Vorlauf von zwei Jahren benötigt, weil Bauarbeiten auf einer derart vielbefahrenen Strecke vorab in die internationalen Fahrpläne eingearbeitet werden müssen.

Die Bahn steht unter Zugzwang, weil beide Brücken als dringend sanierungsbedürftig eingestuft sind. Kategorie vier: Schlechter geht’s nicht. Die Verkehrssicherheit ist gewährleistet, eine Reparatur lohnt sich nicht mehr. Fünf bis sieben Jahre werden nach Angaben der Bahn bis zur Sanierung ins Land ziehen.

Der Flaschensammler, der voll bepackt in Dämmerung über die Gleise klettert, tut dies ebenfalls aus rein wirtschaftlichen Erwägungen. „Ich nehme immer den kurzen Weg“, sagt er. „In meinem Job musst Du schnell sein. Sonst kommt Dir ein anderer zuvor.“

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