KleingartenvereinGärtnern ohne Grenzen

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Ein Paradies am Rande der City: Michael Meiger präsentiert einen größeren und besonders vielfältigen Garten auf dem Gelände.

Ein Paradies am Rande der City: Michael Meiger präsentiert einen größeren und besonders vielfältigen Garten auf dem Gelände.

Nippes/Innenstadt – Weit wölbt sich der Horizont über der Kleingartenanlage des Vereins Flora e.V.: Dem Besucher, der durch das leicht hügelige Gelände zwischen Nippes und der City spaziert, bietet sich ein idyllischer Anblick nach dem anderen. Im Abendrot türmen sich die Wolken über dem Areal, das von den drei Landmarken – dem Kirchturm St. Joseph im Norden, dem blauen „Pascha“-Hochhaus im Westen und dem Mediapark-„Kölnturm“ im Süden – eingerahmt wird. Während nicht weit entfernt der Verkehr auf der Inneren Kanalstraße tost, herrscht hier zwischen verwinkelten Gärten und Lauben wohltuende Ruhe.

„Wir dachten zuerst, wegen der vielen Gartenpächter sei hier immer Halligalli – doch es ist leise, manchmal schon fast unheimlich still“, so Michael Meiger, der zweite Schriftführer des Vereins. „Hier hat man mitten in der Millionenstadt sein kleines Naturparadies – ich hätte früher nie gedacht, dass es so viele Spinnen-, Bienen- und Käferarten gibt“, schmunzelt er. Mit seinem Partner war Meiger, der seit rund 20 Jahren im Agnesveedel wohnt, vor neun Jahren in den Kleingartenverein eingetreten. Nun feierte der Verein bei einem Sommerfest mit Hunderten von Besuchern und einem Auftritt des Musik-Corps der „Nippeser Ahr-Schwärmer“ sein 90-jähriges Bestehen. Bis in die Nacht saßen die Gartennutzer, die aus dem gesamten Stadtgebiet kommen, bei ihrem Kölsch vor dem Vereinsheim an der Krüthstraße. Der KGV Flora e.V. gehört zu den ältesten Gartenclubs im Stadtgebiet; einige der historischen Lauben stehen heute noch auf der Anlage.

Ökologisch bewirtschaftete Gärten

„Nach dem Krieg haben hier viele ausgebombte Kölner gewohnt“, weiß Meiger. Über 325 Gärten, verstreut auf mehreren Grundstücken entlang der Inneren Kanalstraße, verfügt der Vereins. Neben den beiden Hauptarealen zwischen Escher und Neusser Straße gibt es eine Handvoll kleinerer Parzellen rund um Fort X und in der Nähe des Lentparks. Bis Mitte der 1970er Jahre zählte der Club noch an die 1000 Gärten – ein Teil der Anlage fiel allerdings dem damals geplanten Ausbau der Inneren Kanalstraße zur Stadtautobahn zum Opfer. Doch immer noch brauche man rund vier Stunden Zeit, um alle Gärten zu sehen, so schätzen Vereinsmitglieder.

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Die Anlage ist gekennzeichnet durch ein leicht anarchisches, unkompliziertes Flair. Einen Gartenzaun hat hier kaum jemand; die Parzellen gehen ineinander über – und einige der schmalen Wege enden auch mal mitten im Gemüsebeet. „Bei Gartenwettbewerben gewinnen wir oft einen Sonderpreis für Charme und Anmut; wir fallen durch alle klassischen Raster“, schmunzelt Miegel. Viele der Pächter seien dazu übergegangen, ihren Garten ökologisch zu bewirtschaften und Wildkräuter stehen zu lassen. In den vergangenen Jahren hätten viele Familien die Kleingärtnerei für sich entdeckt. „Die Kinder sollen Pflanzen und Natur kennenlernen und erfahren, dass die Erbsen nicht aus der Dose kommen.“ Auch deshalb kann sich der Verein vor Interessenten kaum retten: „Wir haben momentan Wartezeiten von rund drei Jahren für Bewerber“, schätzt Meiger. Deshalb gilt beim Flora e.V. derzeit ein Aufnahmestopp.

Familiäre Verhältnisse

Die Mitglieder des Vereins pflegen ein familiäres, harmonisches Verhältnis – oftmals teilen sich mehrere Familien den Garten. „Was der eine nicht an Gemüse angebaut hat, hat dafür der andere – die Ernte wird einfach untereinander getauscht“, weiß der Kleingärtner aus Erfahrung.

Pächter aus mehr als 25 Nationen und quer durch alle sozialen Milieus sind Mitglied im Verein. Auch Oda Lang, die Vorsitzende des Künstlerkollektivs „Kölner Malerkreis e.V.“, hat seit 20 Jahren ihren Garten auf der Anlage. Hier holt sie sich viele Inspirationen für ihre abstrakten Gemälde. „Nach einer zweijährigen Reise um die Welt zog mich Köln wieder an – und meine Verwurzelung in der Stadt wollte ich mit diesem Garten manifestieren“, so Lang.

Von der lockeren Atmosphäre im Verein überrascht war auch Heike Buntenkötter, die mit ihrer Freundin ebenfalls im Agnesveedel wohnt. Weil sie eine Wohnung ohne Terrasse oder Balkon haben, sehnten sie sich nach einem eigenen Garten. Dann meldete die Partnerin sie vor gut zweieinhalb Jahren im Verein an – was Buntenkötter zunächst skeptisch sah. „Ich sagte nur zu ihr, dass ich mich nicht zwischen Gartenzwerge setze“, lacht sie. Doch dann sei sie überrascht gewesen von der offenen Atmosphäre im Club jenseits aller Kleingärtner-Klischees. Die Zwerge übrigens sind auf der Anlage seltener geworden, was einige Hobbygärtner durchaus sentimental macht. Meiger: „Lustigerweise stehen die meisten der noch verbliebenen Exemplare gerade bei unseren türkischen Pächtern.“

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