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StadtwanderungZo Foß durch Köln

Lesezeit 6 Minuten

Beste Aussichten: Rheinauhafen und Poller Wiesen von der Südbrücke aus gesehen.

KölnHelmut Frangenberg, Redakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“, hat einen Wanderführer geschrieben – mit 14 Touren, die dahin führen, wo sich der Alltag Kölns abspielt: Vorbei an Hochhäusern und Villen, durch Szene-Viertel und ländliche Stadtteile, durch Parallelgesellschaften und über Industriebrachen; zu historischen Zeugnissen und den Orten, wo die Zukunft bereits begonnen hat. In vier Folgen lesen Sie Auszüge aus den Tourenvorschlägen. Zuerst geht es von Klettenberg nach Deutz.

In welche Richtung soll sich Köln entwickeln, was soll die Stadt sein? Ein Konkurrent im Wettkampf der Metropolen? Oder lieber netter Nachbar von Birkesdorf und Hückeswagen? Vielleicht geht beides. Auf dieser Wanderung lässt sich das Gegensätzliche besichtigen, das Köln spannend macht.

Der Weg beginnt in Klettenberg, führt über die Siebengebirgsallee in eines der schönsten von Mehrfamilienhäusern geprägten Wohnviertel der Stadt – aus einem Guss Anfang des 20. Jahrhunderts als Erweiterung von Sülz geplant und meist von Genossenschaften gebaut. Am Ende der Petersberger Straße erreicht man den Klettenbergpark, der 1905 bis 1907 auf einer zehn Meter tiefen Kiesgrube angelegt wurde, um den Städtern einen Ort der Erholung zu bieten. Am östlichen Ausgang des Parks geht man über die Löwenburgstraße zur Geisbergstraße. Fast am Ende der Straße befindet sich eine Siedlung mit ehemaligen Übergangshäusern. Auch wenn die Zeiten vorbei sind, in denen hier ganze Familien auf einem Zimmer hausten, das Areal bleibt trostlos. Ein paar Meter weiter bildet der schöne Komarhof den Kontrast.

Mit dem Tretboot durchs Idyll

Hinter der breiten Eisenbahnunterführung geht’s gleich rechts einen kleinen Weg hoch zu den Gleisen, vorbei an den Gebäuden der „Landwirtschaftsbetriebe der Deutschen Bahn“, von denen wahrscheinlich die wenigsten wissen, dass es sie gibt. Man folgt dem Lauf der Gleise stadtauswärts, macht einen Linksknick des Weges mit und erreicht hinter der Straße „Am Eifeltor“ ein ganz wunderbares Fleckchen Kölns, den Kalscheurer Weiher. Auf dem Gelände des ehemaligen Preußen-Forts VII ließ die Stadt in den 1920er-Jahren die Idee eines Volksparks mit Wiesen, Waldflächen und einem großen Teich umsetzen. Die Runde um das Gewässer lässt sich mit einer halbstündigen Tretbootfahrt unterbrechen.

Folgt man dem Oberen Komarweg stadteinwärts, erreicht man die sogenannte Indianersiedlung. Bevor eine Siedlergenossenschaft 2003 Eigentümerin des Geländes wurde, schlugen die Bewohner manche Schlacht gegen den Abriss. Die Anfänge liegen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als hier Familien größere Areale bekamen, die sie selbst bebauen durften. Es galt, was das Gebiet bis heute prägt: Jeder konnte machen, was er wollte.

Britisches Staatsgebiet in Zollstock

Nach einem kleinen Rundgang durch die Siedlung kehren wir zurück zum Eingang des Südfriedhofs, auf dem viel kölsche Prominenz begraben liegt. Geprägt wird die Anlage von den Gräberfeldern für Soldaten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Der britische Ehrenfriedhof, akkurat angelegt und bis heute im Auftrag der Briten gepflegt, ist Staatsgebiet des Königreichs.

Über den großen Eingangsbereich des Friedhofs mit achteckiger Trauerhalle kommt man zum Höninger Platz, einem architektonischen Sammelsurium – belebt, aber ohne jeden Charme. Immerhin: Das Büdchen auf dem Platz an der Bushaltestelle steht unter Denkmalschutz. Man geht über die Markusstraße von Zollstock nach Raderthal bis zur Schulze-Delitzsch-Straße, durch die am Karnevalssamstag der kleinste Karnevalszug der Stadt zieht. Hier entstand am Ende des 19. Jahrhunderts in einem bis dahin von Bauernhöfen geprägten Stadtteil eine Arbeitersiedlung in einem seltsam anmutenden Mittelalterstil.

Kartoffelfeld vor Hochhaustürmen

Am Ende der Straße biegt man links ab auf die Brühler Straße, dann rechts in die Urfelder Straße. Das architektonische Durcheinander gipfelt am Ende der Hitzelerstraße in einer übrig gebliebenen Bauernhofanlage im Schatten der Hochhäuser von Deutschlandfunk und ehemals Deutsche Welle: ein Kartoffelfeld zwischen Wohn- und Gewerbegebiet.

