Nach jahrelangem RechtsstreitSchwerbehinderter Bewohner wird in Köln-Mülheim zwangsgeräumt – Protestaktion vor dem Haus

Lesezeit 3 Minuten
Aktivisten stehen an der Straße, wo die Wohnung geräumt wurde.

Aktivisten zweier Kölner Initiativen protestierten gegen die Zwangsräumung von Martin H.

In Köln-Mülheim musste ein Schwerbehinderter seine Wohnung räumen. Für ihn endet damit ein sechsjähriger Kampf, bleiben zu dürfen.

Die Vollzugsbeamten sind bereits eingetroffen, die Koffer gepackt. Als Martin H., Mieter eines Hauses an der Seidenstraße in Mülheim zwangsgeräumt wird, protestieren Aktivisten der Initiative Recht auf Stadt Köln und der Sozialistischen Sozialhilfe Mülheim (SSM) vor dem Haus gegen Luxussanierungen und Verdrängung.

Für Bewohner Martin H. endet mit der Zwangsräumung ein fast sechsjähriger Kampf, bleiben zu dürfen. „Ich lebe schon seit 2007 in dem Haus und hatte nie Probleme mit meinem Vermieter“, berichtet er. Doch dann habe es vor einigen Jahren einen Eigentümerwechsel gegeben. Der habe zwar, wie gesetzlich vorgeschrieben, den Mietvertrag seines Vorgängers übernommen, wollte aber gravierende Änderungen: „Im alten Vertrag wurde eine Kaution von null Euro festgelegt. Damit war der neue Vermieter nicht einverstanden.“ Er bestand auf eine Änderung des Mietvertrags und die Zahlung einer Kaution.

Köln-Mühlheim: Eigentümer ging nicht auf Vorschlag des Mieters ein 

Da Martin H. keinen Streit wollte, schlug er vor, eine angemessene Kaution zu hinterlegen und das in einer gesonderten Vereinbarung zu verankern – nicht in einem neuen Mietvertrag: „Darauf ging der neue Eigentümer nicht ein und verklagte mich.“ Es folgten juristische Auseinandersetzungen auf verschiedenen Ebenen – bis hin zu einer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe, über die aktuell noch nicht entschieden ist.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Der bisherige Kampf jedoch führte nicht zum Erfolg. Das Amtsgericht Köln hat H. nun zur Zwangsräumung per Versäumnisurteil verurteilt. Martin H. hat zwar noch eine sofortige Beschwerde beim Landgericht eingereicht, die zu einem Aufschub führen sollte, doch auch die nützt ihm nichts: „Ein Verhandlungstermin ist erst für November festgesetzt.“ Glück für den Zwangsgeräumten: Die Stadt stellte ihm als Schwerbehinderten bereits eine Ausweichwohnung zur Verfügung. Doch die Bitterkeit bleibt: „Die Kündigung ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.“

Initiativen wollen gegen Luxussanierungen in Köln vorgehen

„Wir wollen nicht hinnehmen, dass in unserer Stadt immer wieder alteingesessene Mieter der Willkür von Gewinnsucht und Miethaien ausgesetzt sind“, betonte Wolfgang Lindweiler von der Linkspartei, einer der Organisatoren des Protests. So würden Luxussanierungen immer wieder genutzt, um Mieten dramatisch zu steigern. Das habe zur Folge, dass Menschen mit geringem Einkommen wegziehen müssten und Besserverdienende in trendige Veedel nachzögen.

Lindweiler und Kalle Gerigk – ein weiterer Organisator des Protests – verwiesen darauf, dass es seit einem Jahr eine soziale Erhaltungssatzung für Mülheim Süd-West gebe, die Luxussanierungen auf Kosten der Altmieter erschweren oder verhindern soll.

Die Stadtverwaltung hat nun auf Anfrage der Linkspartei in der Bezirksvertretung Mülheim eine erste Bilanz der Wirksamkeit gezogen. Darin heißt es, dass von März 2022 bis März 2023 16 Anträge auf bauliche oder Nutzungsänderungen in Verbindung mit einem Bauantrag eingegangen seien. Einer davon wurde abgelehnt: Denn die geplante Wohnraumerweiterung und Nutzungsänderung führe dazu, bisherige Mieter zu verdrängen.

KStA abonnieren