Der Weg von Himmel zu Äd ist in Köln bekanntlich sehr kurz - besonders auf dem Fußballplatz. Nun feiern der FC und der Dom ein Doppeljubiläum. Das sollte auch die Fußballgötter milde stimmen.
Saisonauftakt FCEine Andacht für den heiligen Geiß

Kirchenoffizielle, FC-Verantwortliche und 4000 Fans singen im Dom die Vereinshymne.
Copyright: Martina Goyert
Ansgar hat seinen Kopf in den Nacken gelegt und lächelt andächtig in den Himmel. Oder in das filigrane Sternengewölbe. Oder eben auf den Schal, den seine Mutter Christina nach oben reckt. So ganz genau kann man das nicht ausmachen. Aber vielleicht ist an diesem Tag im Kölner Dom ja all das eine Einheit: die Dombaukunst, der 1. FC Köln und der Glaube an Gott. 4000 Fans sind in die Kathedrale geströmt, ein Konzil in Rot und Weiß. Es gibt hier quasi niemanden, der kein Köln-Trikot trägt oder wenigstens einen entsprechenden Schal umgeschlungen hat.
Einen Konvent des Ordens vom heiligen Geiß könnte man die Andacht nennen, und tatsächlich wird nach der Verkündigung des Evangeliums auch Hennes IX. aus den Lautsprechern meckern. Dreimal, wie das sonst den Altarschellen zur Wandlung in der heiligen Messe vorbehalten ist. Der drei Jahre alte Ansgar hüpft mit dem Geißbock auf der Brust jetzt unruhig auf und ab. „Mama, du musst mich hochhalten, sonst kann ich die Musikmacher nicht sehen“.
Zahlenfanatiker könnten sich anlässlich dieses Fußball-Hochamts in einen Rausch hineindenken: 777 Jahre alt wird der Kölner Dom an diesem Tag, 77 Jahre hat der FC auf dem Buckel. Fünfmal sieben, fünfmal die Zahl der Vollkommenheit – zumindest wenn man die jüdisch-christliche Tradition mit im Kopf hat: Gott erschuf die Welt in sechs Tagen und ruhte am siebten, im Buch der Offenbarung werden sieben Siegel geöffnet, Jesus werden sieben Wunder zugeschrieben, das Vaterunser umfasst sieben Bitten – um jetzt nur einige Beispiele zu nennen.
Alles zum Thema Bläck Fööss
- Diskussion über den Neumarkt, FC-Andacht im Dom Was in Köln in dieser Woche ansteht
- Drei neue Olivenritter Mechernich feierte zwei Tage lang die Stadtwerdung vor 50 Jahren
- Hilgener Schützenfest Bläck Fööss bringen Hilgen zum Beben
- Burscheid Für das Schützenfest in Hilgen verschieben die Bläck Fööss ihren Urlaub
- „Wir können uns nicht vierteilen“ So reagieren Kölner Bands und Vereine auf den Karnevalseklat
- Siegburg live Die lustigen Musikanten um Mirko Bäumer sorgten für Ausnahmezustand
- Volksbühne Köln „Die Mobiles“ begeistern mit ihrem Schattentheater
So ist die – Achtung, noch eine Symbolik! – elfte ökumenische Fan-Andacht am Saisonbeginn der Bundesliga diesmal nicht nur eine weitere, sondern auch eine besondere, eben eine Geburtstagsfeier im doppelten Sinn, „zwei jecke Jubiläen“, wie der Kölner Stadtdechant Robert Kleine das euphorisch nennt. Der Verein hat zum Zeichen der Verbundenheit extra ein Domtrikot gestaltet. Binnen einer Stunde wurde es 7000 Mal verkauft – das ist Rekord.
Und dem Anfang wohnt diesmal darüber hinaus ja noch ein besonderer Zauber inne. „Nie mehr zweite Liga“ nennen die Feiernden das an letzten Spieltagen in Köln regelmäßig. Oder wie Kleine es durch das Kirchenschiff schmettert: „Der Dom und der FC – sie sind nun beide wieder erstklassig“. Der Stadtdechant trägt zwar Talar statt Trikot, aber ein bisschen hört er sich so an wie ein Fußballkommentator kurz vor dem Schlusspfiff, wenn das eigene Team vorn liegt.
Die göttliche Dreifaltigkeit kommt in Köln in eigenwilliger Besetzung daher
Andrea hat gerade eine Kerze angezündet. Nicht nur für den Fußballgott, der zumindest in diesem Jahr ja dann hoffentlich ein Kölner-Dom-Trikot tragen wird, sondern auch „für den Dom, für den FC, für alle eigentlich“. Sie strahlt. „Ich bin gerade noch ganz beseelt. Ich wollte schon immer mal zur FC-Andacht. Es war total beeindruckend.“

