Zwei Löwenbabys sind tot - Nach breiter Kritik von Tierschützern an den Zuchtprogrammen verteidigt sich der Kölner Zoo. Im Artenschutz habe man auch viele Erfolge zu verzeichnen.
Eingeschläferte LöwenbabysNach Kritik: Wie sinnvoll sind die Zuchtprogramme im Kölner Zoo?

Diese drei Jungtiere zog die Kölner Löwin ihren später geborenen Geschwistern vor. Die beiden Jüngsten wurden nun eingeschläfert.
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Der Löwen-Mama benimmt sich wie immer. Entspannt läuft Gina durch ihr Gehege im Kölner Zoo. Als sie sich auf die von der Sonne gewärmten Felsen legt, kommen ihre drei Eineinhalbjährigen und kuscheln sich an sie. Zwei saugen an den Zitzen der Mutter, obwohl sie dafür eigentlich schon viel zu alt sind. „Die haben den Milcheinschuss bei Gina bemerkt“, sagt Zoodirektor Theo Pagel: „Die denken wohl, jetzt hole ich mir noch einen leckeren Snack.“
Am 7. Juli hat Gina noch zwei weitere Löwenbabys zur Welt gebracht, einen Jungen und ein Mädchen. Für sie hat ihr Körper die Milch produziert. Die Löwin selbst hat sich für den erneuten Nachwuchs dann allerdings nicht interessiert und sich auch nicht um ihn gekümmert. Sie habe es immer wieder zu ihren älteren Jungtieren hingezogen, berichtet Pagel. Diese wurden im Januar 2024 geboren. Auch sie bräuchten noch Fürsorge.
Die Kleinsten waren bald sehr entkräftet und wurden deshalb nun vom Zoo eingeschläfert. „Um ihnen unnötiges Leid zu ersparen, wir konnten sie ja nicht elend verhungern lassen“, sagt der Zoodirektor.
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Kritik: Warum durfte Gina überhaupt weitere Junge bekommen?
In der Öffentlichkeit ist derweil eine hitzige Diskussion über die Einschläferungen entbrannt. Die lautesten Kritiker kommen von der Tierschutzorganisation Peta. Es sei fraglich, warum Gina überhaupt weitere Jungtiere habe bekommen dürfen, betont Yvonne Würz, eine Sprecherin der Organisation.
Schließlich sei ihr Nachwuchs aus dem vergangenen Jahr noch auf sie angewiesen gewesen. Dies lege den Verdacht nahe, dass im Kölner Zoo die Nachzucht von Großkatzen „nahezu wie am Fließband“ erfolge. „Solche grausamen Vorgänge sind kein Ausrutscher, sondern trauriger Alltag hinter den Mauern der Zoos“, so Würz. Mehr noch: Die Löwenzucht in Zoos sei „verantwortungslos“ und müsse deshalb beendet werden.
Zoodirektor Pagel kommentiert die Peta-Vorwürfe nicht. „Sonst würde ich diese Organisation doch viel zu sehr aufwerten.“ Was er aber sagt: „Wir haben seit 20 Jahren Löwen und wenn wir wie am Fließband produzieren würden, dann hätten wir jetzt nicht erst den dritten Wurf.“ Der Zoo habe nichts unversucht gelassen, um die Löwenmutter an die Jungtiere zu gewöhnen.
Gemeinsam mit den Kleinen wurde sie zuletzt vier Tage vom übrigen Rudel getrennt und ständig beobachtet. „Eines der neugeborenen Jungtiere hat dann tatsächlich auch einmal Milch bei Gina trinken können, was Hoffnung gab“, sagt Pagel. Doch es gab kein Happy-End. Gina habe immer wieder zu ihren älteren Kindern gewollt. Was aus Sicht des Tieres, das sich wie in der Natur üblich für den Nachwuchs mit der höheren Überlebenschance entschieden habe, „absolut rational und evolutionär vorgegeben“ gewesen sei.
Handaufzucht wurde nicht erwogen, um Fehlprägung zu vermeiden
Gemeinsam mit Tiermedizinern und dem Zuchtbuchführers für asiatische Löwen, dem Zoo in Rotterdam, habe man sich dann zur Tötung entschieden. Der Anspruch des Artenschutzprogrammes sei, „eine Population zu haben von asiatischen Löwen, die sich wie asiatische Löwen verhalten“. Deshalb sei auch keine Handaufzucht erwogen worden, weil es durch die Fixierung auf den Menschen leicht zu „Fehlprägungen oder artuntypischem Verhalten“ kommen könne.
