Film über DianaDie Prinzessinnen-Lüge – warum wir auch heute noch darauf rein fallen

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Kristen Stewart als Lady Di in „Spencer“

Der Regisseur Pablo Larraín wuchs in Chile auf, seine Eltern sind Politiker. Großbritannien ist weit weg, das britische Königshaus vermutlich noch weiter. Und doch war ein Beweggrund, seinen jüngsten Film „Spencer“ zu drehen, ein persönlicher. „Ich wollte wissen, warum jemand wie meine Mutter diese Frau verehrte, die als Prinzessin auf einem anderen Kontinent lebte“, sagte der chilenische Regisseur jüngst der „FAZ“.

Es ist eine Begeisterung, mit der die Mutter des Regisseurs nicht allein ist. Unglaubliche 2,5 Milliarden Menschen sollen die Trauerfeier für Diana im Fernsehen verfolgt haben. Das waren sogar noch deutlich mehr als die 750 Millionen, die bei ihrer Hochzeit mit Prinz Charles einschalteten – und die hatte 1981 bereits alle Rekorde gebrochen.

Woher kommt diese Bewunderung?

Diana galt als meistfotografierte Frau der Welt, ihr tragischer Tod auf der Flucht vor Paparazzi in Paris zementierte einen Mythos, der bereits viel früher begründet wurde.

Alles zum Thema Carolin Kebekus

„Spencer“, in dem die amerikanische Schauspielerin Kristen Stewart Diana mit britischem Akzent, versucht zu ergründen, wer diese Frau war, die als verschüchterte 20-Jährige den – so dachte man damals – baldigen englischen König geheiratet hatte. Warum löste sie eine solche Bewunderung aus, dass manche sie eher als Heilige denn als normalen Menschen wahrnahmen?

Larraíns Film ist nicht der erste, der dieser Frage nachgeht, und er wird vermutlich auch nicht der letzte sein. Keine Staffel der Netflix-Serie „The Crown“ wurde so intensiv diskutiert wie die, in der Diana auf der royalen Bildfläche auftauchte. Auch mehr als 40 Jahre nach ihrer Hochzeit und knapp 25 Jahre nach ihrem Tod ist die Faszination ungebrochen.

Es gibt viele unglückliche Ehen

Warum eigentlich? Was hat diese Frau geleistet, um eine solche Verehrung zu rechtfertigen? Ja, sie ging offen auf Aids-Erkrankte zu in einer Zeit, als diese stigmatisiert wurden und die Gesellschaft sie gerne vergessen hätte. Sie engagierte sich im Kampf gegen Landminen. Sie hatte bei diesem wichtigen Engagement eine äußerst gewinnende Art.

Aber sonst? Sie war berühmt für ihre Hochzeit und ihre unglückliche Ehe. Doch wie viele unglückliche Ehen gibt es auf der Welt? Sie fühlte sich sicherlich gefangen in einem goldenen Käfig, aber sie lebte eben auch ein privilegiertes Leben, in dem sie sich auch als geschiedene Frau in keiner Sekunde Gedanken darüber machen musste, wie sie die nächste Rechnung zahlen soll.

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Die Begeisterung für Diana speist sich aus einem Rollenbild, das wir längst überwunden glaubten und das doch heute in unserer vermeintlich so gleichberechtigen Welt als die Erfüllung aller weiblichen Wünsche propagiert wird: der Traum, einmal eine Prinzessin zu sein. Man muss nur in die Klatschblätter schauen, um zu begreifen, dass sich damit noch immer gutes Geld machen lässt.

Es geht bei den Brüdern Grimm los

Dabei ist dieses Prinzessinnen-Ideal, das darin propagiert wird, nicht nur ärgerlich, es ist sogar gefährlich. Ein Blick in die Märchen der Brüder Grimm hilft zu verstehen, wo das Problem liegt. Die Prinzessinnen, die uns dort begegnen, zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie sich durch nichts auszeichnen. Wichtig ist allein ihr gutes Aussehen. Die entscheidende Frage ist: Wer ist die Schönste im ganzen Land? Und nicht etwa: Wer ist die Mutigste oder die Klügste?

Lebenswert wird das Leben erst durch die Hochzeit mit einem Prinzen – der sie erwählt, nicht andersherum. „Frauen sind in Märchen immer passiv und dämlich. Die können nichts. Schneewittchen macht trotz Lebensgefahr für ein Schnäppchen die Tür auf - da schämt man sich für sein Geschlecht. Da fragt man sich dann natürlich, wann denn endlich der Prinz kommt, der alles regelt“, formulierte Carolin Kebekus es in einem Gespräch mit dieser Zeitung.

Es geht nicht darum, was sie können oder wer sie sind. Und immer gilt: Es kann nur eine geben. Solidarität unter Frauen sucht man dort meistens vergeblich, Stiefschwestern oder Stiefmütter sind garstig und eifersüchtig. „Die starke Heldenjungfrau, die Frau als amazonenhafte Kämpferin, trifft man in Grimms Sammlung nicht“, hält Barbara Gobrecht, Vorstandsmitglied der Schweizerischen Märchengesellschaft SMG, in einem Aufsatz über Frauengestalten im Märchen fest.

Auch Diana träumt den Kleinmädchentraum

In unzähligen Filmen und Büchern wird dieses Rollenbild zementiert, das reicht von „Pretty Woman“ bis „Shades of Grey“. Auch Diana träumte wohl den Kleinmädchentraum vom Prinzen, der sie auserwählt, und musste dann schmerzlich erkennen, welche Kehrseite die Medaille hat: Eine Prinzessin muss ihre Rolle erfüllen, einen eigenen Kopf, eigene Ziele und Wünsche sind da nicht vorgesehen. Es geht darum zu funktionieren, die Thronfolge zu sichern und ansonsten den Mund zu halten.

Daran hat sich bis heute wenig geändert. Unzählige Influencerinnen verdienen viel Geld damit, den Prinzessinnen-Traum am Leben zu erhalten. Und auch bei den Royals hat sich wenig geändert: Catherine, die Frau von Prince William, erfüllt alle an sie gestellten Ansprüche perfekt. Aber als Meghan nach ihrer Hochzeit mit Prince Harry nicht alles so machen wollte, wie man das von ihr erwartete, schoss sich die britische Boulevardpresse sofort auf sie ein.

Harry und Meghan sagten sich irgendwann vom Königshaus los und gingen in die USA. Das Prinzessinnenleben ist eben auch heute noch längst nicht so märchenhaft, wie viele es sich erträumen.

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