Verbotene Demo an Kölner MoscheeRichtige Entscheidung, problematische Begründung

Lesezeit 4 Minuten
Ditib-Moschee in Ehrenfeld

Ditib-Moschee in Köln-Ehrenfeld.

  • Lamya Kaddor gründete 2010 den Liberal-Islamischen Bund. Die Islamwissenschaftlerin bewirbt sich für die Grünen in Duisburg um einen Sitz im Bundestag.
  • In ihrer Kolumne schreibt sie diesmal über eine abgesagte Demo vor der Ditib-Moschee in Köln-Ehrenfeld.

Köln – Es sollte in Köln mal wieder eine Kundgebung stattfinden. Doch sie wurde von der Polizei verboten. Daraus ergibt sich eine höchst interessante Betrachtung über das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Religionsfreiheit und dem der Meinungsfreiheit.

Erklärtes Ziel der Kundgebung war es, an den in Frankreich von einem Islamisten enthaupteten Lehrer Samuel Paty zu erinnern, dessen einziges „Vergehen“ aus Sicht der verbrecherischen Fanatiker es war, die umstrittenen Mohammad-Karikaturen von 2005 im Unterricht thematisiert zu haben. In diesem Kontext wollte der Anmelder der Kölner Demonstration, ein Privatmann, auch gleich an einen der Zeichner dieser Karikaturen erinnern, den Dänen Kurt Westergaard, der vor gut einem Monat im Alter von 86 Jahren verstorben ist. Wegen seiner Karikatur, die Mohammed mit einer Bombe als Turban zeigt, musste er zeit seines Lebens in Sorge um seine Sicherheit leben. 2010 überstanden er und seine fünf Jahre alte Enkelin nur knapp einen Mordanschlag in seinem Haus.

Achtung, Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut

Es ist mithin ein wahrhaft angemessenes Ansinnen, an das schlimme Schicksal dieser beiden Männer zu erinnern. Doch die Versammlung sollte ausgerechnet vor der großen Ditib-Moschee in Ehrenfeld stattfinden. Es sei zu erwarten gewesen, dass dann auch Mohammed-Karikaturen gezeigt würden, was eine folgenschwere Provokation der islamischen Welt hätte befürchten lassen. So begründete die Polizei ihr Veto. Hört, hört.

Alles zum Thema Deutscher Bundestag

Die Argumentation klingt ein wenig gewöhnungsbedürftig. Mich würde es wundern, wenn sie einer rechtlichen Prüfung standhielte. Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in Deutschland. Da bedarf es doch mehr als Spekulationen über mögliche Ausschreitungen irgendwo auf der Welt, um Hand daran zu legen. Dennoch war es richtig, die Demo vor der Moschee zu untersagen. Sie sollte nicht nur vor dem wichtigsten islamischen Symbol in Köln stattfinden, sondern auch noch parallel zum Freitagsgebet. Diese Gebetszeit sollen gläubige Musliminnen und Muslime nach den Vorgaben ihrer Religion möglichst in Gemeinschaft halten.

Ein Affront gegen alle Muslime

Der Demo-Anmelder hat sich also exakt den besten Ort und die beste Zeit ausgesucht, um in Köln auf möglichste viele Gläubige zu stoßen. Da sein Ansinnen gewiss auch darin besteht, ein Zeichen gegen den Islamismus zu setzen, kann die Wahl von Ort und Zeit nur als gezielter Affront gegen alle Muslime gewertet werden. Zum Freitagsgebet gehen nämlich auch viele Väter mit ihren Kindern, Senioren, Jugendliche. Die meisten haben mit Politik nichts am Hut. Viele haben selbst mit dem zu Recht umstrittenen Islamverband Ditib wenig bis gar nichts zu tun. Sie kommen einzig und allein wegen Gott. Und wie christliche Kirchgänger sonntagmorgens sollten auch Muslime unbehelligt ihren Glauben praktizieren können.

Warum wollte der Anmelder unbeteiligte Menschen einem Spießrutenlaufen aussetzen? Aus Vorurteilen, wonach alle Muslime gewaltaffin sind? Mit bewusster Kränkung ihres religiösen Empfindens durch das Zeigen der verpönten bildlichen Darstellungen ihres Propheten in zusätzlich verspottender Art? Andere, redliche Absichten vermag ich jedenfalls nicht zu erkennen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nun muss eine Demo keine redlichen Absichten haben. Ein generelles Verbot dieser Demo halte ich daher für unangemessen. Ein Kompromiss wäre es gewesen, sie an einen anderen Ort zu verlegen. In Deutschland muss es die Freiheit geben, eine Kundgebung, wie vom Anmelder gewünscht, durchzuführen. Köln ist groß genug. Doch diesen Kompromiss lehnte der Anmelder nach Darstellung der Polizei ab. Das ist bezeichnend und lässt eine weitere Vermutung zu: Es ging ihm gar nicht um Samuel Party und Kurt Westergaard. Sie sollten offenbar nur instrumentalisiert werden für einen konstruierten Kulturkampfes gegen den Islam. Schon 2012 hatten die Rechtspopulisten von „Pro NRW“ versucht, Westergaards Karikatur für ihre Zwecke zu missbrauchen. Davon hatte dieser sich damals öffentlich distanziert.

Letzten Endes ist die Argumentation der Polizei aber nicht nur aus juristischer, sondern gleichsam auch aus antirassistischer Sicht problematisch. In den Überlegungen der Behörde wird die Annahme erkennbar, die „hitzköpfigen Muslime“ würden bei jeder Gelegenheit durchdrehen. Dabei hatten die Mohammed-Karikaturen 2005 zunächst kaum Aufsehen erregt. Am 30. September wurden sie erstmals in der dänischen Zeitung „Jyllands Posten“ veröffentlicht. Die Ausschreitungen in der islamischen Welt folgten jedoch erst Ende Januar/Anfang Februar 2006, also mehr als vier Monate später. Was war passiert? Islamistische Aktivisten und Aktivistinnen hatten so lange gewettert, gehetzt und gezündelt, bis die Lunte endlich brannte und es zum Knall kam. Die Kölner Polizei überträgt anscheinend Sicht- und Handlungsweisen von Islamistinnen und Islamisten auf alle Gläubigen. Das sollte man einfach nicht tun.

KStA abonnieren