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EinsatzkommandoSpezialeinheit des Zoll jagt Schmuggler und Mafiosi

Lesezeit 5 Minuten

Ausbilder Oliver Schult (l.) und Kommandoführer Marco Müller vor dem Logo der Spezialeinheit ZUZ.

Dellbrück – Was Marco Müller täglich bei der Arbeit erlebt, wäre Stoff genug, um auf jeder Party im Mittelpunkt zu stehen. Aber das ist nicht Müllers Ding. Wenn er beim Small Talk nach seinem Job gefragt wird, antwortet er lieber: Finanzverwaltung. Und falls das Interesse anhält, schiebt Müller manchmal seinen Dienstgrad hinterher: Zolloberamtsrat. Damit ist das Thema in der Regel erledigt.

Dabei könnte Müller auch sagen: Türen aufsprengen, Wohnungen stürmen, aus Hubschraubern abseilen, Schwerkriminelle festnehmen, so etwas. Und das wäre nicht gelogen; denn der 40-Jährige ist Kommandoführer einer Spezialeinheit des Zollkriminalamts.

Einsatz in besonders gefährlichen Situationen

Was kaum jemand weiß: So wie die Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei oder die GSG (Grenzschutzgruppe) 9 der Bundespolizei hat auch der Zoll eine Spezialeinheit, die nur in besonders gefährlichen Situationen zum Einsatz kommt. Ihr Name: Zentrale Unterstützungsgruppe Zoll, kurz ZUZ. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat die Einheit einen der seltenen Einblicke in ihre Arbeit gewährt.

Die Männer greifen ein, wenn Drogenbarone, Zigarettenschmuggler oder bewaffnete Hintermänner der Baumafia festgenommen werden sollen. „Wir sind 50 Spezialbeamte, die den Schutz für 40.000 Mitarbeiter der Finanzverwaltung übernehmen“, sagt Marco Müller und lacht. „Man könnte auch sagen: Wir haben den Spaß, die anderen die Arbeit.“

Training in Köln-Dellbrück

Dienst- und Trainingsort der ZUZ, deren Mitglieder ähnliche geistige und körperliche Anforderungen erfüllen müssen wie ihre Kollegen vom SEK, ist das Gelände des Zollkriminalamts in Dellbrück. Eingesetzt wird die ZUZ aber in ganz Deutschland, vom Hamburger Hafen bis zu den bayerischen Alpen. Manchmal auch europa- oder weltweit. Nicht gerade ein familienfreundlicher Job.

Auch die sogenannte Erschwerniszulage beträgt gerade mal 375 Euro im Monat – brutto. „Bei uns muss man vielleicht noch ein bisschen heißer brennen als für andere Jobs“, sagt Marco Müller. „Man braucht eine starke, innere Überzeugung. Unter uns sind viele Idealisten.“ Für die hohe Arbeitszufriedenheit im Team spricht die geringe Fluktuation. Manche Beamte sind seit 20 Jahren bei der ZUZ.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Die spektakulärsten und bewegendsten Einsätze der ZUZ-Beamten.

Marco Müller ist seit 15 Jahren dabei. Und dennoch gibt es Einsätze, an die der 40-Jährige sich nicht gewöhnen kann. Vor allem, wenn Kinder im Spiel sind. In einer gestürmten Wohnung fand sein Team im Kinderzimmer nichts als eine Matratze. „Und die musste sich das Mädchen mit einem Hund teilen“, erinnert sich Müller.

Das Zollkriminalamt in Dellbrück öffnet am kommenden Samstag seine Türen für Besucher. Zwischen 10 und 18 Uhr zeigen die Zöllner auf dem Gelände an der Bergisch Gladbacher Straße 837 verschiedene Facetten ihrer Arbeit. Zweimal (um 11.40 Uhr und 14.40 Uhr) simuliert die ZUZ eine Festnahme, jeweils gemeinsam mit Beamten einer tschechischen Spezialeinheit. Darüber hinaus erhalten die Besucher einen Einblick in Themen wie Rauschgiftkriminalität, Zigarettenschmuggel und Produktpiraterie.

