Spektakuläre Übung an Kölner Seilbahn„Als der Tag X kam, mussten wir funktionieren“

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Seilbahn Rettung Probe

Höhenretter der Feuerwehr nähern sich bei einer Übung der Gondel der Seilbahn über den Rhein mit einem Seilfahrgerät.

Köln – Es sei eigentlich eine Übung wie jede andere auch, sagt Manfred Kootz. Doch als der Höhenretter mit rund zehn Kollegen über eine Leiter hinaufsteigt auf den grauen Mast zu den Gondeln der Kölner Seilbahn, kommen in ihm die Erinnerungen zurück an einen ganz besonderen Einsatz: Im Juli 2017 muss er mit Kollegen 75 Menschen aus den Gondeln der havarierten Bahn retten. Die Bilder der spektakulären Rettung gingen um die Welt. Nun probt die Feuerwehr den Ernstfall mit neuem Rettungskonzept – am Erfolg ihrer Übung hängt auch die Zukunft der Seilbahn.

Seilbahn Probe

Höhenretter der Feuerwehr klettern bei einer Übung an der Seilbahn über den Rhein in einen Pilon.

Ein letztes Mal ziehen Manfred Kootz und Stephan Smirnoff die schwarzen Gurte ihrer Kletterausrüstung fest, kontrollieren gegenseitig ihre Karabinerhaken. „Jeder von uns hat eine Aufgabe, und die wird nun erfüllt“, sagt Kootz. Dann, 50 Meter über dem Rhein, bleibt dann keine Zeit mehr an Gedanken über den starken Regen, die Kälte und den heftigen Wind hier oben, keine Zeit mehr für Erinnerungen an die Seilbahnhavarie am 30. Juli 2017.

Unter großer Anstrengung mit reiner Muskelkraft

Höhenretter Kootz hatte sich damals unter großer Anstrengung mit reiner Muskelkraft über die Seile bis zu den Gondeln gehangelt, mit Kollegen drei Freundinnen sicher abgeseilt und dann zum Boden heruntergeblickt, wo Dutzende Schaulustige applaudierten. Noch heute sind das Bilder, die Gänsehaut auslösen, erzählen die Höhenretter sichtlich bewegt. „Als der Tag X dann kam, mussten wir funktionieren, das haben wir auch“, sagt Kootz.

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Niemand von ihnen hatte damals ernsthaft mit einem Einsatz dieser Größenordnung gerechnet, Technik und Taktik seien entsprechend nicht auf diesen speziellen Fall vorbereitet gewesen. „Vieles wäre damals einfacher gewesen, wenn wir den heutigen Standard gehabt hätten“, glaubt Kootz.

Zwei rote Punkte an der höchsten Stelle des Mastes

Aus der Ferne erkennt man von Smirnoff und Kootz nur noch zwei rote Punkte an der höchsten Stelle des Mastes. Ein letztes Mal besprechen sie sich dort oben, dann haken sie eines der vier neuen Seilfahrgeräte in die Trosse der Bahn ein. Mit ihnen kommen die Höhenretter nun wesentlich schneller zu den Gondeln – eine Lehre aus dem Einsatz vor zwei Jahren. 

Mit handelsüblichen Akkuschraubern können die Retter die Seilfahrgeräte steuern. Nach kurzer Zeit gleiten Kootz und Smirnoff am Seil entlang. Von unten blickt KVB-Sprecher Stephan Anemüller angespannt auf die Szenerie. Auch er weiß um die Symbolkraft der Übung. „Dass damals 75 Menschen gerettet werden mussten, die nicht wussten, was passiert, war keine Kleinigkeit“, sagt er. „Der Sicherheitsstandard damals war ausreichend, jetzt haben wir ihn aber noch mal modernisiert und angepasst.“ Seit dem Vorfall ruhte der Betrieb der Seilbahn.

Ein Dreivierteljahr über Rettungskonzept gebrütet

Ein Dreivierteljahr lang haben die KVB als Betreiber mit der Feuerwehr über einem neuen Rettungskonzept gebrütet, sich dabei an alpinen Seilbahnen orientiert. 600.000 Euro kosten schlussendlich die modernere Rettungstechnik, ein neues computergesteuertes Notfallkontrollsystem und eine Funkanlage, über die nun mit jeder Gondel Kontakt aufgenommen werden kann. Zudem ist nun genau festgelegt, welche Gondeln im Ernstfall noch von einer Drehleiter aus oder nur noch von den Höhenrettern erreicht werden können.

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„Sie werden gleich gerettet“, sagt Smirnoff. Gerade hat er auf dem Seilfahrgerät die Gondel erreicht, die Tür geöffnet und sich ins Innere gehievt. „Bleiben sie bitte auf ihren Plätzen, die Tür bleibt ab jetzt geöffnet“, sagt er zu den beiden Männern in der Gondel. Es spiele keine Rolle, dass sie Freiwillige und das Szenario nur eine Übung seien, sagt Smirnoff. „Wir sind immer fokussiert.“ Über ihm sitzt Kootz auf dem Dach der Gondel, um dort das Abseilen vorzubereiten.

Mitarbeiter der Bezirksregierung als erster Freiwilliger

Der erste Freiwillige wird vergurtet, langsam rutschen Smirnoff und er zu Tür. Es ist ein Mitarbeiter der Bezirksregierung – von seinem Urteil über die Qualität des Feuerwehreinsatzes wird mitunter abhängen, ob und wann die Seilbahn wieder in Betrieb genommen werden darf. Nur wenige Augenblicke später hängt er im Seil, gute zwei Minuten später steht er wieder sicher mit beiden Beinen am Boden. Kommende Woche muss nun noch der Tüv die Anlage abnehmen, danach folgt ein einwöchiger Testbetrieb.

Nach Plan soll die Seilbahn am 28. März wieder normal fahren. Wenige Minuten später sind auch Smirnoff und Kootz wieder sicher am Boden angekommen. Abgesehen von einem defekten Akkuschrauber, den die Männer oben austauschen konnten, sei die Übung reibungslos verlaufen, berichtet Kootz. „Ich fühle mich vorbereitet“, sagt er. „Besser als vor zwei Jahren.“ 

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