Intendantin Birgit Meyer zum Saisonstart der Oper„Tut doch mal den Zollstock weg”

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KU-Meyer

Dr. Birgit Meyer

  • Wenn sich am 3. Oktober im Staatenhaus der Vorhang über Mozarts „Zauberflöte“ als erster Saisonpremiere hebt, hat die Kölner Oper eine fordernde, anstrengende Zeit hinter sich.
  • Vieles ist anderes als gewohnt. So kann der Chor nicht singend auf der Bühne stehen. Aber immerhin singen die Akteure ohne Masken.
  • Doch Regisseur Michael Hampe legt eine erstaunliche Problemlösungsfantasie an den Tag.

Köln – Oper in den Zeiten von Corona: Zu Beginn der Proben lief Regieassistentin Eicke Ecker beharrlich mit dem Zollstock über die Bühne, um die amtlich verfügte Abstandswahrung zwischen den Sängern zu gewährleisten. „Irgendwann habe ich dann“, berichtet Kölns Opernintendantin Birgit Meyer im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, „gesagt: Nun tut den Zollstock weg, ihr habt doch jetzt das Gefühl für die Räume.“

Anstrengende Zeit

Wenn sich am 3. Oktober im Saal 1 des Staatenhauses der Vorhang über Mozarts „Zauberflöte“ (die am Ort zuletzt in der Saison 2014/15 zu sehen war) als erster Saisonpremiere hebt, hat die Kölner Oper – daran lassen die Beteiligten keinen Zweifel – eine fordernde, anstrengende Zeit hinter sich.

So wie vom Regisseur, dem früheren Kölner Opernintendanten Michael Hampe, geplant, konnte das Werk nicht in Szene gehen, Änderungen waren vorzunehmen. Der Chor singend auf der Bühne zum Beispiel – es ging beim besten Willen nicht. Jetzt agiert er stumm, während der Vokalpart von der Seite her eingespielt wird.

Eine besondere Herausforderung ist die Darstellung einer intimen Beziehung zwischen Tamino und Pamina, wenn beide dank Anordnung mindestens drei bis vier Meter Distanz „in Singrichtung“ wahren müssen. „Hampe bekommt das aber großartig hin“, merkt der technische Leiter Volker Rhein an, „dass trotz des Abstands für den Zuschauer der Eindruck von Nähe entsteht.“

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Im Übrigen arbeitet die Regie viel mit unterschiedlichen Ebenen, mit Oben und Unten, so dass mehrere Personen simultan auf der Bühne sein können. Und immerhin singen die Akteure ohne Masken. So oder so sind Meyer und ihre Mitarbeiter von der innovativen und begeisternden Kraft und Problemlösungsfantasie des 85-jährigen Hampe „rundum begeistert“.

„Wahnsinnig viel Platz”

Freilich kommen der Oper in Corona-Zeiten die Verhältnisse im Staatenhaus auch entgegen: „Wir haben“, stellt Meyer fest, „hier einfach wahnsinnig viel Platz“. Irgendwoher komme immer frische Luft, und die Belüftungsanlage sei eben eine solche und keine Umwälzanlage. „Was früher im Sommer schon mal problematisch war“, sagt Rhein, „schlägt uns jetzt zum Vorteil aus: Die Lüftung wird verstärkt und die vorgeschriebene Obergrenze der CO2-Konzentration eingehalten.“

Dadurch werde es möglich, Abstände zu reduzieren. Zur Sicherheit der Zuschauer wurde allerdings jede zweite Sitzreihe im Staatenhaus ausgebaut, und zwischen den Besuchergruppen bleibt jeweils ein Sitz frei. Wer sich im Staatenhaus bewegt, hat eine Maske zu tragen, die aber bei Vorstellungsbeginn abgenommen werden kann.

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Es gibt auch die „klassische“ Pause, in der sogar das Restaurant im Foyer geöffnet ist. Wer dann zu speisen wünscht, sollte vorbestellen. Tische sind im Areal weiträumig verteilt, auch im Außenbereich des Staatenhauses. Die Einlasssituation hat man, wie zu hören ist, im Griff – lange Schlangen sind nicht zu befürchten: Die elf Vorstellungen der Oper vor den Ferien hätten, so Meyer, diesbezüglich nur positive und von den Zuhörern auch einhellig so gewürdigte Resultate erbracht.

Ein Einbruch auf der Einnahmenseite ist angesichts dieser Maßnahmen nicht zu vermeiden: 300 statt 850 Zuschauer pro Vorstellung – das ist erheblich. „Es ist halt“, bemerkt Rhein, „unsere Maxime: Wir brauchen eine Besucherzahl, bei der sich alle wohlfühlen.“ Meyer zufolge wird das Minus indes durch Kurzarbeit und den coronabedingten Verzicht auf andere Produktionen wie etwa die Wiederaufnahme von „Rusalka“ teilweise ausgeglichen.

Bis Weihnachten ist die Agenda entsprechend reduziert, wovon die Premieren indes nicht betroffen sind: Auch „Written on skin“ und „Die tote Stadt“, die der „Zauberflöte“ folgenden Produktionen, sollen wie geplant in Szene gehen – „wenn“, wie Meyer sagt, „nicht doch wieder ein Lockdown kommt“.

Man fährt auf Sichtweite

Man fährt also – was soll man anders machen – auf Sichtweite. Das betrifft auch das Ticketmanagement: Erst zwei Wochen vor der jeweiligen Aufführung werden die vorher verbindlich reservierten Karten mit Rechnung verschickt. Der Verkauf der „Zauberflöte“ sei gut angelaufen, die Premiere ausverkauft. Kein Wunder bei diesem Stück, möchte man meinen, indes hat Corona schon viele Erwartungen durchkreuzt.

Corona-Fälle beim Personal der Kölner Oper gibt es dem Vernehmen nach bislang nicht. Hampes Bühnenbilder German Droghetti verstarb jedoch im Sommer in Chile an der einschlägigen Infektion. Sein Konzept setzt jetzt Darko Petrovic um, der mit Hampe schon anlässlich seiner gefeierten Kölner „Bohème“ zusammenarbeitete. Eine „Zauberflöte“ auf dieser Linie verspricht ein opulentes, sinnliches, verständliches, dabei in der psychologischen Feinmotorik genau durchgearbeitetes Bühnenspektakel.

Meyer nennt sie „Hampes künstlerisches Vermächtnis hier in Köln“: „Er hat sich wohl mit keiner anderen Oper in seinem Leben so stark auseinandergesetzt wie mit dieser.“ Der Intendantin zufolge erwartet die Zuschauer nicht weniger als ein „großes philosophisches Welttheater“. Zu welcher Konzeption auch die Figur eines vermittelnden Erzählers gehört. Gibt es Corona-Anspielungen? „Keine direkten. Aber es geht in der Oper zentral um einen Bildungsweg, konkret um die Reifung Taminos hin zu gesellschaftlicher Verantwortlichkeit. Diese Verantwortlichkeit ist in dieser Krise von uns allen mehr denn je gefragt.“

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