„Dann hat man am Ende 95-prozentige Löwen, aber es fehlen die restlichen fünf Prozent, um sich natürlich in der Gruppe zu behaupten und sich auch fortzupflanzen“, erläutert der Zoodirektor. Dass die elf Jahre alte Gina schwanger wurde, sei geplant gewesen. Deshalb habe sie auch keine empfängnisverhütenden Mittel erhalten wie etwa ein Hormonimplantat.
„Das hätte auch alles funktionieren können mit den Neugeborenen“, sagt Pagel. Denn die älteren Kinder seien schließlich schon 18 Monate alt gewesen. In der Wildnis verlassen männliche Junglöwen die Mutter mit etwa zwei Jahren, junge Löwinnen bleiben oft bei der Mutter im Rudel. Es gibt eine extrem hohe Sterblichkeit des Nachwuchses im ersten Jahr, deshalb kommt durchschnittlich nur ein einziger Wurf im Leben einer erwachsenen Löwin durch.
„Jungtiere dann einzuschläfern, ist wohl die härteste Entscheidung, die ich in meinem Job treffen muss“, sagt Pagel. Tagelang habe er mit seinen Mitarbeitenden gehofft, „und jetzt sind wir nur noch traurig“.
Zuletzt wurde 2017 ein Elefantenbaby im Kölner Zoo eingeschläfert
Zuletzt hatte der Kölner Zoo sich 2017 zu solch einem Schritt entschieden. Da wurde ein nur eine Woche alter Elefantenbulle eingeschläfert, weil er immer schwächer wurde, Durchfall hatte und nicht fressen wollte. In der Pathologie wurde später festgestellt, dass das Tier einen Herzfehler hatte. Auch in anderen Zoos hat es derartige Vorgänge bereits gegeben. In Augsburg wurde ein Nashorn-Baby eingeschläfert, weil die Mutter ihm keine Milch geben wollte. In Schwerin eine kleine Giraffe, in Leipzig ein Elefant und in Hellabrunn ein Gorilla-Baby
Artenschutz hat Tradition im Kölner Zoo. 1985 fand hier die entscheidende Konferenz statt, bei der sich europäische Tiergärten auf gemeinsam abgestimmte Erhaltungsprogramme geeinigt haben. In Köln werden mittlerweile mehr als 200 gefährdete Arten gehalten. Der Tierpark ist an 40 nationalen und internationalen Artenschutz-Programmen und 150 Zuchtprojekten beteiligt,
Löwenäffchen in Brasilien: Zuchtprogramme verzeichnen auch Erfolge
Einige der gezüchteten Tiere konnten sogar schon ausgewildert werden. So wurden am Rhein geborene Przewalskipferde erfolgreich in China und der Mongolei angesiedelt. Fünf Goldgelbe Löwenäffchen leben jetzt an der Südostküste Brasiliens, zahlreiche Marmelenten wurden zurück nach Mallorca gebracht, 55 Exemplare des Tropenvogels Balistar flog man nach Bali.
Und zwölf Exemplare der Ibisvogelart Waldrapp wurden in Italien ausgewildert. Mit extremem Aufwand: Weil die im Zoo aufgewachsenen Zugvögel die herbstliche Reiseroute in den Süden nicht kannten, freundeten sich Naturschützer monatelang mit einigen der Tiere an und flogen mit Ultraleichtfliegern voraus über die Alpen in Richtung Toskana.
Für die Nachzucht braucht es Zeit und Geduld. Im Juli 2015 beispielsweise gelang dem Kölner Zoo weltweit die erste Geburt von Philippinen-Krokodilen. Zwei Jungtiere wurden in die Philippinen geflogen, um sie dort auszuwildern. Und im Sommer 2021 kamen drei weitere Krokodile dazu, die später in das Ursprungsland ihrer Art transportiert wurden.
Moderne Tiergärten seien „wissenschaftliche Bildungs- und Naturschutzzentren“, sagt der Zoodirektor Pagel. Es gehe schon lange nicht mehr nur um Erholung für Stadtbewohner. „Wir wollen und müssen die Menschen für Tiere begeistern, sie bilden und informieren, aber auch selber forschen und uns für den Arten- und Naturschutz engagieren.“
Pagel ist überzeugt, dass zoologische Gärten „eine riesige Verantwortung und Chance“ haben. Allein den Kölner Zoo besuchen pro Jahr bis zu 1,3 Millionen Besucher. „Die kann ich erreichen und emotional packen“, so Pagel. „Wir wollen eine Bewegung starten, so ähnlich wie Greta Thunberg das geschafft hat, damit die Leute begreifen, wie wichtig Artenvielfalt ist.“