Wilfried und Ingrid sind extra aus Dülmen angereist. „Am Ende bleibt doch die Gemeinschaft, das Engagement, das Hoffen, das Leiden, das Vergeben.“
Copyright: Claudia Lehnen
Der Fußball und der liebe Gott. Die Brücke vom einen zum anderen mag für manche Vereine über einen ganz schön tiefen Graben führen. Fragt man Fans des FC Bayern, der ja im durchaus auch katholischen München zu Hause ist, dann erntet man nur den Witz: Wir können auch ohne Gebete Tore schießen. In Köln dagegen ist der Weg vom Himmel zur Fußball-Äd nicht nur deshalb stark ausgetreten, weil die Leistung oft derart durchwachsen daherkommt, dass die eine oder andere Kerze im Saisonverlauf durchaus notzutun scheint.
Es kommt auch noch eine regionale Eigenheit hinzu: Die göttliche Dreifaltigkeit kommt für den Kölner und die Kölnerin nämlich durchaus in einer etwas eigenwilligen Besetzung daher: Dom, Karneval, FC. Das ist jetzt nicht streng bibelkonform, geht aber wunderbar zusammen. Nicht umsonst ist der Dom Teil des FC-Logos, die Vereinshymne auch ein Karnevalshit. Die Basis? Natürlich Werte, da ist man sich unter den Fans/Jüngern einig. Schließlich steht man in der Gemeinde zusammen, wie Ilse (71) sagt, „man fällt auch Fremden um den Hals, man singt und feiert gemeinsam“, ergänzt Kollegin Christina (34). Und so wundert sich hier auch kein Schalträger, wenn zur Wahrung des göttlichen Dreiecks in den Fürbitten Gott ersucht wird, den Schiedsrichtern einen „Geist der Klugheit“ zu schenken; wenn die Liturgie um einen Überraschungsauftritt der Bläck Fööss erweitert wird und der evangelische Stadtsuperintendent Bernhard Seiger die Anwesenden in der Predigt als „die besten Fans der Welt“ bezeichnet.

Christina und Ilse haben mit dem FC schon viel erlebt. Internationale Hoffnungen und Abstiegstränen - alles dabei.
Copyright: Claudia Lehnen
Am Ende orgelt dann natürlich noch die FC-Hymne vom Kirchenhimmel – das Credo des FC-Fans. In gewisser Weise ist das auch ein gar nicht so unpassender Vergleich, findet hier so manch einer. „Es geht um Treue, es geht um Höhen und Tiefen. Die gibt es in jeder menschlichen Beziehung“, sagt Wilfried (71), der mit seiner Frau Ingrid extra aus Dülmen angereist ist. Der ehemalige Religionslehrer spielte einst auf links wie sein großes Idol Wolfgang Overath. Heute jubelt er von allen Seiten. Natürlich, der Fußball stehe auch für Kommerz und Hybris. „Aber das verdrängen wir eben. Am Ende bleibt doch die Gemeinschaft, das Engagement, das Hoffen, das Leiden, das Vergeben.“ Das ist im Himmel nicht anders als auf dem Platz.