Kinder können eine Blaulichtfahrt mitmachen, an einem Quiz teilnehmen und sich auf einer Hüpfburg austoben. Skispringer Severin Freund und Kombinierer Andreas Wellinger vom Zoll-Ski-Team geben Autogramme. Auf einer Biathlon-Trainingsanlage können die Besucher selbst schießen. Daneben gibt es Informationen über eine Ausbildung beim Zoll und das Aufgabenspektrum. Auf einer Bühne versteigert die Behörde beschlagnahmte und gepfändete Gegenstände. Zum Abschluss tritt am Nachmittag Kasalla auf. (ts)

Vor dreieinhalb Monaten nahm sein Kommando in Köln ein führendes Mitglied der italienischen Baumafia fest, Familienvater, schwer bewaffnet. Er lebte mit seiner Frau und seinen drei Kindern zusammen. Die Wohnung mit einem Knallsatz, einer sogenannten Blendgranate, zu stürmen, schied damit aus. Stattdessen durchbrach die ZUZ morgens um sechs die Tür mit einer Ramme. Der Mann stand mitten im Zimmer, wollte sich gerade anziehen. Er wurde unverletzt festgenommen.

Sein jüngster Sohn, eineinhalb Jahre alt, schlief nebenan und bekam nichts mit. „Es ist belastend zu wissen, dass da ein kleines Würmchen im Bett liegt, während du seinen Vater festnimmst“, sagt Müller. „Aber es hilft, sich klarzumachen: Dafür ist allein er verantwortlich, nicht ich.“

Nie im Einsatz geschossen

Jemanden, der auf Gegenwehr gepolt ist, ohne Kratzer festzunehmen – „das ist unser Anspruch“, sagt Müller. Seit 1993 gibt es die ZUZ, seitdem fiel nie ein Schuss im Einsatz. Darauf sind die Beamten stolz. „Wir gehen schnell und entschlossen vor, machen uns den Überraschungsmoment zunutze.“

Jeder Einsatz werde penibel vorbereitet. Im Unterschied zu einem SEK der Polizei, das häufig von einer auf die andere Sekunde alarmiert wird, können die Beamten der ZUZ ihre Zugriffe häufig im Voraus planen. Sie erstellen ein Profil des Täters, kundschaften seine Wohnung aus, verinnerlichen den Grundriss: Wie viele Ein-und Ausgänge gibt es? Aus welchem Material besteht die Tür? Kann die Zielperson durch ein Fenster flüchten?

„Rein kommen wir immer“, sagt Oliver Schult, ehemaliger Einsatzleiter und jetzt Fortbilder bei der ZUZ. „Die entscheidende Frage ist nur: Wie lange brauchen wir dafür?“ Bei ihrer Arbeit nutzt die Spezialeinheit modernste Technik. Für Observationen setzen die Beamten kleinste Sender ein – „dagegen ist jedes Smartphone eine Schrankwand“, sagt Marco Müller.

Stundenlang in Holzkisten versteckt

Häufig ist bei der Planung Kreativität gefragt. Vor der Festnahme eines Zigarettenschmugglers harrten die Beamten stundenlang in engen Holzkisten aus, die sie am Ufer eines Kanals vergraben hatten. Als sie bei anderer Gelegenheit einen Tipp auf einen Lastwagen voller Kokain bekamen, kletterten die Spezialkräfte unbemerkt auf die Ladefläche und warteten, bis die Täter am Zielort die Türen öffneten. „Wir kommen nicht immer stumpf von außen rein und machen alles kaputt“, sagt Müller. „Wir suchen die intelligenteste Lösung.“

In den vergangenen Jahren sei nicht nur eine steigende Gewaltbereitschaft innerhalb der Organisierten Kriminalität zu beobachten. Auch schotteten sich die Täter, die oft Millionenumsätze machen, zunehmend ab. Müller berichtet von einem Drahtzieher aus dem Baumafia-Gewerbe, der sein rundum panzerverglastes Haus von einer privaten Security-Firma überwachen ließ. „Ein normaler Sachbearbeiter vom Zoll wäre da niemals reingekommen.“

Eines haben Oliver Schult und Marco Müller aber auch festgestellt: Viele Täter fürchten brutale Angriffe rivalisierender Banden längst mehr als die ZUZ. „So mancher war regelrecht froh, als er merkte, dass wir es waren, die sein Versteck gestürmt haben, und nicht die Konkurrenz.“