Hinter dem Hof des Kartoffelbauern kann man rechts einbiegen, geht schräg über die kleine Wiese und nutzt die Zufahrt zu Volvo, um zum Raderberggürtel zu kommen. Schräg gegenüber an der großen Kreuzung Gürtel/Brühler Straße kann man durch einen Durchgang unter einem wenig schmucken neunstöckigen Wohnhaus hindurchgehen und die Raderberger Straße erreichen. Wenn man hinter der bemalten Mauer der Kirchengemeinde St. Mariä Empfängnis links abbiegt, stößt man auf ein Beispiel dafür, wie man die Bausubstanz alter Werkshallen in eine Wohnbebauung integrieren kann.

Das Quartier an der Raderberger Straße, wo immer wieder Neues entsteht und Altes umgebaut wird, schließt sich an den Bereich an, den die Stadt als „südliche Innenstadt-Erweiterung“ oder neuerdings als „Parkstadt-Süd“ zu Vorbildlichem weiter entwickeln will.

Über die Margentheimer Straße, die Straße „Am Husholz“, wo man über drei imposante Mehrfamilienhäuser aus dem Jahr 1925 staunen kann, kommt man zurück zur Brühler Straße, der man stadteinwärts folgt. Der Weg führt vorbei am Kunstsalon bis zur Bonner Straße, wo man nach ein paar Metern links in die Marktstraße einbiegt. Zur Rechten liegt ein als Kirche getarnter Hochbunker Man kann es sich noch nicht so richtig vorstellen, aber in wenigen Jahren soll hier nicht mehr viel von dem zu sehen sein, was man jetzt noch besichtigen kann. Der 1940 eröffnete Großmarkt soll bis 2020 weichen. Ein Rundgang um die denkmalgeschützte Markthalle ist Pflicht.

„Ein besseres Stück Köln“

Über den neuen Kreisverkehr an der Bonner Straße erreicht man die Koblenzer Straße. Hinter dem schicken alten Verwaltungsgebäude der Arzneimittelfabrik Bolder hat die Stadt in Containern Flüchtlinge untergebracht. Daneben befindet sich Kölns großes Urban-Gardening-Projekt „Neuland“. Die Initiative wirbt für „ein besseres Stück Köln“ – und das könnte sie kaum besser tun als hier. Die Geschichte des Areals, die Umstände von Kauf und Weiterverkauf, der Abriss von Gebäuden, ohne zu wissen, was stattdessen kommen soll – all das ist typisch für eine Kölner Stadtentwicklungspolitik, die immer wieder Dinge zulässt, die man nicht nachvollziehen kann oder mag.

Man stößt auf die Schönhauser Straße, wo wir links Richtung Rhein abbiegen, am Gelände der ehemaligen Dombrauerei vorbei. Gegenüber steht Kölns erstes „EU Green-Building“: die „Cologne Oval Offices“. Anspruchsvolle Architektur verbindet sich mit höchsten ökologischen Anforderungen für 30 000 Quadratmeter Bürofläche und mehr als 1600 Mitarbeiter.

Am Gustav-Heinemann-Ufer biegen wir links ab zum hinteren Aufgang zur Südbrücke, über die wir auf die rechte Rheinseite gelangen. Es bietet sich ein toller Blick auf den Rheinauhafen und die Poller Wiesen. Die ersten Züge rollten hier 1910. Wie bei der Hohenzollernbrücke sparte man sich beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg die Wiedererrichtung der dekorativen Portale und Teile der ehemaligen Turmarchitektur. Die Aufgänge zur Brücke wirken noch heute wie eine steinerne Burg, doch das ist nichts gegen das, was hier vor dem Krieg einmal stand. Die beiden Türme am westlichen Ende waren fast doppelt so hoch.

Schrottplätze in bester Uferlage

Am östlichen Ende der Brücke kann man Kölns Schrottplätze in bester Uferlage bestaunen. Sie werden für ein neues Wohnviertel weichen müssen. Die Stadt hat angekündigt, dass bereits 2018 das erste neue Wohnhaus bezugsfertig sein soll. Die Diskussion um die Zukunft des Deutzer Hafens stand auch für die Frage, wie man die wohnungspolitischen Anforderungen einer wachsenden Stadt mit dem Ziel, Industriearbeitsplätze zu erhalten, unter einen Hut bringt. Über den Brückenabgang erreicht man die Alfred-Schütte-Allee. Einen guten Blick auf das Hafenbecken mit seinen Kränen und der riesigen Ellmühle kann man werfen, wenn man den Weg nicht am Rheinufer fortsetzt, sondern über die Straße „Am Schnellert“ am südlichen Ende des Beckens zur KVB-Haltestelle für die Rückfahrt geht.